Der vorliegende Beitrag untersucht die Funktions- und Wirkungsweisen antifeministischer Agitation in den sozialen Medien als eine vergeschlechtlichte und technisch vermittelte Form der Propaganda. Als empirische Grundlage der Analyse dienen leitfadengestützte Tiefeninterviews mit männlich sozialisierten Personen, die rechte und antifeministische Topoi in ihren Posts reproduziert haben. Die Analyse dieses Datenmaterials zielt darauf ab, herauszuarbeiten, wie antifeministische Agitation in den sozialen Medien wirkt und wie die (Re-)Produktion dieser Agitation in diesen Medien funktioniert. Diese Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass diese Reproduktion nicht nach einem 'Top-down'-Prinzip funktioniert, vielmehr ermöglicht sie, diese technisch vermittelte Form der Agitation den befragten Nutzern, mit persönlichen Erfahrungen zu partizipieren und die Agitation dann als eine modifizierte weiter zu teilen.
Dieser Beitrag analysiert, inwiefern sich im Bereich der Schweizer Spitzenforschung Aspekte hegemonialer Selbstkritik zeigen, die Rückschlüsse auf eine Transformation von bürgerlich hegemonialer Männlichkeit zulassen. Als zentrale Ansatzpunkte einer solchen Transformation werden unter Berücksichtigung von sogenannten negativen Gefühlen sowohl Kritik an vorherrschenden Selbstverhältnissen und intersubjektiven Verhältnissen als auch sich abzeichnende alternative Gefühls-, Denkund Handlungsweisen in Bezug auf Erfolg und eine gelingende Wissenschaftskarriere herausgearbeitet. So lässt sich nicht nur die 'Ent- Selbstverständlichung' einer Subjektivierungsweise,die sich stets über Durchsetzungskraft und Wettbewerbsfähigkeit definiert, sondern auch der Entwurf einer alternativen Subjektivierungsweise, die ihre konstitutive Relationalität im Sinne der caring masculinities als Bereicherung versteht, beobachten.
Othering ist nicht nur ein gesellschaftliches Phänomen, sondern muss auch in seiner Relevanz für die wissenschaftliche Analyse reflektiert werden. Anhand von Beispielen aus der Forschungspraxis diskutieren die Beiträger*innen, wie das theoretische Konzept des Othering in der qualitativen Forschung fruchtbar gemacht werden kann. Dabei loten sie dessen kritisches und produktives Potenzial sowohl in theoretischer als auch in epistemologischer, methodologischer und forschungspraktischer Hinsicht aus. Sie analysieren Othering in der postmigrantischen Gesellschaft empirisch, machen es auf diese Weise sichtbar und fragen nach den Möglichkeiten und Grenzen von Reflexivität für eine kritische Wissensproduktion.
All around the world and throughout history, resistance has played an important role - and it still does. Some strive to raise it to cause change. Some dare not to speak of it. Some try to smother it to keep a status quo. The contributions to this volume explore phenomena of resistance in a range of historical and contemporary environments. In so doing, they not only contribute to shaping a comparative view on subjects, representations, and contexts of resistance, but also open up a theoretical dialogue on terms and concepts of resistance both in and across different disciplines.
