Gerechtigkeitstheorien
In: Studienbuch Politikwissenschaft, S. 131-159
"Wie das Konzept der Demokratie war auch der Begriff der Gerechtigkeit im Laufe der Zeit einem großen Bedeutungswandel unterworfen. Ihn zeichnet der Autor nach. Den Auftakt geben in seinem Beitrag die Gerechtigkeitstheorien der antiken Klassiker des politisch-philosophischen Denkens. Von dort führt der Überblick entlang der Frage, welche Rollen dem Individuum, der Gesellschaft, dem Markt und dem Staat für ein gerechtes Gemeinwesen zukommen, bis zu den modernen Theorien der Gerechtigkeit. Während Gerechtigkeit in Platons Lehre von der Philosophenherrschaft nur in einem hierarchisch geordneten Gemeinwesen denkbar war, spielte für Aristoteles die 'Tugendbelohnung', so der Autor, als Maß der Verteilungsgerechtigkeit eine zentrale Rolle. Für die vertragstheoretischen Gerechtigkeitstheorien bei Thomas Hobbes und Immanuel Kant, die sich nicht mehr am Willen Gottes oder einer objektiven natürlichen Wertordnung als Rechtfertigungsrahmen orientierten, wurde hingegen der Staat, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen (Friedensicherungsversus Rechtssicherungsfunktion), zum zentralen Ort der Gerechtigkeit. Im Anschluss daran erörtert der Autor die Kontroverse über die gerechte (Um-)Verteilung von Eigentum und Lebenschancen anhand der Lehre der Fairnessgerechtigkeit nach John Rawls, des am Prinzip der Ressourcengleichheit orientierten Ansatzes von Ronald Dworkin, Michael Walzers pluralistischer Gerechtigkeitskonzeption und des Capability-Ansatzes von Amartya Sen und Martha Nussbaum. In Abgrenzung zu Robert Nozicks libertärer Anspruchstheorie stellt der Autor überdies eine eigene freiheitsrechtliche Gerechtigkeitstheorie vor, die ein Auseinanderfallen von negativer und positiver Freiheit vermeidet, indem sie die Bedeutung grundlegender Selbstbestimmungsressourcen hervorhebt und Verteilungsgrundsätze für diese unterbreitet." (Textauszug)