Kurz nach ihrem Wahlsieg im Herbst 1998 verständigten sich die neuen Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Rahmen der Koalitionsverhandlungen darauf, die Friedens- und Konfliktforschung verstärkt zu fördern. Die Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998 formulierte im Kapitel Außenpolitik die Absicht der designierten Bundesregierung, sich "für den Aufbau einer Infrastruktur zur Krisenprävention und zivilen Konfliktbearbeitung" einzusetzen, wozu unter anderem die "finanzielle Förderung der Friedens- und Konfliktforschung" gehören sollte.
In der Gegenwart werden geradezu eruptiv und medial befeuert »alte« Gewaltphänomene zu Tage gefördert: Die Kampagne »#MeToo« lässt ein soziales Gewaltproblem sichtbar werden, welches lange Jahre ahnungsvoll präsent war, ohne im Detail öffentlich-politisch oder auch durch die Friedensforschung angemessen adressiert worden zu sein. Gleichzeitig drohen die Machthaber von Atomwaffenstaaten unverblümt mit dem Einsatz von Nuklearwaffen, während weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit autonome Waffensysteme entwickelt werden, die gar nicht mehr auf eine/n Gewalttäter*in angewiesen sind, sondern allein aufgrund von dafür entwickelten Algorithmen Gewalt anwenden und Menschen töten. Bei einem derart entgrenzten Gewaltverständnis hat die Friedensforschung alle Hände voll zu tun, die unterschiedlichen Gewaltphänomene der Gegenwart im Blick zu behalten, über deren Entstehungsbedingungen aufzuklären und Ansätze zu ihrer Eingrenzung oder Überwindung zu entwickeln. Doch verdeutlichen die genannten Beispiele, dass auch die Friedensforschung nicht ohne weiteres aus den »Denkcontainern« der jeweiligen Gegenwart aussteigen kann und deshalb nicht vor epistemischer Gewaltblindheit, der wissenschaftlichen Unaufmerksamkeit für gesellschaftlich bedeutsame Gewalterfahrungen, gefeit ist. Wie bearbeitet die Friedensforschung das Spannungsverhältnis zwischen entgrenzter Gewaltanalyse einerseits und epistemischer Gewaltblindheit andererseits? Welche Rolle spielt dabei ihre Abhängigkeit von staatlicher finanzieller Förderung? Welche Gewaltverhältnisse werden aus welchen Motiven untersucht – und welche nicht? Ein Blick in die Geschichte der bundesdeutschen Friedensforschung kann hier erhellend wirken.
This volume documents the speeches given on July 7, 2006 in Hamburg on the occasion of the ceremonial opening of the Carl Friedrich von Weizsäcker Center for Science and Peace Research (Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung, ZNF). The keynote speakers were Alyson J. K. Bailes, Head of the Stockholm Peace Research Institute (SIPRI), former Minister of State, Prof. Egon Bahr, former Head of the Hamburg Peace Research Institute (scientific peace research has gained a unique institutional foothold in Germany. Together with the Institut für Friedensforschung und Sicherheitpolitik, IFSH), Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker, a son of the namesake of the ZNF, and Prof. Wolfgang Panofsky from Stanford, USA.With the founding of the Centre at the University of Hamburg, headed by Prof. Dr. Martin Kalinowski, scientific peace research has gained a unique institutional foothold in Germany. Together with the IFSH in Hamburg an inter- and multidisciplinary research network is being established which will open up new opportunities to explore the interaction of natural sciences, conflicts and international security against the background of the guiding principles of peace and sustainability and to integrate them into the training of natural scientists.
IANUS steht seit 30 wechselhaften Jahren für natur- und ingenieurwissenschaftliche Friedensforschung im Austausch mit den Sozial- und Geisteswissenschaften. Seit Januar 2018 ist IANUS ein Teil des Forums interdisziplinäre Forschung. Das FiF stellt das Dach, unter dem einige Aspekte der bisherigen IANUS-Arbeit weitergeführt werden sollen. Insofern das FiF nicht selbst wissenschaftlich arbeitet oder ein inhaltliches Programm verfolgt, besteht das gemeinsame Dach in der administrativen Zusammenarbeit und dem Gedanken der Interdisziplinarität. Insofern IANUS von weitreichenderen Ambitionen geprägt ist, kann es unter dem gemeinsamen Dach derzeit nur auf sehr kleiner Flamme weiterarbeiten. Freilich ergeben sich andererseits auch neue Perspektiven. Und wenn sich diese Perspektiven fruchtbar entwickeln lassen, würde ein erneuertes IANUS wesentlich zur internationalen Sichtbarkeit des FiF als Ausweis einer verantwortungsbewussten Forschungskultur an der TU Darmstadt beitragen. Was war IANUS und wofür steht es? Was ist IANUS heute – was kann und will es? Was könnte ein erneuertes IANUS werden – wie kann sein friedenspolitisch ausgerichteter wissenschaftlicher Anspruch zukünftig für das FiF und die TU Darmstadt wirksam werden? Diesen drei Fragen wenden sich die folgenden Abschnitte zu – und feiern somit, was nach 10 Jahren FiF, 30 Jahren IANUS und 140 Jahren TH/TU Darmstadt im Wandel der Forschungskulturen möglich war, ist und wird.
