Die Verfassung ist (schein)tot - die Militarisierung schreitet voran
In: Europa und die Dynamik der globalen Krise: Friedensbericht 2006 ; Ergebnisse der State-of-Peace-Konferenz 2006, S. 31-54
Abstract
Mit dem Nein der Franzosen und Niederländer bei zwei Referenden ist mit dem Verfassungsprozess auch die EU in eine Krise geraten. Die Ablehnung des Verfassungsvertrags in den beiden Ländern hatte viele Gründe. Dass dabei die im Verfassungsentwurf enthaltenen Bestimmungen zur weiteren Militarisierung der EU eine entscheidende Rolle gespielt haben, ist für den Autor zweifelhaft, da der öffentliche Diskurs dieses Thema weitgehend ausgespart hat. Eher sind die Ängste um die in der Verfassung vorgesehenen wirtschaftlichen Deregulierungen und Privatisierungsabsichten zu Buche geschlagen. Auch die Begeisterung für das neoliberale Projekt hat ihren Zenit überschritten und ist endgültig einer breiten Ernüchterung und tiefen Verunsicherung gewichen. Der Beitrag geht nach einem kurzen Abriss über den Stand des Ratifizierungsverfahrens der Frage nach, ob der "Tod der Verfassung" - sollte er wirklich endgültig sein - auch das Ende aller ihrer umstrittenen Inhalte bedeutet, oder ob auch ohne Verfassung die einmal eingeschlagene Politik bruchlos fortgeführt wird. Dabei interessiert vor allem der Aspekt der Militarisierung der EU. Der Autor fragt hier, warum das "Herzblut der politischen Klasse so sehr am EU-Verfassungsvertrag hängt, dass verschiedene Regierungen und zuletzt auch das EU-Parlament eine Wiederaufnahme des Ratifizierungsprozesses vorgeschlagen haben". Die Antwort lautet für den Autor: Ein ratifizierter Verfassungsvertrag legt den weiteren Weg der EU auf Jahre, wenn nicht gar auf Jahrzehnte fest. Die einschlägigen außen- und sicherheitspolitischen Artikel und Bestimmungen machen aus der EU zwar keinen europäischen Staat, aber definitiv eine Militärmacht. Eine Rückkehr zur Zivilmacht ist damit auf lange Sicht versperrt. (ICA2)
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