Bei den im Herbst 1989 von der Bevölkerung der DDR herbeigeführten politischen Umbrüchen, der "Wende" und dem Prozess der "deutschen Einheit", nahm das (westdeutsche) Fernsehen eine entscheidende Rolle ein. Es prägte die Wahrnehmung der Ereignisse und definierte deren Realität. Mit der (Re)Produktion der Entwicklungen wurden bis heute wirkmächtige Deutungen und Bilder produziert. Die vorliegende Arbeit analysiert die zentralen Mechanismen des Fernsehens bzgl. der (Re)Produktion und Historisierung politischer Ereignisse am Beispiel der deutschen "Wiedervereinigung". Anhand einer großen Materialfülle - von der televisuellen Aktualitätsproduktion 1989 über die vielfältigen Fassungen folgender Jahre bis zu den zentralen Stationen televisueller Historisierung von "Wende" und "Wiedervereinigung" in den Jahren 1999, 2000 und 2003 - werden die Mechanismen des Fernsehen und deren Effekte diskurs- und bildanalytisch rekonstruiert.
Serge Robillard: Television in Europe: Regulatory Bodies. Status, Functions and Powers in 35 European Countries; Miquel de Moragas Spà, Carmelo Garitaonandia (Hg.): Decentrilization in the Global Era. Television in the Regions. Nationalities and Small Countries of the European Union
Fernsehen lässt sich als eine gesellschaftliche Agentur beschreiben, die damit beschäftigt ist, soziale Differenz zu problematisieren und in eigensinniger Weise evident zu machen. Doch Fernsehen ›vermittelt‹ nicht nur soziale Differenzen in Bild, Ton und genrespezifischen Ausformulierungen. Es lässt soziale Unterscheidungen zugleich entstehen, bewirkt und 'bearbeitet' sie und macht sie gesamtgesellschaftlich adressierbar. Umgekehrt geht es dort, wo Fernsehen problematisiert wird, das zeigen die Beiträge in diesem Buch, immer auch um weitreichende sozioökonomische und politische Kämpfe, die auf gesellschaftliche Teilhabe zielen und in Form von Klassendifferenzen wirksam werden ; Andrea Seier / Thomas Waitz: Fernsehen als Agentur des Sozialen. Zur Einleitung I. Zusammenhänge Thomas Waitz: »Unterschichtenfernsehen« – Eine Regierungstechnologie Andrea Seier: Subjektivitäten, Körper, Technologien: Der soziale Flow des Fernsehens Barbara Eder: »Eine Klasse für sich?«. Zur Frage von Klassenbewusstsein und medialer Vermittlung II. Historische Perspektiven Joan Kristin Bleicher: Zwischen Propagandainstrument und Akteur des sozialen Wandels. Zur historischen Entwicklung von Konzepten und Angebotsformen der Repräsentation des Sozialen im Fernsehen Monika Bernold: »Aber das heißt nicht, dass sie eine Frauenrechtlerin sind!«. Gegenderte Wissens-Ökonomien im Fernsehen der 1970er Jahre III. Die Agentur des Sozialen Vrääth Öhner: Die Dystopie Fernsehen Markus Stauff: Zuschauern zuschauen. Fernsehen als social medium Matthias Thiele: Die Couch der Gesellschaft IV. Nutzungs- und Adressierungsweisen Herbert Schwaab: Ästhetische Konzepte des Gewöhnlichen und das Nebenschichten-Fernsehen Andrea B. Braidt / Nicole Kandioler: Echte Lesben?! Class Closet und retroaktives Outing in The (Real) L-Word V. Problematisierungen und Repräsentationen Rolf F. Nohr: SuSi-Fernsehen. Beratung, Empowerment und Denormalisierungsangst Ralf Adelmann: Televisuelle Zirkulation sozialer Unsicherheit. Sedimente von White Trash in US-amerikanischen Serien
Stefan Wallisch: Aufstieg und Fall der Telekratie. Silvio Berlusconi, Romano Prodi und die Politik im Fernsehzeitalter; Andrea Wolf: Telekratie oder Tele Morgana? Politik und Fernsehen in Italien
Fernsehen lässt sich als eine gesellschaftliche Agentur beschreiben, die damit beschäftigt ist, soziale Differenz zu problematisieren und in spezifischer Weise evident zu machen. Doch Fernsehen ›vermittelt‹ nicht nur soziale Differenzen innerhalb von Repräsentationspolitiken und genrespezifischen Ausformulierungen. Es lässt soziale Unterscheidungen zugleich entstehen, bewirkt und ›bearbeitet‹ sie und lässt sie gesamtgesellschaftlich evident erscheinen. Dort, wo Fernsehen problematisiert wird, geht es, so zeigen die Beiträge in diesem Buch, immer auch um weitreichende sozioökonomische und politische Kämpfe, die auf gesellschaftliche Teilhabe zielen und in Form von Klassendifferenzen wirksam werden.