"Mit dem sozialen Wandel gewinnen gesellschaftliche, insbesondere durch Familienleben, soziale und ökologische Engagiertheit motivierte Ansprüche, an Bedeutung. Sie werden nicht mehr ausschließlich im Privatbereich realisiert, sondern gelangen zunehmend in die Erwerbssphäre und werden in Unternehmen in unterschiedlicher Art und Weise reguliert und umgesetzt. Dabei entstehen neuartige betriebliche Umgangsweisen mit gesellschaftlichen Anforderungen und Modelle, die stärker auf eine Entgrenzung von Lebens- und Erwerbsbereich, Wirtschaft und Gesellschaft abzielen als bisher: Selbständige schaffen sich mit ihren Small Offices und kleinen Agenturen selbst einen geeigneten Rahmen für die Verwirklichung ihrer Ansprüche. In kollektiv geführten Unternehmen wird die Umsetzung kollektiv ausgehandelt. In mittelständischen und großen sozialsensiblen Unternehmen werden den Beschäftigten Spielräume für die Umsetzung ihrer Ansprüche eröffnet. Eine betriebliche Umsetzung erfolgt selten völlig reibungslos. Betrieb und Markt auf der einen und Privatleben auf der anderen Seite erzeugen Ambivalenzen und konfligierende Anforderungen, deren Bewältigung oftmals allein den Erwerbstätigen obliegt. Die Studie untersucht die Thematik sowohl aus dem betrieblichen als auch dem individuellen Blickwinkel und fokussiert dabei die Bedingungen und Einflussfaktoren, die sich wesentlich auf die betrieblichen Formen und Muster sowie die subjektiven Handlungsstrategien auswirken. Die betrieblichen Regulierungs- und Umsetzungsprozesse werden aus der arbeits- und organisationssoziologischen Perspektive beleuchtet. Die Analyse individueller Handlungsstrategien stützt sich auf die Konzepte der Biographieforschung." (Autorenreferat)
Gibt es eine Macht ohne Gewalt? Sind Ideologien eine Form des Wissens? Und wie werden unterworfene Individuen zu mündigen Subjekten? Der Autor sucht Antworten, indem er Theodor W. Adorno mit Michel Foucault ins Gespräch bringt. Kritische Gesellschaftstheorie, so zeigt seine Analyse, aktualisiert sich in der Reflexion auf den Zeitkern zentraler Begriffe. Durch deren Redefinition greifen beide öffentliche Intellektuelle in ihr jeweiliges Theorie-Praxis-Gefüge ein. Vor diesem Hintergrund finden Begriffe von Adorno und Foucault in drei Kraftfeldern zu einer Konstellation zusammen. Aus dem Vergleich erwachsen Thesen über Ohnmacht, positionale Ideologiekritik und mündige Subjektivierungsweisen.
Algorithmen und Filterblasen werden oft dafür kritisiert, zu epistemischen Schließungen zu führen, die wiederum identitätspolitische Spaltungen verstärken und damit die Demokratie gefährden. Der Artikel argumentiert für die gegenteilige These: Epistemische Schließungen durch digitale Kommunikation sind förderlich für die Konstruktion von identitätspolitischen Gegenöffentlichkeiten, von denen ausgehend hegemoniale Diskurse kritisiert werden können, um die Demokratie zu demokratisieren. Digitale Kommunikation ist identitätspolitischer Demokratisierung zuträglich, weil sie Gegenöffentlichkeiten sowohl epistemische Schließungen als auch diskursive Offenheit ermöglicht, durch die ein identitätspolitischer Standpunkt gebildet und effektiv in die hegemoniale Öffentlichkeit eingebracht werden kann.
Wenn man räumliche Planung verstehen möchte, ist es wichtig, die Selbstverständnisse und beruflichen Identitäten der handelnden Akteure zu kennen. Bislang ist dazu in Deutschland kaum geforscht worden. Der Beitrag basiert auf einem Forschungsansatz, der berufliche Identitäten als Ergebnis des Zusammenwirkens gesellschaftlicher Anforderungen und eigener Handlungen in den Fokus rückt. Es wird gezeigt, welche Rollen Regionalplanern von außen zugewiesen werden und wie Regionalplaner selber ihre beruflichen Identitäten wahrnehmen und daran arbeiten. Anhand von Dokumentenanalysen und autobiographisch-narrativen Interviews wird untersucht, welche Subjektpositionen in schriftlichen Diskursfragmenten, die sich auf Regionalplanung und Windenergie beziehen, zu finden sind, welchen äußeren Anforderungen sich Regionalplaner ausgesetzt sehen, welche Ansprüche sie selber an ihr berufliches Handeln stellen, welche Techniken des Selbst sie praktizieren und welche diesbezüglichen Spannungen sie wahrnehmen. Die Ergebnisse knüpfen an internationale Untersuchungen über planerische Identitäten an und können als Angebot an die Praxis gelesen werden, individuelle Praktiken und Spielräume der Identitätsarbeit zu reflektieren.
