Sammelwerksbeitrag(gedruckt)2001

ICANN - ein Beispiel?

In: Wer regiert das Internet?: ICANN als Fallbeispiel für Global Internet Governance, S. 347-381

Abstract

"Die gegenwärtige Struktur von ICANN - das war die einleitende These - ist eher das Ergebnis einer Reihe von taktischen Reaktionen gewesen als der strategische Entwurf einer neuen Internet-Ordnung. Das vorläufige Ergebnis - vorläufig, denn dieser Strukturierungsprozess ist noch nicht beendet weist zahlreiche Mängel auf. Und dennoch kann von ICANN als Beispiel gesprochen werden, welches in künftigen Regulierungsbemühungen nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass zugleich ein hinreichender Erfolg solcher Bemühungen in Frage stünde. Zunächst: Die Vorgänge um ICANN haben verdeutlicht, dass die Infrastrukturen von Information und Kommunikation globale Ressourcen sind, für die nationale Verantwortlichkeit an Konturen gewinnt und für die sich globale Verantwortlichkeit entwickelt. ICANN hat mit seiner Drei-Säulen-Struktur darüber hinaus die Rechtfertigungslasten bei der Wahrnehmung dieser Verantwortung verlagert: Wer für globale Regulierungsstrukturen plädiert, bei denen - und dieses Stadium haben wir schon seit längerem erreicht - Staat und Wirtschaft durch Ko-Regulierungsstrukturen verschränkt werden, muss nun etwas deutlicher und ausführlicher darlegen, warum direktere Beteiligungsformen von Bürgerinnen und Bürgern bei solchen Strukturen ausgeschlossen bleiben sollen, und muss darlegen, wie er solche Beteiligungen zu gestalten gedenkt. ICANN ist auch ein Beispiel dafür, dass die Anbindung an eine Hegemonialmacht von Vorteil sein kann: Diese Anbindung hält Aufmerksamkeit und lässt andere von dort entwickelten Formen der Politikgestaltung profitieren, die bei ihnen selbst vielleicht noch nicht in ausreichendem Maße entwickelt sind: Das gilt bei ICANN beispielhaft für die Transparenzumgebung. ICANN ist kein Beispiel dafür, dass sich die Regulierungsthemen der globalen Kommunikationsinfrastruktur in einer einheitlichen globalen Politikgestaltungsstruktur in absehbarer Zeit zusammenfinden könnten. ICANN ist ein Beispiel für eine Variante der Ausgestaltung, die nicht hinwegzudenkende Auswirkungen auf die Ausgestaltung anderer Varianten haben wird - eben durch die Einbeziehung neuer Repräsentations- und Beteiligungsformen. Aber ICANN wird die Regulierungsthemen nicht an sich binden und den Regulierungswettbewerb beenden oder auch nur reduzieren können. Letztlich aber wird ICANN und werden die Vorgänge um die At-Large-Membership als Beispiel in Erinnerung bleiben für die gegenwärtigen Grenzen europäischer Teilöffentlichkeit. Solche konzentrierten Teilöffentlichkeiten werden notwendig bleiben und noch notwendiger werden, um Macht in ihre internationalen koregulativen Verästelungen folgen zu können, und um Herrschaft mit kritischem Wissen nach Verantwortung zu befragen und andere Teilöffentlichkeiten zu mobilisieren. Das ist die zivilgesellschaftliche Spiegelung der Wissensgesellschaft. Es ist die Eigenheit der Infrastruktur 'Internet', solche Prozesse zu erleichtern, und es ist ein - vor allem auch europäisches - Defizit, dieses Potenzial bisher weder durch Ressourcen noch durch eigene Beteiligung hinreichend und nachhaltig unterstützt zu haben." (Autorenreferat)

Problem melden

Wenn Sie Probleme mit dem Zugriff auf einen gefundenen Titel haben, können Sie sich über dieses Formular gern an uns wenden. Schreiben Sie uns hierüber auch gern, wenn Ihnen Fehler in der Titelanzeige aufgefallen sind.