Serge Robillard: Television in Europe: Regulatory Bodies. Status, Functions and Powers in 35 European CountriesMiquel de Moragas Spà, Carmelo Garitaonandia (Hg.): Decentrilization in the Global Era. Television in the Regions. Nationalities and Small Countries of the European Union
Vor zehn Jahren hatte der in seiner letzten Phase sichtbar gewendete Deutsche Fernsehfunk die gerade erst erlangte Selbständigkeit schon bald wieder verloren: Ende 1991 wurde er als DFFFernsehkette endgültig eingestellt. Was ist geblieben? Eine unglückliche, aber politisch gewollte Neuaufteilung der ostdeutschen Rundfunklandschaft auf der einen und das gesamte Programmvermögen auf der anderen Seite, das - vor den Begehrlichkeiten privater Unternehmen gerettet - in öffentlich-rechtliche Obhut gelangt ist. Eine spannungsreiche Entwicklung, die sich als Wissenschaftsthema geradezu aufdrängt: Welche Geschichte(n) können uns diese gesammelten Kommunikate heute erzählen?
Radke, Rudolf (Hg.): Der Krieg begann am Feiertag; Heller, Peter/Petermann, Werner/Thoms, Ralph (Hg.): Die Entwickler: Der Blick der Medien auf die Dritte Welt
Stefan Wallisch: Aufstieg und Fall der Telekratie. Silvio Berlusconi, Romano Prodi und die Politik im Fernsehzeitalter Andrea Wolf: Telekratie oder Tele Morgana? Politik und Fernsehen in Italien
Die Randexistenz, die die "Dritte Welt" insgesamt im Fernsehen der Bundesrepublik seit Jahren spielt, war und ist Anlaß zu Klagen auf Seiten derer, die sich um Völkerverständigung, interkulturelle Kommunikation und entwicklungsbezogene Bildung bemühen. Die zunehmend eurozentrierte Weltsicht, in letzter Zeit noch verstärkt durch die Fernsehberichterstattung über die - besonders Einheit "Südostasien": Vietnam weckt die Erinnerungen an den (wie lange eigentlich?) zurückliegenden Krieg, Kambodscha steht stellvertretend für den "Völkermord der Roten Khmer", Thailand für Prostitutionstourismus, die Philippinen für Frau Aquino, Malaysia für Drogenprobleme, Indonesien für Bali usw. "Weiße Flecken" im Bewußtsein sind Birma, Laos und Ost-Timor. (.)
Radke, Rudolf (Hg.): Der Krieg begann am FeiertagHeller, Peter/Petermann, Werner/Thoms, Ralph (Hg.): Die Entwickler: Der Blick der Medien auf die Dritte Welt
Die gezeigte Szene war Teil der täglichen Sendung »Medizin nach Noten«, einem Fernsehformat, das die DDR jahrzehntelang begleitete – und bis über ihr Ende hinausreichte. Die Erstausstrahlung erfolgte zu Beginn der 1960er-Jahre, die letzte Ausstrahlung 1994. Bemerkenswert ist diese Sendung nicht nur wegen der sehr langen Laufzeit, sondern auch, weil sie besondere Einblicke in die Geschichte des Sports und gleichzeitig in diejenige des Fernsehens der DDR liefert. Der folgende Beitrag versucht zu zeigen, in welcher Weise durch die Verbindung dieser beiden Geschichten neue Perspektiven für das Konvergenz- oder auch Spannungsfeld von Gesundheit, Politik und Ökonomie hervortreten.
Die Arbeit setzt sich das anspruchsvolle Ziel, Sender- von Sendungs- und Genresmärkten im Fernsehen zu unterscheiden. Die bislang kaum systematisch untersuchte Frage lautet daher, gibt es überhaupt Sendungsmärkte und wie lassen sich diese von Sendermärkten unterscheiden? Bereits 1996 kommt eine Untersuchung für den weitaus differenzierteren US-amerikanischen Fernsehmarkt zu dem Ergebnis, daß Sendungs- und nicht Sendertreue die Einschaltquoten determiniert. Im juristisch und medienpolitisch geprägten Diskurs wird jedoch vor allem von Sendermärkten ausgegangen. Das erste Kapitel dient daher einer zunächst idealtypischen Abgrenzung von Sender-, Sendungs- bzw. Genresmärkten. Der folgende theoretische Teil prüft im zweiten Kapitel sozialwissenschaftliche Theorien im Hinblick auf Bedingungen für die Zuschauernachfrage auf Sendungs- bzw. Sendermärkten. Die wirtschaftswissenschaftlichen Analysen in Kapitel drei dienen der Gewinnung von Bedingungen, die auf der Anbieterseite die Art des Zuschauermarkts beeinflussen. Zwei mögliche Steuerinstrumente stellen Programmankündigungen und Programmplanungen dar. Erstere sind ein Instrument, das dem Markterfolg durch Reduktion von Informationsasymmetrien dient und auf Erkenntnissen der neuen Institutionenökonomik beruht. Elektronische Medien wie das Fernsehen produzieren immaterielle Informationsgüter und diese stellen in ökonomischen Termen Erfahrungs- bzw. Vertrauensgüter dar, deren Qualität vom Nachfrager erst nach Erwerb und Konsum bzw. überhaupt nicht beurteilt werden kann. Die betriebswirtschaftliche Forschung zur Kundenbindung wird auf mediale Programmplanungen übertragen. Die "verbundenheitsgetriebene" Kundenbindung ist eine Sonderform und setzt wie beim medialen Konsum freiwillige Nutzung voraus. Sie entsteht nach ersten positiven Erfahrungen mit Qualitätsprodukten (Kundenzufriedenheit) und führt über Kundenloyalität zu Kundenbindung. Darauf abgestellte programmplanende Maßnahmen müssen die rechtlichen Besonderheiten auf dem dualen deutschen Fernsehmarkt berücksichtigen.