Der Beitrag reflektiert Fragen in Bezug auf die 'Bildung des politischen Subjekts' im Verhältnis zu 'Digitalität'. Dabei geht es um Prozesse 'politischer Bildung', für die nicht nur die Entwicklung und Ausprägung kritischen Urteilsvermögens ausschlaggebend sind, sondern auch die - Bildungsprozesse insgesamt kennzeichnende - Qualität der Selbst-Transformation. Gerade im Hinblick auf diesen Aspekt der Selbst-Transformation werden Dimensionen wie 'Erfahrung', 'Beziehung/Begegnung', 'Leiblichkeit/Körperlichkeit' und 'Präsenz' relevant. Der Beitrag spricht diese Dimensionen deshalb auch mit Bezug auf (kollektives bzw. verknüpftes) politisch-aktivistisches Handeln an - in der Spannung zwischen digitalen/digitalisierten und analogen Praktiken. Mit Bezug auf ein konkretes Beispiel, die "militanten Streifzüge durch die Kreisläufe der Prekarität" der Precarias a la deriva, wird schließlich die politische Bedeutung einer auch analogen aktivistischen Praxis herausgestellt.
Die interdisziplinäre Tagung "Gender Studies meets Diskursforschung meets Gender Studies" widmete sich der wechselseitigen Beziehung von Gender- und Diskursforschung. In dem vorliegenden Tagungsessay wollen wir einen Einblick in die Debatten auf der Tagung geben und diese bezogen auf drei methodologische Schwerpunktsetzungen rekonstruieren und weiterführen: 1. theoretische Perspektiven auf das Verhältnis von Diskurs-Macht-Subjekt im Zusammenhang mit Geschlecht und Sexualität; 2. diskursanalytische Perspektiven auf Geschlecht und Sexualität in Textkorpora und 3. empirische Arbeiten am Schnittpunkt von Diskurs- und Geschlechterforschung - Analyse von Interviews, Dokumenten (und Gruppendiskussionen) sowie YouTube Videos. Bei der retrospektiven Betrachtung und Weiterführung der Tagungsbeiträge legen wir ein besonderes Augenmerk auf die Frage, wie Diskurs und Geschlecht jeweils konzeptualisiert und ins Verhältnis gesetzt wurden und welche (Probleme oder welcher Mehrwert der) Gegenstandskonstitution damit verknüpft war(en). Abschließend betrachten wir die Ergebnisse der Tagung und versuchen einen Ausblick. Übergreifendes Ziel unseres Beitrags ist es, Möglichkeiten einer konsequenten Verknüpfung von Diskurs- und Geschlechterforschung aufzuzeigen.
