Zur Faschismusanalyse Hannah Arendts und Theodor W. Adornos: Erkundungen in ungeklärten Verwandtschaftsverhältnissen
In: Leviathan: Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Band 23, Heft 1, S. 27-40
Abstract
Trotz persönlicher Antipathie, die auf Gegenseitigkeit beruhte, ähneln sich die Gedanken, die sich Arendt und Adorno zum Phänomen des Faschismus machen, teilweise bis in die Formulierung hinein. Für beide spielt die konkrete Erfahrung des Faschismus die entscheidende biographische Rolle, ohne seine theoretische Verarbeitung ist für beide die Moderne nicht zu verstehen. Die Affinitäten werden ohne Anspruch auf Vollständigkeit an drei Komplexen eher schlaglichtartig und nur mit Berücksichtigung zweier Hauptschriften aufgezeigt: (1) das Scheitern des modernen Egalitarismus; (2) die Funktion totalitärer Propaganda; (3) die Rolle des Rituals. Nach einem präludierenden Rekurs auf Leo Löwenthals Aufsatz "Individuum und Terror" von 1949 wendet sich der Autor den beiden Hauptprotagonisten seiner Untersuchung zu. Beide, Arendt und Adorno interessierte nicht, ob und wie die Entwicklungslogik des Kapitalismus zum Nationalsozialismus führt, sondern es ging beiden um die sozialpsychologischen Aspekte des Faschismus. Beide bemühen sich intensiv um eine adäquate Analyse des Antisemitismus. Beide stellen fest: Der ursprünglich emanzipative Gedanke der Gleichheit ist in terroristische Nivellierung abgeglitten. Die Spitze dieser Nivellierung bildet für beide die "Technik der Konzentrationslager" (Adorno), welche "die eigentliche zentrale Institution des totalen Macht- und Organisationsapparates" (Arendt) sind. Der Kern dessen, was laut Arendt und Adorno die faschistische Propaganda betreibt, ist die Auflösung des Subjekts in ein sich am totalitären Status quo orientierendes Reaktionsbündel. Beide siedeln die faschistische Ideologie in der Nähe von Religion und Ritual an. (prn)
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Deutsch
ISSN: 0340-0425
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