Sammelwerksbeitrag(elektronisch)2008

Soziales Gedächtnis: soziokybernetische Betrachtungen

In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 4583-4596

Abstract

"Aus der Beschäftigung mit der Umsetzungsproblematik nachhaltiger Entwicklung und dem inhärenten Spannungsfeld zwischen offenen Lernprozessen und der Notwendigkeit zur Institutionalisierung, ergab sich die Notwendigkeit, ein tragfähiges Konzept für die Selbststeuerung solcher Umsetzungsprozesse zu entwickeln. Dabei war die Metapher eines Gedächtnisses für Nachhaltigkeit voranalytischer Kern und Leitbild bei der Suche nach diesem Konzept. Warum Gedächtnis? Weil ein Gedächtnis entscheidend ist für die Fähigkeit Neues wahrzunehmen und dabei gleichzeitig die Reproduktion der immer gleichen Identität sicherzustellen. Ohne Gedächtnis gibt es keine Unterscheidung zwischen Selbst und Nicht-Selbst, zwischen jetzt, früher und später. Ohne Gedächtnis besteht keinerlei Möglichkeit zur Aufrechterhaltung eines solchen Selbst, und als ein Selbst wird auch ein soziales Netzwerk aus heterogenen Akteuren aufgefasst, wie es für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung kennzeichnend ist. In einer transdisziplinären Herangehensweise werden sozial- und naturwissenschaftliche Sichtweisen auf den Phänomenbereich Gedächtnis beschrieben und die ihnen zu Grunde liegenden generellen Merkmale abstrahiert. In einer sozialwissenschaftlichen Sichtweise auf Gedächtnis spielen kulturwissenschaftliche, sozialpsychologische und sozialkonstruktivistische Überlegungen eine Rolle (kulturelles, kommunikatives Gedächtnis, Prozesse der Habitualisierung und Institutionalisierung), wobei ein Schwerpunkt auf rekursiven Sozialtheorien liegt, und zwar in der Gestalt (i) der sozialen Systemtheorie, sowie (ii) der Strukturationstheorie. Die naturwissenschaftliche Sichtweise auf Gedächtnis beinhaltet Erkenntnisse aus der Kognitions- und der Hirnforschung, sowie eine Betrachtung von Lernen aus der Warte des Konstruktivismus und dem Verhalten neuronaler Netzwerke. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem menschlichen Gehirn und seinen Gedächtnisfunktionen, wobei bereits hier klar wird, dass eine Theorie des Gedächtnisses notwendigerweise transdisziplinär angelegt sein muss, will sie nicht im selben dualistischen Morast stecken bleiben, wie ein Großteil der Bewusstseinsforschung. Schließlich kann eine transdisziplinäre Synthese gewagt und eine allgemeine Skizze eines Gedächtnisses, seiner Entwicklung, Aufrechterhaltung und Veränderung geliefert werden. Das Ergebnis dieser Bemühungen, ein isomorphes Modell eines archetypischen Gedächtnisses, kann dann von seiner abstrakten Ebene Stück für Stück konkretisiert und mit den Erfordernissen des eingangs erwähnten Untersuchungsobjekts konfrontiert werden. Dabei entsteht eine Lernarchitektur sozialer Nachhaltigkeitsnetzwerke als Gedächtnis für Nachhaltigkeit. Deren Akteure werden nach ihren unterschiedlichen Eignungen und Handlungslogiken gruppiert (primäre, sekundäre, tertiäre Umsetzungsakteure) sowie deren spezifische Gedächtnisprozesse beschrieben Gedächtnis nun verstanden als Gedächtnis des Nachhaltigkeitsnetzwerks. Die Wirkungsweisen der verschiedenen im Netzwerk und dessen Umfeld identifizierten Gedächtnissysteme wird ebenso beschrieben wie der Lernprozess bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit selbst. Hervorgehoben werden dabei die erzeugten und mit Bedeutung versehenen materiellen Artefakte, sowie die Bedeutung vermeintlichweicher Akteure aus den Bereichen Kunst und Kultur. Diskussionswürdig sind vor allem die vermeintliche oder tatsächliche Isomorphie des Ausgangsmodells sowie dessen weiteren Anwendungsmöglichkeiten in ähnlich gelagerten Anwendungsfeldern, in erster Linie in organisationalen Kontexten, bei Lern- und Wandlungsprozessen oder im Innovationsmanagement." (Autorenreferat)

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