"Geschlechtsidentität wird thematisiert, wenn Unsicherheit auftritt, etwa bei Inter- oder Transsexualität. Im Gegensatz zur früheren Anlage-Umwelt-Gegenüberstellung wird mittlerweile von einer multifaktoriellen Determinierung der Identität ausgegangen." (Autorenreferat)
"Eine 'Geschlechtsidentität' haben alle Menschen, diese wird aber nur dann thematisiert, wenn sie von der Norm abweicht. Zwei große Fragestellungen der Geschlechtsidentität fordern das Rechtssystem heraus: Transgender und Intersex." (Autorenreferat)
"Im internationalen Menschenrechtsschutz hat sich Vieles zum Positiven entwickelt. Zugleich aber lässt die geschlechtliche Vielfalt und Randständigkeit von Trans' und Inter' sie weiterhin zum Ziel von Diskriminierung und Gewalt werden." (Autorenreferat)
Zusammenfassung Hintergrund Die steigende Prävalenz psychischer Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten wird u. a. in Verbindung mit erhöhtem beruflichem Stress gesehen. Dabei zeigen Untersuchungen stets höhere Werte für Stress und Burnout bei Frauen als bei Männern, das biologische Geschlecht trägt jedoch nur wenig zur Varianzaufklärung der Werte bei. Die geplante Studie soll einen Beitrag zur Ursachenforschung leisten.
Fragestellung Es werden die Effekte der Person-Umwelt-Passung in Feminität und Maskulinität auf subjektive Burnout-Werte, psychosomatische Beschwerden, Steroidwerte in Haarproben als biologische Langzeitstress-Marker sowie auf Arbeitsengagement unter Berücksichtigung von Arbeitsplatzbedingungen untersucht. Im Beitrag wird die geplante Untersuchung vorgestellt.
Material und Methoden Für die Studie werden 411 Beschäftigte eines medizinischen Dienstleistungsunternehmens zur Befragung eingeladen und können Haarproben für eine Steroid-Analyse abgeben. Durch Selbstauskunftsskalen werden individuelle und arbeitsplatzbezogene Feminitäts- und Maskulinitätswerte, Arbeitsplatzbedingungen, Burnout-Symptome, psychosomatische Beschwerden und Arbeitsengagement erfasst. Die Operationalisierung der Person-Umwelt-Passung erfolgt durch die Subtraktion der Feminitäts- und Maskulinitätswerte des Arbeitsumfeldes von den entsprechenden individuellen Werten. In den Haarproben werden mittels Flüssigkeitschromatographie-Massenspektrometrie (LC-MS/MS) die Werte für Cortisol, Cortison, Dehydroepiandrosteron (DHEA), Testosteron und Progesteron ermittelt.
Ziele Die Effekte der Feminität und Maskulinität als arbeitsplatzbezogene Person-Umwelt-Passung sollen als Prädiktoren für arbeitsbezogenen Stress untersucht werden, um zu überprüfen, ob diese sinnvollere Erklärungen als Geschlechtsgruppen-Erfassung bieten.
'In diesem Bericht sollen die theoretischen und methodischen Grundlagen für eine empirisch gestützte Untersuchung der folgenden allgemeinen Probleme erarbeitet werden: Wie erleben sich Frauen aus Naturwissenschaft und Technik im Spannungsfeld konfligierender Erwartungen, die besonders in diesen Bereichen nach wie vor mit ihrer Geschlechts- und Berufsrolle verbunden sind? Wie versuchen sie diese miteinander zu vereinbaren? Dazu werden zunächst sozialwissenschaftliche und linguistische Ansätze beschrieben, die eine diskursanalytische Untersuchung dieser Probleme (z.B. van Dijk 1993, Fairclough 1992, Potter/ Wetherell 1987, Wodak 1996) in Form folgender Fragen erlauben: Wie beschreiben und rekonstruieren Frauen aus Naturwissenschaft und Technik in Diskursen ihre multiplen sozialen Identitäten im Wechselspiel zwischen Geschlechts- und Berufsrolle? Wie thematisieren sie dabei stereotype Rollenerwartungen? Anschließend werden mit Hilfe explorativer Analysen die oberflächensprachlichen Mittel und Formen ausfindig zu machen versucht, mit denen Frauen aus unterschiedlichen naturwissenschaftlichen und technischen Ausbildungs- und Berufskontexten in formalen Diskursen konfligierende soziale Rollen und Rollenerwartungen ausdrücken. Dazu wird das Gesprächsmaterial aus sechs strukturierten Gruppendiskussionen herangezogen, in denen Frauen aus diesen Bereichen ihre persönliche und berufliche Situation erörtern. Die Ergebnisse dieser Analysen sollen die Grundlagen für ein Klassifikationsschema bilden, das in von uns geplanten weiterführenden Untersuchungen für eine systematische und quantifizierende Analyse dieser Diskussionen eingesetzt werden kann.' (Autorenreferat)
