Das Regime verkehrter Toleranz: Untersuchungen zu John Rawls, Rainer Forst und aktuellen Fragen
In: Beiträge zur politischen Wissenschaft, Band 177
In: Beiträge zur Politischen Wissenschaft, 177
Seit der Aufklärung ist der Bürger gefragt, der sich des eigenen Verstandes bedient. Er wird seit Rawls durch die Einzelnen abgelöst. Müssen sie umdenken? Sie werden, so hofft man, die Rawls'sche Konzeption bzw. eine ihr ähnliche wechselseitig anerkennen, – wie seltsam. Zu Terror und labilem Kompromiß soll sie die einzige Alternative sein. Aber sie ersetzt die kritisch beurteilende Toleranz des Alltags durch eine mißglückte. Kraft der Grundrechte ist der Einzelne frei, der Staat durch Pflichten eingeschränkt. Verkehrte Toleranz speist die Weltanschauungen mit privater Narrenfreiheit oder mit Antidiskriminierung ab und privilegiert ein Regime mit der Freiheit, rigoros für korrekte Verhältnisse zu sorgen. Sowohl skrupellosem Wirtschaftsliberalismus als auch »sozialer« Spendier- und Verschuldungsbereitschaft kommt die verkehrte Toleranz gelegen. Sie bedeutet das Ende des modernen, seine Kultur bewahrenden, mit keiner Ideologie sich identifizierenden Staates. Sollte die Demokratie den »Arzt« wechseln? Rawls hält sich für berufen, sie zu heilen. Forst tut es ihm nach. Die Rezepte sind ähnlich. Gemeinsam ist, Pauschaltoleranz für Weltanschauung zu kombinieren mit Unduldsamkeit für alles, was »nicht zu rechtfertigen« ist. Zu kurz kommt der Bürger, der selber beurteilt, ob das, was stört, in Wahrheit unwichtig, anerkennenswert oder übel ist, – und ob ein Dulden gut wäre. Die Kombinationstoleranz scheitert, wenn sie gnadenlose Korrektheit und autoritären Demokratismus zur Konsequenz hat. 1. jur. Staatsprüfung (München); Stipendiat der Italienischen Regierung (Rom); Dr. phil. (Reinhard Lauth, Ernesto Grassi/München); Dr. jur. (Werner Maihofer/Saarbrücken); Theodor-Körner-Förderpreis; Habilitation: Rechtsphilosophie und Methodologie der Rechtswissenschaften (Ilmar Tammelo/Salzburg); Universitätsdozent (Salzburg); an der Juristischen Fakultät der Universität München wissenschaftlicher Mitarbeiter bzw. Professor für Rechtsphilosophie (SS 1998); Lehre auch an der philosophischen Fakultät, an der Hochschule für Politik und an der Salzburger Rechtswissenschaftlichen Fakultät; Schwerpunkte: Anthropologie und Rechtsphilosophie, Geschichte der politischen Ideen, Juristische Methodenlehre. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. in Festschriften, Fachzeitschriften und Lexika.
In: Beiträge zur politischen Wissenschaft, Band 177
In: Beiträge zur Politischen Wissenschaft 177
Seit der Aufklärung ist der Bürger gefragt, der sich des eigenen Verstandes bedient. Er wird seit Rawls durch die einzelnen abgelöst. Müssen sie umdenken? Sie werden, so hofft man, die Rawls'sche Konzeption bzw. eine ihr ähnliche wechselseitig anerkennen, – wie seltsam. Zu Terror und labilem Kompromiß soll sie die einzige Alternative sein. Aber sie ersetzt die kritisch beurteilende Toleranz des Alltags durch eine mißglückte. Kraft der Grundrechte ist der Einzelne frei, der Staat durch Pflichten eingeschränkt. Verkehrte Toleranz speist die Weltanschauungen mit privater Narrenfreiheit oder rechtlicher Gleichstellung ab und räumt einem Regime das Privileg ein, rigoros für korrekte Verhältnisse zu sorgen. Gelegen kommt sie sowohl skrupellosem Wirtschaftsliberalismus als auch »sozialer« Spendier- und Verschuldungsbereitschaft. Sie bedeutet das Ende des modernen, seine Kultur bewahrenden, mit keiner Ideologie sich identifizierenden Staates
In: Beiträge zur Politischen Wissenschaft - Band 177 v.177
Hauptbeschreibung Seit der Aufklärung ist der Bürger gefragt, der sich des eigenen Verstandes bedient. Er wird seit Rawls durch die Einzelnen abgelöst. Müssen sie umdenken? Sie werden, so hofft man, die Rawls'sche Konzeption bzw. eine ihr ähnliche wechselseitig anerkennen, - wie seltsam. Zu Terror und labilem Kompromiß soll sie die einzige Alternative sein. Aber sie ersetzt die kritisch beurteilende Toleranz des Alltags durch eine mißglückte. Kraft der Grundrechte ist der Einzelne frei, der Staat durch Pflichten eingeschränkt. Verkehrte Toleranz speist die Weltanschauungen mit privater Narrenfreiheit oder mit Antidiskriminierung ab und privilegiert ein Regime mit der Freiheit, rigoros für korrekte Verhältnisse zu sorgen. Sowohl skrupellosem Wirtschaftsliberalismus als auch »sozialer« Spendier- und Verschuldungsbereitschaft kommt die verkehrte Toleranz gelegen. Sie bedeutet das Ende des modernen, seine Kultur bewahrenden, mit keiner Ideologie sich identifizierenden Staates. Inhaltsverzeichnis Einleitung1. Teil: Die einwandfreie Demokratie - Konsensmethoden des »politischen Liberalismus« bei John Rawls - Alternativen bei Nikolaus von Kues und Jacques MaritainFragwürdige Methoden - Bedenklicher Gleichsinn - Die Alternative der Menschenrechte2. Teil: Forum der Vernunft - oder Tribunal korrekter Toleranz? Analysen und Alternativen zu Tammelo, Rawls und ForstDas Forum der Gerechtigkeitsargumentation bei Ilmar Tammelo - Das Forum der vernünftigsten Konzeption politischer Werte bei John Rawls - oder Alternativen dazu - Kontexte und Konstrukte diskursethischer Toleranztheorie bei Rainer Forst - oder Alternativen zu ihnen3. Teil: Die Rechtfertigungsdemokratie - Untersuchungen zu Rainer Forst und aktuellen FragenSündenfälle einer agnostischen Rechtfertigungslehre - Eigenwilligkeiten politisierter Diskursethik - Folgen einer Denkweise der
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