Sammelwerksbeitrag(gedruckt)2005

Ist Wissen auch an der Wahlurne Macht?: politische Kompetenz und Wahlverhalten

In: Persönlichkeit: eine vergessene Größe der empirischen Sozialforschung, S. 137-155

Abstract

"An einem Wahltag stehen alle Bürger formal vor der gleichen Entscheidung, doch heißt dies nicht notwendig, dass alle subjektiv die gleiche Entscheidungssituation vor sich haben. Bereits die klassischen Arbeiten der Michigan-Schule wiesen darauf hin, dass nicht alle Bürger auf die gleiche Weise ihre Wahlentscheidung träfen. So argumentierten sie, dass politisch motivierte Wähler sich in ihrem Entscheidungsverhalten praktisch überhaupt nicht von Formalia des Wahlverfahrens beeinflussen ließen, während sich bei politisch wenig motivierten Personen in Abhängigkeit von der Ausgestaltung des Stimmzettels der Entscheidungsmodus durchaus verändere (vgl. Campbell/Miller 1957; Campbell et al. 1960: 266-289). In die gleiche Richtung argumentierte Converse (1962) mit dem Hinweis, die Wirkung von Wahlkampagnen variiere mit der politischen Involvierung der Bürger. Gleichwohl verlor das Argument, die Wählerschaft als Ansammlung von Menschen mit unter-schiedlichen politischen Fähigkeiten und Motiven zu betrachten, in der empirischen Wahlforschung zusehends an Einfluss zugunsten der Annahme, das Elektorat sei homogen. Erst seit etwa 1990 findet die Heterogenitätsannahme wieder mehr Aufmerksamkeit in empirischen Analysen (siehe etwa Rivers 1988). Als besonders einflußreich erweist sich dabei, nicht zuletzt unter dem Einfluss der sozialpsychologischen Forschung (siehe Chaiken/Trope 1999), der Gedanke, das Entscheidungsverhalten variiere mit der politischen Kompetenz der Wähler. Demnach legen Menschen, die viele politische Informationen aufnehmen und strukturiert verarbeiten können, andere Entscheidungskriterien bei der Stimmabgabe an als Personen, die dazu weniger in der Lage sind. Im Ergebnis träfen politische 'Experten' und politische 'Novizen' (Schmitt-Beck 2000) unterschiedliche Entscheidungen. Sollte diese Form elektoraler Heterogenität tatsächlich auftreten, wäre die Interpretation von Wahlergebnissen im Sinne eines von den Wählern erteilten policy-Auftrags noch skeptischer zu betrachten als ohnehin. Zusätzlich wäre zu fragen, welche Konsequenzen für das Wahlverhalten und die parteipolitische Kräfteverteilung ein Wandel der politischen Kompetenz in der Bevölkerung hätte, wie er von den Verfechtern der These von der kognitiven Mobilisierung in westlichen Demokratien postuliert wird (siehe etwa Dalton 1984, 2000). Der vorliegende Aufsatz geht der Frage nach, ob in Deutschland die politische Kompetenz der Wähler ihr Entscheidungsverhalten beeinflusst. Zunächst werden mögliche Wirm1ngen politischer Kompetenz auf die Entscheidungskriterien der Wähler theoretisch diskutiert. Anschließend werden die entwickelten Hypothesen anhand von Daten aus dem Herbst 2003 empirisch überprüft, ehe die wichtigsten Ergebnisse der Analyse kurz zusammengefasst und diskutiert werden." (Autorenreferat)

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