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Dem Aufklärungszeitalter wird mehr als jeder anderen Epoche eine fundamentale Bedeutung für die Verfasstheit der gegenwärtigen europäischen Gesellschaften zugeschrieben. Fiktionale Literatur partizipiert, so die These dieser Studie, an der gesellschaftlichen Reflexion über Aufklärung in produktiver Weise. Seit den 1980er Jahren sind in Deutschland und Frankreich zahlreiche Romane erschienen, die die Aufklärungszeit literarisch inszenieren und so das heutige Bild der Epoche mitprägen. In den Mittelpunkt stellen sie dabei die Akteure der Aufklärung - ob sie nun den Ikonenstatus prominenter 'phil

Der Autor zeichnet die Ideengeschichte des Gleichheitsdenkens aus der Mythologie und den Wertvorstellungen der antiken und mittelalterlichen Welt nach. Er findet einige Anhaltspunkte vor dem Aufklärungszeitalter, welche deutlich machen, dass der Gleichheitsgedanke tiefer in der europäischen Geistesgeschichte verankert ist, als gemeinhin angenommen wird. Wenn ein näherer Blick auf das historische Panorama des europäischen Egalitätsdenkens gerichtet wird, so zeigt sich, dass der politisch-normativ verstandenen Gleichheit ein recht wechselhaftes Schicksal beschieden war. Dies gilt auch mit Blick auf den durchaus schon alten Streit um die Demokratie. Es ist nach Meinung des Autors eine bemerkenswerte Tatsache, dass es gerade auch in den Zeiten, in denen demokratische Gesellschaftsentwürfe ein nur geringes Ansehen genossen, einen kulturellen oder gar politischen Gleichheitsdiskurs gegeben hat. Wie ist dies zu erklären? Zunächst kann wohl behauptet werden, dass es ein mehr oder weniger gleiches oder anarchisches Grundfaktum der menschlichen Existenz gibt, an dem selbst ein "Leviathan" nicht zu rütteln vermag. Und darüber hinaus mag es sein, dass es auch eine offene, egalitäre Orientierung gibt, die wesentlich tiefer verwurzelt ist als ihre politisch-demokratische Spielart. Denn auch in Zeiten der viel beklagten "Postdemokratie" (Colin Crouch) steht der "Garten des Epikur" immer noch weit offen. (ICI2)

In seiner Rede wendet sich der Verfasser gegen eine Erosion der sozialen Errungenschaften des europäischen Zivilisationsprozesses seit dem Aufklärungszeitalter. Es werde, so der Autor, zunehmend die Konkurrenz der wirtschaftlich und sozial weniger fortgeschrittenen Länder als Vorwand benutzt, diese Errungenschaften grundsätzlich in Frage zu stellen ("Modell Tietmeyer"). Zentrale symbolische Waffe ist in diesem Zusammenhang der Mythos der Globalisierung, der dazu bestimmt ist, die Zerstörung des Staates oder zumindest die Infragestellung einiger seiner wichtigen Funktionen durch eine Politik zu rechtfertigen, die alle Schranken des freien Spiels der international wirkenden Finanzkräfte beseitigen will. Bei den Bürgern hat dieser Mythos inzwischen einen ökonomistischen Fatalismus erzeugt. Diesem und seinen neoliberalen Begründungen gilt es, ein wirkungsvolles Konzept der politischen Linken entgegenzusetzen. Dieses besteht aus der Vorstellung eines sozialen Europa, das auf einem Bündnis der Arbeiter gründet und das in der Lage ist, die Bedrohungen durch das Sozialdumping zu neutralisieren. Aktionsformen für die Bildung einer "wirklichen" europäischen Sozialbewegung sind internationale Mobilisierung der betroffenen Menschen und Einwirkungen auf die einzelnen Nationalstaaten. (ICC2)

Der Bericht gibt einen Überblick über den Stand der modernen Geschichtsforschung in Italien vor allem in bezug auf die Themenbereiche italienische Aufklärung und Revolution. Innerhalb der deutschen Forschung zur Geschichte Italiens finden das 17. und 18. Jahrhundert kaum Interesse, dagegen gehört diese Periode bis zum Ende der Napoleonischen Ära 1815 zu den am intensivsten untersuchten Epochen in der italienischen Geschichtswissenschaft. Der Autor weist auf die Periodika und die Literaturberichte zu dieser Zeit hin. Er stellt die entsprechenden Gesamtdarstellungen vor und faßt die Arbeiten zu folgenden Aspekten der italienischen Aufklärung zusammen: Kirchengeschichte, Sozialgeschichte, Institutionen- und Rechtsgeschichte, Geschichte der historischen Regionen. In Hinblick auf die Untersuchungen zur Napoleonischen Zeit stellt der Autor ein Vorherrschen der ideen- und wirtschaftsgeschichtlichen Arbeiten fest. Die Geschichte der Institutionen und des sozialen Hintergrunds werden noch wenig berücksichtigt. (BJ)