Identitätspolitik wird heute in der politischen Öffentlichkeit und der politischen Theorie auf ähnliche Weise kritisiert. Ein zentraler Topos dieser Kritik ist, dass Identitätspolitik essentialisierend sei: Sie schreibe Subjekte auf deren soziale Position fest und ergehe sich in einer Politik der Partikularität, die zu Spaltungen der nationalen Bürgerschaft und des demokratischen Diskurses (kommunitaristische und liberale Position) und zu Spaltungen innerhalb gesellschaftskritischer Bewegungen führe (kritische Position). Entgegen dieser einseitigen Kritik schlagen wir mit dem Konzept der "konstruktivistischen Identitätspolitik" eine andere Deutung vor: Wir zeigen, dass politische Identitäten nicht essentialistisch gegeben sind, sondern aus sozialen und politischen Konstruktionsprozessen hervorgehen; dass sie aktiv durch politische (Sub-)Kulturen und Bewegungen hergestellt, erlernt und praktiziert werden. In diesen Konstruktionsprozessen wird politische Artikulations- und Handlungsfähigkeit hergestellt, die Subjekte befähigt, Herrschafts- und Diskriminierungsverhältnisse zu kritisieren. Im Anschluss an die radikale Demokratietheorie argumentieren wir, dass die so ermöglichten partikularen politischen Perspektiven der Identitätspolitik weder die Demokratie noch die Solidarität in gesellschaftskritischen Bewegungen gefährden, sondern zu deren weiterer Demokratisierung beitragen, indem sie die universell gedachten Prinzipien der Demokratie in partikularen Auseinandersetzungen aktualisieren. Während identitätspolitische Konstruktionsprozesse zwar immer wieder zu Essentialisierungen tendieren und Ausschlüsse produzieren, ist deren kritische Reflexion der Identitätspolitik inhärent. Dieses Verständnis ermöglicht auch eine Kritik solcher Identitätspolitiken, die sich nicht an den demokratischen Werten der Gleichheit und Freiheit orientieren und kritische Selbstreflexion blockieren. Nach einem Überblick der gegenwärtigen Identitätspolitik-Kritik erarbeiten wir dieses konstruktivistische Verständnis im Anschluss an die seit den 1980er Jahren geführten Debatten der feministischen und postkolonialen Theorie. Darauf aufbauend entwickeln wir den Begriff der konstruktivistischen Identitätspolitik systematisch, indem wir drei Aspekte differenzieren: Subjektivierung, Artikulation und Repräsentation. Wir beziehen uns hierzu auf Ansätze von Foucault, Rancière, Laclau/Mouffe und Hall und illustrieren die jeweiligen Aspekte anhand migrantischer Selbstorganisierungen sowie schwuler Kultur und queerer Kritik. ; Identity politics is subject to similar critiques in contemporary public debate and political theory. A central topos of this critique is that identity politics is essentializing: it fixes subjects to their social position and resorts to a politics of particularity that leads to divisions in national citizenship and democratic discourse (the communitarian and liberal position) and to divisions within social movements (the critical position). Contrary to this one-sided critique, we propose a different interpretation with the concept of "constructivist identity politics." We show that political identities are not essentialistically given, but emerge from processes of social and political construction; that they are actively produced, learned, and practiced by political (sub)cultures and movements. In these processes of construction, political articulation and agency are produced, enabling subjects to critique relations of domination and discrimination. Following radical democratic theory, we argue that the particular political perspectives of identity politics thus enabled do not endanger democracy or solidarity in social movements, but contribute to their further democratization by actualizing the universal principles of democracy in particular disputes. While the construction processes of identity politics tend to essentialize and produce exclusions, critical reflection on such tendencies is also inherent to identity politics. This understanding also enables a critique of such identity politics that is not oriented towards the democratic values of equality and freedom and blocks critical self-reflection. After an overview of contemporary identity politics critique, we elaborate this constructivist understanding following debates in feminist and postcolonial theory since the 1980s. Building on this, we systematically develop the notion of constructivist identity politics by differentiating three aspects of it: subjectification, articulation, and representation. We refer to approaches by Foucault, Rancière, Laclau/Mouffe, and Hall and illustrate the respective aspects through examples of migrant self-organizations as well as gay culture and queer critique.