Christian Reuter ist Universitätsprofessor für Wissenschaft und Technik für Frieden und Sicherheit (PEASEC) am Fachbereich Informatik mit Zweitmitgliedschaft im Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften der Technischen Universität Darmstadt. Er beschäftigt sich insbesondere mit interaktiven und kollaborativen Technologien im Kontext der Sicherheits-, Krisen- und Friedensforschung und hat mehr als 160 wissenschaftliche Veröffentlichungen im Bereich Informatik, Wirtschaftsinformatik, Mensch- Computer-Interaktion (HCI), Computerunterstützte Gruppenarbeit (CSCW), Krisen-, Sicherheits- und Friedensforschung und Soziale Medien publiziert.
Gastkommentar von Dr. Götz Neuneck, Leiter des Arbeitsbereichs "Interdisziplinäre Forschungsgruppe für Abrüstung und Rüstungskontrolle" (IFAR), Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Universität Hamburg.
In der Friedensforschung wird oftmals auf Immanuel Kants Annahme Bezug genommen, dass zwischen der inneren Verfasstheit von Staaten und ihrem Aggressionspotenzial ein direkter Zusammenhang bestünde. Republikanisch verfasste Staaten sollten demnach weniger zu außenpolitischen Konflikten neigen, als andere. Diesem Theorem auf den Grund zu gehen, hatte die Jahrestagung 2009 des 'Arbeitskreises Historische Friedensforschung' an der Europäischen Akademie Berlin zum Ziel. Daraus entstanden ist ein Sammelband mit 14 Beiträgen, der das Deutungsmuster 'Demokratie=Frieden' aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven kritisch beleuchtet, seine Genese nachzeichnet und die Theorie der Praxis gegenüberstellt. Der Band gibt einen guten Überblick über grundlegende Konzepte der Friedensforschung, vermag jedoch nicht abschließend zu beantworten, ob besagter Ansatz Gültigkeit beanspruchen kann. ; Peace research often refers to Immanuel Kant, who saw a causal connection between the internal and political constitution of states and their foreign policy. Therefore, republican states are supposed to have less interest in foreign-policy conflicts than others. To fathom this theorem, a meeting was held at the European Academy in Berlin in 2009 by the 'working group on historical peace research'. The result of this conference was a volume which critically examines the interpretation 'democracy=peace' from different disciplinal perspectives, describes its genesis, and compares theory and practice. The book gives a general idea of basic concepts of peace research; nevertheless, it is ultimately unable to answer the question whether the aforesaid theory can claim validity.
Die besorgniserregende Aufkündigung des INF-Vertrags, der wiederholte Einsatz von Chemiewaffen in Syrien, kontroverse Diskussionen über die Einführung autonomer Waffensysteme oder zunehmende Cyber-Bedrohungen prägen das aktuelle politische Weltgeschehen. Besonders in einer Zeit, in der nukleare, biologische und chemische Abrüstung- und Rüstungskontrollmaßnahmen vor großen Herausforderungen stehen und gleichzeitig neue Technologien veränderte Anforderungen an diese Kontrollmechanismen mit sich bringen, gewinnt die naturwissenschaftlich-technische Friedensforschung enorm an Bedeutung. Sie beschäftigt sich auf der Grundlage von Erkenntnissen aus verschiedenen Naturwissenschaften und technischen Fachrichtungen (z. B. Physik, Chemie, Biologie, Informatik) mit der Rolle naturwissenschaftlicher und technischer Möglichkeiten im Kontext von Krieg und Frieden sowie Rüstung und Abrüstung. Sie unterstützt die politischen Prozesse der Kriegsprävention, der Abrüstung und der Vertrauensbildung mit Analysen der Eigenschaften und Folgen neuer Waffenarten und Technologien. Aus dieser Forschung werden Vorschläge für die Begrenzung neuer Waffenentwicklungen ebenso entwickelt wie technische Lösungen für eine verbesserte Rüstungskontrolle. Dieser Artikel benennt aktuelle Herausforderungen der naturwissenschaftlich-technischen Friedensforschung und geht dabei auch auf die aktuellen Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Weiterentwicklung der Friedens- und Konfliktforschung aus dem Jahr 2019 ein.
