Die Beiträge in den Sammelband gehen mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen auf Fragen der Souveränität, der Konstitutionalisierung und des gesellschaftlichen Zusammenhalts innerhalb der EU ein. Während einige Beiträge in allen Bereichen Defizite konstatieren und zum Ergebnis kommen, dass die Menschen und Völker der Europäischen Union ganz allmählich in einem Sumpf versinken, in dem die fehlende Verfassung, die fehlende Souveränität und der fehlende gesellschaftliche Zusammenhalt zu einer immer stärkeren Lähmung führen, kommen andere zu einem deutlich positiveren Bild. Für sie ist der Abschied von der Vorstellung souveräner Nationalstaaten Anzeichen für die Entwicklung neuer Formen demokratischer Legitimation in den komplexen Mehr-Ebenen-Strukturen der EU. In der Zusammenschau ergibt sich ein umfassender Überblick über die zentralen Fragen der Europapolitik und des Europarechts
"Am 15. Februar 2009 stimmten knapp 55 Prozent der Venezolaner für eine Verfassungsreform, mit der dem amtierenden Präsidenten Hugo Chávez die unbegrenzte Wiederwahl ermöglicht wird. Nur drei Wochen zuvor war in Bolivien gleichfalls mittels eines Referendums eine neue Verfassung angenommen worden. Bereits am 28. September des Vorjahres hatten die Ecuadorianer in einer Volksabstimmung dem Entwurf für eine neue Verfassung zugestimmt. Verfassungsreformen sind in Lateinamerika zurzeit in Mode: Seit 1990 wurden insgesamt sieben neue Verfassungen und 239 einfache Verfassungsänderungen verabschiedet. Die jüngsten Reformen spiegeln allgemeine Trends wider, weisen aber auch einige spezifische Merkmale und Neuerungen auf. Dazu gehört, die Rechte der indigenen Bevölkerung zu stärken und den 'plurinationalen' Charakter der Staaten hervorzuheben. Die beiden neuen Verfassungen von Bolivien und Ecuador sind mit jeweils mehr als 400 Artikeln die bei weitem umfangreichsten Verfassungen in Lateinamerika. Sie enthalten eine Vielzahl von Versprechungen (wie das Anrecht auf ein 'gutes Leben') und legen wichtige Politikinhalte (vor allem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik) fest. Verfassungen werden in Lateinamerika relativ häufig reformiert, sei es durch die Verabschiedung neuer Verfassungen, sei es durch einfache Verfassungsreformen. Dieser Trend hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt. Die Verfassungstexte werden immer umfangreicher und führen zu einer Konstitutionalisierung von Politikfeldern. Viele der gegenwärtigen Verfassungsreformen weisen eine starke machtpolitische Komponente auf. Sie wurden von den amtierenden Präsidenten initiiert und festigen deren Position. Teilen der Verfassungsreformen kommt hingegen symbolischer Charakter zu, indem sie den Bürgern weitreichende Versprechungen machen ('Verfassungspopulismus'), deren Umsetzbarkeit jedoch zweifelhaft erscheint. Die Wahrscheinlichkeit immer neuer Verfassungsreformen ist mit den letzten Referenden gerade in den drei genannten Ländern eher größer als kleiner geworden." (Autorenreferat)
Many of Carl Schmitt's major works have by now been translated, with two notable exceptions: Schmitt's two early monographs Statute and Judgment (first published in 1912) and The Value of the State and the Significance of the Individual (first published in 1914). In these two works Schmitt presents a theory of adjudication as well as an account of the state's role in the realization of the rule of law, which together form the theoretical basis on which Schmitt later developed his political and constitutional theory. This new book makes these two key texts available in English translation for the first time, together with an introduction that relates the texts to their historical context, to Schmitt's other works, and to contemporary discussions in legal and constitutional theory.
Der Essay legt dar, wieso der Rechtsstaat auch in Zeiten einer verstärkten terroristischen Gefahr nicht aufgeweicht werden darf, sondern weiterhin strikt an Menschenwürde und Menschenrechte gebunden sein muss. Er setzt sich u. A. mit Vorschlägen auseinander, ein Feindrecht zu etablieren, demzufolge Menschen ihre Menschenrechte vorenthalten werden könnten.