"Im Mittelpunkt des methodisch induktiv-generalisierend angelegten Beitrages von Helmut Reinalter (Innsbruck) steht die Analyse des Revolutionsbegriffes bedeutender französischer Aufklärer. Der Autor kann in seiner Studie herausarbeiten, daß Ende 1788 in Frankreich bereits die wichtigsten Komponenten des modernen Revolutionsbegriffes wenigstens ansatzweise ausgebildet waren, wie die Verdichtung des noch negativ besetzten Allgemeinbegriffs zum 'Kollektivsingular', die 'Erfahrung der Beschleunigung', die geschichtsphilosophische Perspektive, die Berufung auf eine aus der Revolution selbst und aus ihren Zielen abgeleitete Legitimität und die enge Verbindung mit dem Begriff 'Reform'. Zur festen Verschmelzung dieser einzelnen Elemente kam es allerdings erst in der Französischen Revolution." (Autorenreferat)

In dem Aufsatz versucht der Autor zu zeigen, daß Foucault die potentiellen Gefahren des "Okulozentrismus" und des "Panoptismus" besonders scharf gesehen hat. Foucault steht damit im Kontext eines "anti-visuellen Diskurses" im französischen Denken. Der Angriff auf das Primat des Sehens ist in der "Ordnung der Dinge" aufs engste mit einer Kritik am Humanismus verknüpft. Die Absicht Foucaults war es, die bislang verbotenen Elemente wie Wahnsinn, Differenz und grenzüberschreitende Erotik, die seit Anbruch des klassischen Zeitalters ins Reich der Finsternis verbannt waren, aus der "Herrschaft des Lichts", der Transparenz und der Identität zu befreien. Denn mit der Abschwächung des Primats des Auges geht eine Infragestellung der Transparenz der Sprache einher, die seit dem Auseinanderbrechen der vorklassischen Einheit von Wort und Bild stets Dienerin des Visuellen gewesen war. Foucault hielt die Annahme eines synthetischen, einheitlich sehenden Subjekts für einen anthropozentrischen Fehlschluß. Denn genau dieses vermeintlich transzendentale Subjekt war laut "Ordnung der Dinge" weniger eine Voraussetzung als vielmehr eine Funktion des Okulozentrismus. (pmb)

"Das Thema 'Frau' wird heute modisch-kurzlebig entweder unter mancherlei pragmatischen Hinsichten benutzt oder zweckdienlich ideologisch verzeichnet, selten aber in seinem Wahrheitsanspruch ernstgenommen. Die geistesgeschichtliche Annäherung zielt auf ein Doppeltes: Ein Freilegen des Frauenbildes der frühen Neuzeit aus seiner Vergessensgeschichte, das Auszeichnen der inneren theoretischen Linien über die Aufklärung bis zum 19. Jahrhundert als ein Pol; die Blickschärfung für die anstehende Aufgabe einer Neubestimmung von Frau (und Mann) aufgrund dieser geschichtlichen 'Startbahn' als der zweite Pol. Die heute so heftig diskutierte 'Frauenfrage' wird vielfach mit Utopien oder Anklagen nach rückwärts und zugleich mit vorauseilenden Träumen von einer lichten Zukunft beladen. Stattdessen kann eigentlich nur das Wissen um das tatsächlich gelebte und in die Theorie gebrachte Zueinander von Frau und Mann den Weg sinnvoll für ein Weiter-Leben und Weiter-Denken öffnen. Die vorliegende Studie befaßt sich mit den Entwürfen von Humanistinnen wie Laura Cereta, Isotta Nogarola, Christine de Pisan, über die 'querelle des femmes' zu den frauenfeindlichen und -freundlichen Schriften des 16./ 17. Jahrhunderts. Von den französischen Gleichheitsthesen und den barocken Sehweisen des Schütz und der Schurmann und Erxleben zum 'galanten Kant', dem Anthropologen Hegel und dem Romantiker Eichendorff. Die Fragestellung des 20. Jahrhunderts wird mit Edith Stein verdeutlicht. Dabei wird die Frau nicht mehr (nur) als Gattungswesen oder als Trägerin der 'weiblichen Werte' oder unter dem Vorzeichen des abstrakten 'gleichen Rechts' gesehen, sondern als Mensch transparent." (Autorenreferat)