In: Weber, Tanja, Ulrich, Anne, Trinkaus, Stephan, Schwaab, Herbert and Maeder, Dominik, eds. (2020). Trump und das Fernsehen. Medien, Realität, Affekt, Politik. Köln: Herbert von Salem Verlag. ISBN 9783869625065
Die Wahl und die Präsidentschaft Donald Trumps weisen auf eine tief greifende Zäsur im Verhältnis von Medien und Politik hin. So scheint sich die Prognose Neil Postmans bestätigt zu haben, der schon vor 30 Jahren das Fernsehen als Bedrohung der Demokratie ausmachte. Trumps Erfolg basiert aber nicht alleine auf dem Fernsehen, sondern auf einem komplexen Netzwerk von alten und neuen Medien, das Informationen, Bilder und Affekte auf eine intensive und kaum zu kontrollierende Weise zirkulieren lässt. Trump ist eine Heimsuchung, die kaum zu antizipieren war und immer noch nicht zu begreifen und zu akzeptieren ist. Trumps Präsidentschaft steht für eine Inkommensurabilität zwischen den 'medialen' Wahrnehmungsmustern, die ihn als Präsidenten nicht fassen können, und einer Wirklichkeit, in der ein Präsident Trump doch jeden Tag beweist, dass er möglich ist. Um Trump, die Medien und den Populismus zu verstehen, ist es wichtig, das Fernsehen als Teil einer transmedialen Medienökologie zu begreifen, in der nicht nur 'content', sondern auch Affekte über unterschiedlichste Medien hinweg fließen und immer neue, verwirrende Allianzen schaffen. Trump verstehen zu wollen, bedeutet auch, das Ensemble der traditionellen und sozialen Medien zu verstehen, deren Ineinandergreifen Trumps Allgegenwart erzeugt. Dazu gehören nicht nur Reality TV und The Apprentice, Fox und andere TV-Sender, sondern auch Drama- und Comedyserien, Twitterkommentare, Late-Night-Show-Beiträge als Mikronarrative auf YouTube und Twitter, die Medialität von Gerüchten, Verschwörungen, die Übertragungswege, die aus einer Politik der Meme resultieren, Vorbilder wie die Medienpolitik Berlusconis oder eine Symbolpolitik, die auf die quantitative Größe der Quote rekurriert. Der Band erkundet die Komplexität des Phänomens 'Trump', fragt nach dem Status der Medien- und Populärkultur, hinterfragt die Verfahren der Medienanalyse und schlägt neue Ansätze vor, die Medienwelt nach und mit Trump zu verstehen.
Vor der "Grünen Revolution" in Indonesien betrachteten die Bauern die Reisfelder und Pflüge, die Wasserbüffel und nicht zuletzt den Reis als einen Teil ihrer selbst. Alle diese Dinge bildeten ein Stück ihres Lebens, und ob die Ernte gut ausfiel oder nicht, lag in ihren eigenen Händen und denen der Reisgöttin Dewi Sri. Mit der Einführung der neuen Hochertragsreissorten, der Kunstdünger und Pestizide, die von "oben" verordnet worden waren, verloren sie das Wissen darüber, wie auftauchende Probleme im Kampf um eine gute Reisernte bewältigt werden können. In der folgenden Geschichte geht es nicht darum, das traditionelle Leben im Dorf zu glorifizieren. Es ist Tatsache, daß die "Grüne Revolution" ihren Beitrag dazu geleistet hat, indonesische Reisspeicher zu füllen. Aber mit all ihren ökonomischen und ökologischen Auswirkungen muß sie als ein Instrument betrachtet werden, mit dem die Regierung die kleinen Bauern ihrer ökonomischen, kulturellen und geistigen Freiheit beraubt hat und sie problemlos kontrollieren kann - ein zweifelhafter Fortschritt