First preliminary reference of the German Federal Constitutional Court – ECB Outright Monetary Transaction Programme (OMT) – Financial crisis – Ultra vires review – Principle of democracy – Judicial dialogue – Separation of powers – National constitutional identity – Mandate of the ECB – Article 123 TFEU – Article 18.1 ESCB-Statute – Economic and monetary policy – Honeywell test partially abandoned – Pringle judgment inverted – No margin of discretion for the ECB – Necessity, and prohibition of functional misuse, under Article 267 TFEU – Comparative reasoning
Verfassungsrechtlich werden Bildung und Chancengleichheit in Deutschland von der Schulpflicht her gedacht, die wiederum als Ausdruck des staatlichen Bildungs-, Erziehungs- und Integrationsauftrags verstanden und bislang weitgehend mit einer Schulbesuchspflicht gleichgesetzt wird. Die in der Pandemie gesammelten Erfahrungen erschüttern diese Sichtweise und fordern zu einer Neubewertung der verfassungsrechtlichen Grundlage staatlichen Schulehaltens heraus. Sie ergibt, dass sich Schule rechtlich nicht mehr sinnvoll von der Schulpflicht, sondern vom Recht auf Bildung und einer (bedingten) Pflicht zu Bildung her denken lässt. (DIPF/Orig.) ; In Germany, the concept of compulsory school attendance usually serves as the starting point for constitutional law reasoning about education and equal opportunities. School attendance duty is normally thought of as a corollary of the educational mission of the nation state. The experiences gathered during the Corona pandemic (such as distance learning) have shaken this conventional wisdom and should lead to an unbiased interpretation of the constitutional bases of state schooling. The article argues that, rather than compulsory schooling, the right to education and a (limited) duty to educate oneself is at the heart of the constitutional law framework for schooling. (DIPF/Orig.)
Welche Bedeutung haben die Rechts- und Geschichtswissenschaft füreinander? Diese Frage stellte sich Ernst-Wolfgang Böckenförde, der Staatsrechtler und Historiker, in seinem juristischen, verfassungshistorischen und rechtsphilosophischen Werk. Böckenförde zielte darauf, zwei Disziplinen, die in der institutionellen Auffächerung seit dem 19. Jahrhundert auseinandergestrebt waren, in einem gemeinsamen Interesse an der Erklärung von Zusammenhängen in der "Geschichte politisch-sozialer Entwicklungen" zusammenzuführen. Er fügte dabei methodische Perspektiven und theoretische Ansätze zusammen, die viele Historiker trennten: die politische Geschichte und die Sozialgeschichte, die Geschichte des Rechts und die der Gesellschaft. Für ihn waren dies durch ein übergreifendes Erkenntnisinteresse an "Strukturen" und "Ordnungsproblemen" miteinander zu verbindende Gegenstandsbereiche. In Anlehnung an Otto Brunner stellte Böckenförde Juristen und Historikern die gemeinsame Aufgabe, die "politisch-soziale Bauform einer Zeit" zu begreifen. Diesen Anspruch löste er durch einen seiner Zeit vorausweisenden hermeneutisch-wissenschaftsgeschichtlichen Zugang zum Staatsrecht wie zur Verfassungsgeschichte ein sowie in grundlegenden Beiträgen zu den "Geschichtlichen Grundbegriffen" und zur Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie. Ein wissenschaftliches Vermächtnis des im Februar 2019 verstorbenen Gelehrten liegt in der tiefen Einsicht in die Geschichtlichkeit und damit Zeitgebundenheit aller staatlich-rechtlichen Ordnung: Deshalb müssen Juristen die vermeintliche Überzeitlichkeit ihrer normativen Arbeitsgrundlagen in Frage stellen und Historiker das Recht als zentralen Gegenstand ihrer Wissenschaft begreifen. Ansonsten verstehen sie weder ihre Geschichte noch ihre Gegenwart. ; What do jurisprudence and historiography mean for one another? This was the question Ernst-Wolfgang Böckenförde, expert in public and constitutional law and historian, addressed in his writings on jurisprudence, constitutional history, and legal philosophy. Böckenförde endeavoured to bring together two disciplines – estranged since the nineteenth century by institutional diversification – in the common aim of explaining the big picture in the "history of politico-social developments". He coupled methodological perspectives with theoretical approaches that set many historians at variance: political history and social history, the history of law and that of society. For him, these areas of study shared an overarching cognitive interest in "structures" and "problems of order". Following Otto Brunner, Böckenförde set jurists and historians the common task of exploring the "politico-social design of an epoch". In tackling this challenge, he adopted a hermeneutic, intellectual-history approach to public law and constitutional history, making an innovational contribution to "basic historical concepts" and to the history of the philosophy of law and the state. The scholarly heritage of Böckenförde, who died in February 2019, lies in the profound insight he provided into the historicity and thus temporality, time-boundedness of all state legal order – obliging jurists to question any assumption that the normative basis for their work is timeless, and requiring historians to realize that law is a focal concern of their discipline. They will otherwise fail to comprehend both the past and the present of their field of study.