Heydorns kritische Bildungstheorie als notwendig-konsequentes Reflexionsinstrument der politischen Bildung Keywords: (Kritische) Politische Bildung; Kritische Bildungstheorie; Kritische Theorie; Ideologiekritik; Bildung und Herrschaft; Halbbildung Anliegen der Arbeit ist aus einer ideologiekritisch-bildungstheoretischen Perspektive aufzuzeigen, dass politische Bildung in ihrer aktuellen Verfasstheit mehrheitlich den eigenen proklamierten Ansprüchen nicht gerecht wird. Weder dem rechtspopulistischen Vormarsch, noch dem allgemeinen Unbehagen mitsamt weiteren regressiven Symptomen im neoliberalen Kapitalismus wird dadurch ausreichend begegnet. Ein konsequenter Blick auf grundlegende Strukturen derartiger Phänomene geht verloren. Zu problematisieren ist dabei das in der politischen Bildung adaptierte Bildungsverständnis, das den ökonomisch-instrumentellen Funktionscharakter der kapitalistischen Leistungsgesellschaft widerspiegelt. Aufgrund der inner-disziplinären Streitigkeiten um die Begriffe der Kritik und des Politischen, um Fragen der Normativität und Professionalität, um didaktische und methodische Konzeptionen sowie den nötigen Gehalt an kritischen Gesellschaftstheorien, wird die Dimension der Bildungstheorie unverhältnismäßig gering thematisiert. Heydorns kritische Bildungstheorie ist hierbei der strukturelle Fluchtpunkt dieser Masterarbeit, die in der ideologiekritischen Aufarbeitung der Begriffe und Ideen der politischen Bildung und derer bildungstheoretischen Wendung signifikante Potenziale für eine integre und wirksame Neuausrichtung vermutet. Zunächst soll ein Abriss der aufklärerischen Ideale und der Ideengeschichte des Bildungsbegriffs theoretische Bezugspunkte vorbereiten und das Fundament der modernen Bildungsidee ausbreiten, auf das sich in den verschiedensten Konzeptionen von Erziehung und Bildung weiterhin ausnahmslos berufen wird. Die kritische Gesellschaftsdiagnose der Frankfurter Schule markiert dann eine Zäsur der bildungsbegrifflichen Geschichte und stellt heraus, inwiefern die Indienstnahme der Bildung mitsamt aufklärerischem Schein als herrschaftssichernde Ideologie zu reflektieren ist. In einem weiteren Schritt wird dieser Problemaufriss auf den Diskurs der politischen Bildung übertragen, um dort unter anderem mit einer Kritik der wissensgesellschaftlichen Kompetenzideologie parallele Regressionslinien aufzuzeigen und den Vorwurf der Nichterfüllung der Bildung zu autonomer Selbstbestimmung und emanzipatorischer Reflexionsfähigkeit zu explizieren. Dieser Aufbau kulminiert in dem Hinweis auf Heinz-Joachim Heydorns kritische Bildungstheorie und auf die Möglichkeiten, die sich für den Diskurs der kritischen politischen Bildung in einer gebündelten bildungstheoretischen Reflexion ihrer Ansätze, beziehungsweise einer sich am radikalen Bildungsbegriff entzündenden Debatte eröffnen. Die in dieser Abhandlung selbst implizit angedeutete Methode und Denkweise Heydorns wird konkretisiert. Seinem dialektischen Verständnis von Bildung und Gesellschaft entspringt die Notwendigkeit einer historisch-materialistischen Revision des Bildungsgedankens. Im Sinne eines kritischen Humanismus hält Heydorn an den Mündigkeitspotenzialen der historischen Zugänge, allen voran denen der bürgerlichen Bildung fest und untersucht die jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen ihrer unvollständigen oder instrumentell überformten Realisierung. Das als Folge der Vernunftgeschichte im Bildungsbegriff selbst von Beginn an angelegte Spannungsverhältnis von Emanzipation und Herrschaft erweist sich als der zentrale Widerspruch, der für kritisch-politische Bildungsvorhaben wirksam gemacht werden kann. Bildung büßt aufgrund ihres seit der Antike latent bestehenden instrumentellen Charakters und der mit der Aufklärung zunehmenden Institutionalisierung einerseits ihren eigentlichen begriffs-immanenten emanzipatorischen Selbstzweck ein. Andererseits bereitet das für den expandierenden Kapitalismus stets notwendige Fortschrittsmotiv aber auch innerhalb der positivistischen Bildungsideologie jene humane Rationalität vor, die den Weg zum bewussten Subjekt und somit zur möglichen Mündigkeit sichtbar werden lässt. Kritische Bildung setzt mit ihrer pädagogischen Arbeit an der materiellen Basis von Bildung an, stellt explizit die Frage nach Macht- und Herrschaftsverhältnissen und positioniert sich somit als politische Theorie. Das Subjekt, das zum Bewusstsein über die gesellschaftlich bestimmten, nicht aber determinierenden Verhältnisse gelangt, tritt dieser Sozialität und der eigenen Subjektivierung kritisch-reflexiv und aktiv handelnd gegenüber. Eine sich analog konstituierende politische Bildung zielt in ihrer Gesamtheit konsequent auf die Erkenntnis der herrschaftlich strukturierten Verhältnisse und tritt als Disziplin in einen selbstreflexiven Prozess ein, der insbesondere auf bildungspolitische und -theoretische Grundsatzfragen abzielt. Somit kann die aktuell im Lagerstreit von sogenannter traditioneller und kritischer politischer Bildung polarisierte Debatte über Intention und Legitimation politischer Bildungsarbeit entschärft und konstruktiv gewendet, Bildungsinhalte und Methoden an neuen Maßstäben reflektiert werden. Kritische Bildungstheorie provoziert den wissenschaftlichen Diskurs hingehend eines neuen Selbstverständnisses, das die Verunmöglichungsbedingungen aufklärerischer und neu-humanistischer Ideale vor dem Hintergrund der materiellen gesellschaftlichen Verhältnisse betrachtet, bewusst macht und zu überwinden hilft. Entsprechende Ideale werden stets anhand der gegenwärtigen materiellen Beschaffenheit von Gesellschaft re-aktualisiert. Die notwendige bildungstheoretische Konsequenz der im Diskurs mittlerweile vielfach vertretenen sozialwissenschaftlichen Kritik etabliert einen neuen Deutungs- und Legitimationsrahmen. (Ideologie-)Kritische Zugänge bleiben nicht länger als Bildungsinhalt in der affirmativen Konstitution der politischen Bildung oberflächlich verhaftet, sondern weisen diese insgesamt auf die Notwendigkeit einer neuen Aushandlung des dialektischen Machtverhältnisses von Bildung und Gesellschaft im Modus der Kritik hin, um sich als Diskurs aktiv und selbstbestimmt positionieren zu können. Sich als politische Bildung definierende Bildungsarbeit darf derartige Reflexionen nicht aussparen, um sich nicht selbst zur ideologischen Halbbildung zu degradieren. 81.00 Bildungswesen: Allgemeines 81.02 Philosophie und Theorie des Bildungswesens ; eingereicht von Steffen Pelzel ; Universität Linz, Masterarbeit, 2019 ; (VLID)4406896
Die vorliegende Arbeit untersucht, ausgehend von Michel Foucaults Theorie der "Governmentalität", Prakti-ken der "Rückkehrförderung irregulärer Migrant_innen" in Deutschland alsTechniken neoliberalen Regierens globaler "Migrationsströme". "Regierung" wird im Sinne Foucaults als "die Führung der Führungen" konzep-tualisiert, und umfasst somit weit mehr als den Staatsapparat. Es wird eine Genealogie von Formen der Rückkehrförderung in Deutschland aufgezeichnet, welche sich heute verstärkt auf die Person des_der irregu-lären Migrant_in beziehen. Diese Genealogie wird dann zu sich verändernden Rationalisierungen von Migrati-on und globalem Raum in Relation gesetzt. Ich komme zu dem Ergebnis, dass die Einflussnahme auf als ir-regulär subjektivierte Migrant_innen in einer neoliberalen Regierungsrationalität relevant wird,weil diese den freien Fluss der "regulären" Migrant_innen gefährden.Regulierter freier Fluss reguläre Migrant_innen wiede-rum ist in einer als globaler Raum konzeptualisierten Welt wichtig, da er einen globalen Markt für Humanka-pital darstellt.Weiterhin können aktuelle Programme der "Förderung freiwilliger Rückkehr" als neoliberale Re-gierungstechniken interpretiert werden, die sich in dasdiskursive Feld der Migration ausbreiten. Dies bedeu-tet nicht, das souveräne Techniken wie Abschiebung durch diese Techniken ersetzt wurden; vielmehr bildet sich ein diskursives Feld des "Regierens von Rückkehr" heraus, in dem souveräne und neoliberale