Philosophische Konzeptionen zum Thema Krieg und Frieden sowie Perspektiven einer Friedensethik nach dem Ende der Blockkonfrontation werden vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen Texte und Traditionen, die in ihrer Wirkungsgeschichte für den west- und mitteleuropäischen Raum besondere Relevanz entfaltet haben. Die Probleme der Friedensethik werden am Paradigma des Friedens und der Konflikte zwischen Staaten dargestellt und analysiert. Friedensethik hat die Aufgabe, das Zusammenleben der Menschen hinsichtlich der Austragung von Konflikten und der Anwendung von Gewalt zu reflektieren und insbesondere die Grenzen von Gewaltanwendung zu thematisieren. (GB)
Drei Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Regierungserklärung von einer »Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents« gesprochen. Es gehe um die Frage, »ob Macht das Recht brechen« dürfe. Sofern das Verhältnis von Macht und Recht zu den zentralen Problemstellungen der Friedensethik gehört, markiert das Stichwort »Zeitenwende« auch für diesen Bereich der angewandten Ethik eine Zäsur: In Kriegszeiten steht die Friedensethik – namentlich die christliche – unter Realismus-Druck. Der theologische und kirchliche Mainstream des deutschen Protestantismus hat in den letzten Jahrzehnten vorrangig auf Kriegsprävention gesetzt und die Frage ausgeblendet, wie gehandelt werden kann, wenn Prävention scheitert. Die drei Autoren dieses Bandes wollen auf den verstärkten Realismus-Druck reagieren, indem sie die friedensethischen Entwürfe Martin Luthers und Immanuel Kants vorstellen sowie maßgebliche friedensethische Positionen des deutschen Protestantismus einer kritischen Revision unterziehen. [Peace Ethics in Times of War] Three days after Russia's invasion of Ukraine, German Chancellor Olaf Scholz spoke in a government statement of a "turning point in the history of our continent". The question is whether it is acceptable that "power breaks the law". Insofar as the relationship between power and law is one of the central problems of peace ethics, the keyword "turning point" also marks a caesura for this area of applied ethics: In times of war, peace ethics – namely, Christian peace ethics – is under the pressure of realism. In recent decades, the theological and ecclesiastical mainstream of German Protestantism has focused primarily on war prevention, disregarding the question of what one can do when prevention fails. The three authors of this volume want to respond to the increased pressure of realism by presenting the peace-ethical drafts of Martin Luther and Immanuel Kant and by subjecting leading peace-ethical positions of German Protestantism to a critical revision. Volker Gerhardt, Dr. phil., Jahrgang 1944, studierte Philosophie, Soziologie, Psychologie und Rechtswissenschaft in Frankfurt und Münster. Seit 1985 lehrte er zunächst in Münster, Zürich, Köln und Halle, bevor er 1992 eine Professur für Praktische Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin übernahm; dort hat er bis heute eine Seniorprofessur inne. 2017 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig verliehen. Rochus Leonhardt, Dr. theol., Jahrgang 1965, studierte Evangelische Theologie in Naumburg/Saale und Leipzig. Er lehrte zunächst in Rostock und Hamburg, bevor er 2011 eine Professur für Systematische Theologie unter besonderer Berücksichtigung der Ethik an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig übernahm. Johannes Wischmeyer, Dr. theol., Jahrgang 1977, studierte Geschichte, Kirchengeschichte und Evangelische Theologie in Leipzig, Oxford, Heidelberg, Tübingen und München. Er war von 2008 bis 2015 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Europäische Geschichte in Mainz tätig. 2016 wurde er zum Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in Württemberg ordiniert. Seit 2020 ist er im Kirchenamt der EKD in Hannover tätig, seit Dezember 2021 als Leiter der Abteilung »Kirchliche Handlungsfelder«.