Ausgehend von der Einstufung von Märchen als einer Wissensform wird das Märchen von Hans im Glück in seiner ökonomischen Bedeutung interpretiert. Es wird verstanden als der leichtfüßig auftretende Zweifel, der die Ambiguität des Emanzipationsstrebens verdeutlichen will, die es selbst lauthals übertönt. Ziel ist es, auf diese Weise einen Dialog zwischen Romantik und Aufklärung zuwege zu bringen. Die Position der Aufklärung wird dabei exemplarisch in zwei Varianten diskutiert, der spätmerkantilistischen Ausformung der Quantitätstheorie des Geldes bei Hume und der liberalen Kritik dieser Theorie durch Adam Smith. Es wird gezeigt, daß die Humesche Argumentation keineswegs eine dogmenhistorische Rarität bildet, sondern das Paradigma eines bis heute herrschenden Denkens festlegt, in dem sich Alltags- wie Fachmeinung überschneiden. Als erster Schritt hierzu wird die Smithsche Gegenposition zu Hume interpretiert. (KW)

In dem religionshistorisch orientierten Beitrag geht es um den Zeitgeist, der sich in dem Streit um religiöse Fragen in Bezug auf Lessings Interesse am Pantheismus Spinozas zwischen dem jüdischen Aufklärungsphilosophen Mendelssohn und dem christlichen Denker Jacobi widerspiegelte. In der Interpretation wird festgestellt, daß die Kritik Jacobs an Mendelssohn zwar eigentlich philosophisch gemeint und begründet war, jedoch nur unter dem Vorzeichen der Auseinandersetzung des Christentums mit dem Judentum verstanden werden konnte. Die neuere Interpretation, Jacobi sei im Grunde von antisemitischen Gefühlen geleitet worden, wird zurückgewiesen. (RR)

Der Verfasser identifiziert die Ursache für die Unfähigkeit der Kritischen Theorie, eine Kritik der Institutionen zu entwickeln, im über den Marxismus in die Kritische Theorie eingebrachten Einfluß der bürgerlichen französischen Aufklärung. Er charakterisiert das "Aufklärungsdenken der Franzosen" als "Reproduktion erbaulicher Religiosität", die mit dem Glauben an einen Fortschritt in Richtung auf einen "sinnerfüllten, diesseitig aufgefaßten Endzustand allgemeiner Vernünftigkeit" an einem Denken in den Schemata "richtig-falsch" und "gut-böse" festhält. Das Prinzip der Freiheit wird "individualistisch-einseitig" interpretiert, "zu einer neuen Religion gemacht", das Aufklärungsdenken "mußte von Beginn an ein institutionelles Defizit" aufweisen. (WZ)

Der Verfasser setzt sich einleitend mit der "strukturellen Differenz von Toleranz und Religionsfreiheit" auseinander. Hier wird zwischen rechtlicher Duldung einerseits und "schlechthin geltendem normativem Prinzip" andererseits unterschieden. Im folgenden wird die Entwicklung des Gedankens der Religionsfreiheit als Ergebnis der "spezifischen gesellschaftlich-politischen Entwicklung des abendländischen Europa" nachgezeichnet. Hier bewirken das Denken der Aufklärung und die Konstitierung des "aus der neuzeitlichen Naturrechtstradition entstandenen modernen Staates" mit der Ausklammerung des Religiösen aus der Staatszielbestimmung den endgültigen Durchbruch des Gedankens der Religionsfreiheit. Von der katholischen Kirche wird eine grundrechtliche verstandene Religionsfreiheit erst im 20. Jahrhundert akzeptiert ("Wahrheit vor Freiheit"). Abschließend werden zwei aktuelle Aspekte der Religionsfreiheit diskutiert: die religiöse Neutralität des Staates und die bleibende Aktualität des Toleranzgedankens. (WZ)

Von der Renaissance bis ins 19. Jahrhundert war die Utopie, als Entwurf der besten Gesellschaft, ein wichtiger Bestandteil des politischen Denkens. Heute erscheint der Bedarf an utopischen Modellen gering, Sprachgebrauch wie gängige Utopie-Kritiken sind eher abwertend. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht ist die Frage nach der gesellschaftlichen Funktion der Utopie grundlegend. Der vorliegende Beitrag stellt diese Funktion der Kritik und des Entwurfs eines Gegenbildes zur bestehenden Gesellschaft in den Mittelpunkt. Ausgehend von der klassischen Staatsutopie der frühen Neuzeit werden Entstehung und Konstruktion, inhaltliche Strukturelemente und historische Entwicklung des utopischen Entwurfs aufgezeigt. (KA)