Aufsatz(gedruckt)1989

Strukturwandel der Öffentlichkeit im Sowjetsystem: zur Dialektik von Glasnost und Perestroika

In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Band 1989, Heft B 12, S. 10-19

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Abstract

"Glasnost und Perestroika, die beiden bekannten Kürzel für den aktuellen Reformprozeß in der UdSSR, beziehen sich auf verschiedene Erscheinungen, stehen aber in einem engen Wechselverhältnis zueinander. Glasnost, die neue kritische Öffentlichkeit, ging dem Plan einer grundlegenden Umgestaltung des Systems, der Perestroika, voran. Die dynamische Kraft der neuen öffentlichen Meinung trug maßgeblich dazu bei, die Reform des politischen Gemeinwesens auf die Tagesordnung zu setzen und den strukturellen Wandel vorzuzeichnen. Zugleich vollzogen sich Änderungen in den Formen der Öffentlichkeit selbst. Seit der Amtsübernahme durch Gorbatschow wurde Glasnost propagiert. Die Inhalte und Formen öffentlicher Kritik weiteten sich aus. Die Preisgabe des 'Unfehlbarkeitsanspruches' der KPdSU auf ihrem 27. Parteitag 1986 stellte die Weichen für ein neues gesellschaftliches 'Denken in Varianten' wie für das Hervortreten einer 'bürgerlichen Gesellschaft' überhaupt. Die öffentliche Kritik beschäftigte sich mit den strukturellen Schwachstellen des 'befehlsadministrativen' Systems und dessen Entstehung. Die von oben freigegebene und von der Gesellschaft weitergetragene Regimekritik mündete in generelle Konzepte und konkrete Vorschläge zur Systemerneuerung. Wichtige Etappen in diesem Prozeß waren die Volksaussprachen und die 19. Parteikonferenz 1988. Hier erwies sich Glasnost als nachgeholtes liberales Ideal von Öffentlichkeit zur Freisetzung eines Marktes von Meinungen 'optimaler' Problemlösungen und selbst von neuen verfassungspolitischen Leitvorstellungen. So orientieren sich die gegenwärtigen Reformbestrebungen an den lange verpönten Begriffen des Rechtsstaates und des Pluralismus, an Opposition und Gewaltenteilung. Man greift heute offenkundig freimütig auf die im Westen gemachten 'Erfahrungen des welthistorischen Prozesses' zurück, um Reformmodelle zu gewinnen. Noch bleibt abzuwarten, wie sich diese in die sowjetische Verfassungswirklichkeit einfügen werden." (Autorenreferat)

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