"Egal, aus welcher Schicht sie kommen oder wie alt sie sind: Männer essen mehr Fleisch als Frauen. Gut doppelt so viel, wie es Klima und Gesundheit gut tut. - Warum Fleisch ein Lebensmittel mit besonderer Symbolkraft ist und Ernährungsmuster vom Geschlecht abhängen." (Autorenreferat)
Der vorliegende Beitrag vertritt die These, daß die Psychoanalyse für Fragen der Geschlechtlichkeit nach wie vor von grundsätzlicher Bedeutung ist und daß psychoanalytiche Argumentationen den Diskurs einer konstruktivistischen Geschlechterforschung mitgestalten und beeinflussen sollten. Grundsätzlich haben aus der Sicht der Autorin konstruktivistische und diskurstheoretische Ansätze den Vorteil, daß sie kulturelle Selbstverständlichkeiten radikal in Frage stellen und die Aufforderung beinhalten, andere Vorstellungen von Geschlecht zu entwickeln, die nicht unter dem Primat von Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit stehen. In Kontext dieser Ansätze wird der Frage nachgegangen, "wie mit psychoanalytischen Theorien ein Spielen mit Geschlechtspositionen sinnvoll konzipiert werden kann." Dazu werden Anknüpfungspunkte und Möglichkeiten der Bezugnahme von ethnomethodologischen, diskurstheoretischen und dekonstruktivistischen Ansätzen mit dem psychoanalytischen Denken herausgearbeitet. (pre)
Die gegenwärtige Transformation der Arbeitsverhältnisse führt zu einer zunehmenden Verschärfung sozialer Konflikte. Dies hat sowohl Auswirkungen auf das Verhältnis von Arbeit und Subjektivität als auch auf die Geschlechterverhältnisse sowie auf die soziale Konstruktion von Männlichkeit. In diesem Aufsatz wird es darum gehen, diese Transformationsprozesse als auch deren Bedeutung für die Konstitution von Männlichkeit aus psychoanalytisch-sozialpsychologischer Perspektive in den Blick zu nehmen. Dabei wird es darum gehen, die weitverbreitete Annahme, dass diese Prozesse eine Beschädigung der männlichen Geschlechtsidentität zur Folge haben, einer kritischen Reflexion zu unterziehen. Demgegenüber soll die These dargelegt werden, dass die gegenwärtige ›Krise der Arbeitsgesellschaft‹ auf der Grundlage traditioneller männlicher Identitätskonstruktionen verarbeitet wird und damit androzentristische und misogyne Männlichkeitsentwürfe reproduzieren und stabilisieren.
Die in der Geschlechterforschung verbreitete Annahme eines durchgängigen Wandels der Geschlechterentwürfe auf der diskursiven Ebene (aber nicht auf derjenigen des Alltagshandelns) in Richtung einer Angleichung der Geschlechter wird in Zweifel gezogen. Zwar finden sich in den öffentlichen Diskursen Forderungen, die Begrenzungen der eigenen "Geschlechtsidentität" zu flexibilisieren und sich neue Potentiale anzueignen, gleichzeitig aber existieren essentialisierende, biologisierende und antifeministische Positionen. Diese Zweiseitigkeit zeigt sich auch im sozialisationstheoretischen Paradigma der "Selbstorganisation" (Hurrelmann): "Geschlechtsidentität" wird hier als kulturelle und trainierbare Überformung eines natürlichen Potentials gefasst. Über eine psychoanalytisch ausgerichtete Kritik an diesem Ansatz wird verdeutlicht, wieso sich die Geschlechterordnung im habitualisierten Alltagshandeln tatsächlich hartnäckig hält und welche unbewussten psychischen Funktionen dieses Doing Gender erfüllt. Die essentialisierenden Denkmuster schließen als Rationalisierung die Kluft zwischen "rhetorischer Modernisierung" (Wetterer) und "Habitus" (Bourdieu).