Techniken logisch verknüpft sind und einander bedingen. Eine Fallstudie, die in einer der in mehreren Bundesländern speziell zur Rückkehrförerung gegründeten Institution durchgeführt wurde, untersucht schliesslich Regie-rungstechniken im Feld "Rückkehr" auf institutioneller Ebene, und gibt einen Einblick in Subjektivierungen und Konzeptualiserungen der Arbeit und Zielsetzungen dieser Institution durch ihren Direktor. Auch hier, in einer Einrichtung, in der verschiedene (souveräne udnd liberale) Techniken der Rückkehrförderung zusam-menspielen, dominieren neoliberale Rationalisierungen der irregulären Migrant_innen und der angewandten Massnahmen. ; Starting from Michel Foucault's theory of governmentality, this thesis analyses practices of "fostering return of irregular migrants" in Germany as a neoliberal technique of governing global "flows of migration". "Gov-ernment" is understood through Foucault as the "conduct of conduct", and thus comprises far more than merely state institutions. The thesis traces a genealogy of fostering return in different forms in Germany, showing that current forms increasingly target irregular migrants. This genealogy is then set in relation to changing rationalizations of migration and world space. I conclude that exercising influence on migrants subjectivized as irregular becomes relevant within a neoliberal rationality of government, because they en-danger the free flow of "regular" migrants. A regulated, free flow of regular migrants in turn is important in a world conceptualized as a global space, because it represents a necessary global market of human capital. Furthermore, current programs of fostering "voluntary return" can be interpreted as neoliberal techniques of government, which are spreading into the discursive field of migration. This does not, however, mean that sovereign techniques such as deportation are being replaced. Rather, a discursive field of "governing return" is opened up, in which neoliberal and sovereign techniques are logically connected and depend on each oth-er. A case study, realized in one of the institutions founded specifically in order to foster return in different federal states in Germany, finally investigates upon government techniques in the field of "return" on an in-stitutional level, and offers insights into the subjectivization and conceptualizationsof the institution's aims and work practices by its director. I find that within the institution, which is active at the intersection of dif-ferent (neoliberal and sovereign) techniques of fostering return, neoliberal rationalizations of the irregular migrants and the applied measures dominate as well.
Die programmatische Konstitution einer praxeologischen Theoriebewegung - der sogenannte "Practice Turn" - wurde in der deutschsprachigen Soziologie in den letzten Jahren intensiv rezipiert und weiterentwickelt. Dieser Band zieht eine Zwischenbilanz und stellt die Praxistheorie als ein Forschungsprogramm vor, das die Soziologie in theoretischer und analytischer Hinsicht bereichert und neu ausgerichtet hat. Er markiert unterschiedliche Positionen innerhalb der Debatte und behandelt Desiderata der Praxistheorie, die sich aus konzeptuellen Überlegungen und empirischen Analysen ergeben.
Long description: Das autonome Subjekt ist in der Krise. Wie lässt sich aber Handlungsfähigkeit ohne Rückgriff auf eine unabhängige Instanz im Individuum denken? Anhand der Arbeiten von Butler, Foucault und Marx rekonstruiert Hanna Meißner am Beispiel der Geschlechterdifferenz unterschiedliche strukturelle Dimensionen einer historischen Konstellation, in der Autonomie als Verleugnung der Abhängigkeit eine Bedingung subjektiver Handlungsfähigkeit darstellt. Zugleich wird damit eine Kritikstrategie formuliert, die an den Dynamiken dieser spezifischen Form ansetzt und Handlungsfähigkeit als historisch bedingte Möglichkeit der Subjekte begreift, sich zu den Verhältnissen verhalten zu können.
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