Vortrag von Dr. Claudia Brunner zur Eröffnung des Studienjahrs 2014/15 des Masterstudiengangs "Sozialwissenschaftliche Konfliktforschung" der Universität Augsburg am 6. Oktober 2014 in der Alten Generatorenhalle am Senkelbach in Augsburg. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Christoph Weller
Feindbilder sollen Akzeptanz für Gewalt und Krieg erzeugen. Sie können nur durch konkrete historische Verortung erkannt werden. Dabei muß die kulturwissenschaftliche Analyse das gesamte Rollenrepertoire der jeweiligen Kultur, also auch deren Wertsetzungen, einbeziehen. Als ein Beispiel für kulturwissenschaftliche Friedensforschung werden Thesen zur Funktion des Wortes "Opfer" vorgestellt. Diese Übertragung aus der religiösen Sprache dient der Sakralisierung und Legitimierung von Gewalt, der Entlastung von Verantwortung und der Ausschaltung von Kritik. (DIPF/Orig.)
Europa steht vor enormen Herausforderungen: die Gewaltkonflikte in Bergkarabach und der Ukraine bedrohen den Frieden in Europa, die Spannungen zwischen den USA und China geraten zusehends zu einem Großmachtkonflikt, in dem Europa seine Rolle noch finden muss, und die Debatten über die »europäische Souveränität« vernachlässigen die friedenspolitischen Prioritäten zugunsten militärischer Fähigkeiten. Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den globalen Süden erfordern zudem neue Akzente in der Entwicklungspolitik. Zugleich hält weltweit der besorgniserregende Trend zur Entdemokratisierung an. Das Friedensgutachten 2021 analysiert diese Entwicklungen und gibt Empfehlungen für die Politik.Das Friedensgutachten 2020 analysiert vor diesem Hintergrund aktuelle Gewaltkonflikte, zeigt Trends der internationalen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik auf und gibt Empfehlungen fur Bundesregierung und Bundestag. Die deutschen Friedensforschungsinstitute (BICC/HSF/IFSH/INEF) geben das Gutachten seit 1987 heraus.
In diesem Beitrag wird über Erfahrungen und erste qualitative und quantitative Ergebnisse innerhalb eines von der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF) geförderten und am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Heidelberg durchgeführten Forschungs- und Entwicklungsprojektes "Friedensbauende Bildungsmaßnahmen bei bewaffneten Konflikten" berichtet. (DIPF/Orig.) ; This article informs about experiences and first qualitative and quantitative empirical results gained at the University of Heidelberg within the project "peace-building educational activities and armed conflicts", a research and development project, funded by the German Foundation for Peace Research (DSF). (DIPF/Orig.)
En este documento de trabajo nos centraremos en la figura del conciliador o componedor político. La temática puede resultar de particular interés para aquellos estudiantes en ciencias políticas y relaciones internacionales. Por un lado, porque el ejercicio de toda mediación implica una condición especial para el manejo –y manipulación– de redes sociales. Por otro, porque supone el ejercicio de una transversalidad a través de distintos campos políticos que sólo puede explicarse gracias a los lazos que pudieron establecer los agentes en el derrotero de sus vidas. Considero que los componedores políticos –pero aún más, el fracaso de sus cometidos– representan una cabal muestra de la dinámica del faccionalismo propio del siglo XIX. La labilidad del campo de pertenencia faccioso dejó ciertos cotos para que algunos actores tuviesen afinidad con miembros de los bandos antagónicos, lo que pone en evidencia una capacidad excepcional para intentar una transacción. Lo que se pretende presentar en este apartado son una serie de situaciones en las que se buscó la conciliación política entre las facciones en pugna (la unitaria y la federal), con el objetivo de intentar comprender no sólo cómo se efectuaba esa intermediación, sino también, procurar discernir el porqué de sus fracasos.
1918/19 – Krieg und Sieg, Zusammenbruch und Niederlage, Revolution und Reform, Frieden und Neuordnung, Bürgerkrieg und Gewalt, Hunger und Spanische Grippe und noch mehr. Die Elemente können analytisch getrennt werden, und viele von ihnen sind je für sich historisch analysiert worden. Sie sind interpretiert und narrativ integriert worden etwa in Revolutionsforschung, Kriegsgeschichte, Gewaltgeschichte, Friedensforschung, Krankheits- und Seuchengeschichte. Doch die historische Dynamik von 1918/19 ergab sich aus dem Ineinander der verschiedenen Elemente, und zwar in ganz unterschiedlichen Konstellationen. 1918/19 ist daher ein herausforderndes Jubiläum für eine konzeptionell auf Entdeckungsreisen befindliche Geschichtswissenschaft.