Nur schöner Schein?: Demokratische Innovationen in Theorie und Praxis ; eine Studie der Otto Brenner Stiftung
In: OBS-Arbeitsheft 80
Die Klage über die "Krise der Demokratie" ist so alt wie die Demokratie selbst. Durch die Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Debatte in den vergangenen Jahren jedoch an Fahrt gewonnen. Weit über Wissenschaft und Politik hinaus wird über "Postdemokratie" (Colin Crouch), "demokratische Legitimationsdefizite" und "Direkte Demokratie" diskutiert. In der Studie untersucht Dr. Wolfgang Merkel ausgewählte Krisen-Diagnosen und mögliche demokratiefördernde Gegenmaßnahmen. Wolfgang Merkel, ist ein weit über den deutschsprachigen Raum hinaus profilierter Fachmann für demokratische Transformationsprozesse und hat das Konzept der "Defekten Demokratie" mitentwickelt. In der Studie geht er von drei zentralen Herausforderungen für die heutigen Demokratien aus: Einem grundsätzlichen Konflikt zwischen kapitalistischen Dynamiken und demokratischen Verfahren; einem demokratischen Partizipationsdefizit, hervorgerufen durch sozioökonomische Ungleichheit; einer Entmachtung der nationalen demokratisch legitimierten Institutionen durch wirtschaftliche Globalisierung. Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen hat Merkel für die Otto Brenner Stiftung vier demokratische Innovationen untersucht, die gegenwärtig viel diskutiert werden: Volksabstimmungen, Deliberative Verfahren und Versammlungen, Digital Democracy und Supranationale Demokratie. Er kommt zu dem Ergebnis, dass sich der demokratiefördernde Wert dieser Verfahren nur dann entfalten kann, wenn sie eng mit existierenden repräsentativ-demokratischen Verfahren verbunden werden. Für sich genommen böten die diskutierten demokratischen Neuerungen keine ausreichende Antwort auf die beschriebenen Herausforderungen: "An erster Stelle muss vielmehr eine Reformierung und Vitalisierung von Parteien, Parlament und Regierung selbst stehen."