Verfügbarkeit an Ihrem Standort wird überprüft
Dieses Buch ist auch in Ihrer Bibliothek verfügbar:
Diese Überlegungen sollen zeigen, daß klassische Themen der Friedenspolitik unter den Bedingungen unserer Gegenwart nicht nur eine spezifische Zuspitzung erfahren, sondern zugleich in ihrer unabweisbaren Dringlichkeit ans Licht treten. Die europäische Tradition der Friedensethik ist maßgeblich durch die Impulse der griechischen Philosophie, der jüdisch-christlichen Überlieferung und des römischen Rechts geprägt. Drei Themenkreise werden angesprochen, die in dieser Tradition immer wieder variiert werden: Frieden und Gewalt, Frieden und Gerechtigkeit sowie Friedensutopie und Rechtsordnung. Es wird die These vertreten, daß Friedenskonzeptionen und Friedensforschungsansätze auch heute an diesen drei Fragen auf ihre Tragfähigkeit geprüft werden können. (GF)
Immanuel Kants berühmte Frage "Was soll ich tun?" ist friedenspolitisch hoch aktuell, besonders im Verhalten gegenüber brutalen Autokraten, nichtstaatlichen Gewaltakteuren und systematischer Gewaltanwendung. Zivile Konfliktbearbeitung durch externe Akteure ist eine weiche Form der Intervention, sie steht gleichwohl vor herausfordernden Fragen. Die Befassung mit Friedensethik sucht nach Maßstäben, um Präferenzen bilden, Güter abwägen, Wahlentscheidungen treffen und Rechtfertigungen für das eigene Handeln finden und kommunizieren zu können. Vor dem Hintergrund des Felds der zivilen Konfliktbearbeitung setzt sich der Beitrag mit den möglichen Grundlagen einer ethischen Begründung auseinander und stellt dabei verschiedene Argumentationsmuster vor: die des Naturrechts, der Gewaltfreiheit, der christlichen Friedensethik, der Diskursethik und die des Utilitarismus' und geht dabei auf die jeweiligen tatsächlichen oder möglichen Bezüge zur zivilen Konfliktbearbeitung ein. Abschließend erfolgt das Plädoyer des Autors für einen Frieden durch Menschenrechte. (ICA2)
Die theologische Friedensethik Johannes Calvins (1509-1564) ist bislang wenig bekannt - zu Unrecht, wie Hofheinz zeigt. Er rekonstruiert die Friedensethik des Genfer Reformators erstmals ausführlich und analysiert dafür die Kommentare, Predigten, Briefe und Gelegenheitsschriften Calvins. Die besondere Aufmerksamkeit gilt seiner Auslegung des Tötungsverbots des Dekalogs und der Auseinandersetzung mit dem täuferischen Pazifismus. Dabei tritt u. a. Calvins Rezeption der Lehre vom gerechten Krieg in den Blick, wie er sie im Rahmen einer Zweireiche-Lehre entfaltet. Der Frieden auf Erden hängt für Calvin mit dem Frieden Gottes zusammen. Calvin versteht den Frieden Gottes als ein "Ethos", d. h. einen Raum, in dem es zu leben gilt. Der in diesem Raum beheimatete Mensch kann nach Calvin in Kirche und Gesellschaft friedensstiftend tätig sein. Aus diesem "Ethos" heraus versucht der Genfer Reformator, friedensethische Urteilsbildung im Horizont des Reiches Gottes zu vollziehen. Insbesondere in seinen Predigten und Briefen an verfolgte Glaubensgeschwister mahnt Calvin, den Frieden Gottes auch in den konfliktträchtigen Kommunikationsprozessen auf Erden gelten zu lassen.
Als Gedenkjahr geplant, sollte 2014 an vergangene Kriege erinnern. Stattdessen halten zahllose Spannungen und Gewaltausbrüche die Welt in Atem. Entstaatlichung, Entrechtlichung und Technisierung des Krieges stellen nicht nur Politiker, Juristen und Militärs, sondern auch die wissenschaftliche Ethik vor neue Herausforderungen. Gerade für die christliche Sozialethik, zu deren Anliegen seit jeher die Verhinderung bzw. Überwindung von Konflikt, Krieg und Gewalthandeln gehört, wird der Friede immer mehr zu einem Schlüsselthema, das ein interdisziplinäres Herangehen unverzichtbar macht.Der vorliegende Band gewährt Einblicke in die "Werkstätten" christlicher Friedensethiker und ihrer Gesprächspartner und plädiert damit zugleich für eine Aufwertung friedensethischer Themen im sozialethischen Diskurs.Mit Beiträgen von:Gerhard Beestermöller, Veronika Bock, Mariano Delgado, Johannes J. Frühbauer, Hildegard Hagemann, Andreas Hasenclever, Wolfgang S. Heinz, Ulrike Jureit, Heinz-Gerhard Justenhoven, Bernhard Koch, Arnd Küppers, Andreas Lienkamp, Eberhard Schockenhoff, Anja Seiffert, Cornelius Sturm und Markus Vogt
Zugriffsoptionen:
Die folgenden Links führen aus den jeweiligen lokalen Bibliotheken zum Volltext: