Der schmale Band erklärt Redewendungen und Mythen aus der Antike. Die Redewendungen sind Themenkreisen der Wirtschaft zugeordnet, wie z.B. Unternehmensführung, Personalführung, Smalltalk usw. Die Begriffe, die meist aus der lateinischen oder griechischen Sprache stammen, werden übersetzt und ihrer Herkunft gemäß erklärt, wobei die Beziehung zum heutigen Wirtschaftsleben jeweils hergestellt wird. So ist das Wort "Mäzen" z.B. vom Namen eines römischen Bürgers und Beraters des Kaiser Augustus, Gaius Cilnius Maecenas, abgeleitet und wird heute hauptsächlich im Sport- und Kunstbereich gebraucht. Im Anhang ein Register der Wörter und Redewendungen. Wegen der Ausführlichkeit der Erklärungen und des Gegenwartsbezugs neben umfassenderen Sammlungen wie "Das große Buch der Zitate und Redewendungen" (Duden, BA 10/07) u.a. gut einzusetzen. (2)
In 2006 the Greek Ministry of Education and Religious Affairs replaced most of the text books for primary schools with new ones. The new history text (16th-20th century) for the 6th class soon attracted intense criticisms, initiated by Archbishop Christodoulos of Athens. Politicians from across the political spectrum, organizations, public figures, and mass media joined in the attack against the text for allegedly distorting Greek national history and destroying national memory. In reality the book tried to incorporate the scholarship of academic historians and to break with some nationalist myths that have dominated the teaching of history since the 19th century. Whereas education minister Giannakou resisted demands to recall the book, her successor withdrew it after the elections in September 2007. Adapted from the source document.
Der griechische Dichter Aischylos (525/4 - 456/5 v. Chr.) war der erste antike Dramatiker, dessen Tragödien auch nach seinem Tod wiederaufgeführt werden durften – damals eine besondere Ehre. Bis heute stehen sie auf den Theaterspielplänen und erstaunen durch ihre Aktualität. Nur sieben seiner Werke sind vollständig erhalten. Bisher wurden sie, sowohl von Wissenschaftlern als auch von Regisseuren wie beispielsweise Peter Stein, meist aus theologischer bzw. politischer Perspektive gelesen. Aus dem Tragiker wurde so ein Lehrer der attischen Demokratie, was nicht zuletzt auch auf seine Darstellung in den Fröschen des Komödiendichters Aristophanes zurückzuführen ist. Die klassische Philologin Sabine Föllinger hält diese Lesart für falsch und bietet einen neuen Interpretationsansatz: In ihrem als "Einführung" (S. 8) bezeichneten Werk legt sie ihr Hauptaugenmerk auf die auf mehreren Ebenen vorhandenen Konfliktstrukturen, die sie (auch) als Auswirkungen und bildhafte Darstellung der Umbrüche zur Lebenszeit des Aischylos versteht. Politik und Religion sieht sie dabei lediglich als "Parameter, innerhalb derer der Aischyleische Mensch handelt" (S. 52). Was in Tragödien wie der Orestie und den Persern offensichtlich ist, arbeitet Föllinger auch in den Sieben gegen Theben, den Hiketiden und dem Gefesselten Prometheus heraus, den sie, obwohl die Autorschaft umstritten ist, ebenfalls in ihre Untersuchung mit einbezieht: Die Konflikte spielen sich in allen sieben Tragödien nicht nur auf interpersoneller Ebene zwischen den Protagonisten ab, sondern sind auf einer Metaebene auch als allgemeinere Generationenkonflikte zu verstehen, sowohl in der Welt der Menschen, als auch in überhöhter Form in der griechischen Götterwelt, in der die alten Götter, wie beispielsweise die Erinnyen in der Orestie, die Respektlosigkeit der neuen, olympischen Götter ihnen gegenüber beklagen. Gleichzeitig reflektiert Aischylos auf diese Art auch immer wieder den Konflikt zwischen Individuum und Gemeinschaft, häufig repräsentiert durch den in der attischen Tragödie so wichtigen Chor, indem er, wie auch in der Poetik des Aristoteles geschildert, Menschen in Extremsituationen exemplarisch auf die Bühne bringt. Gleichzeitig erhellt die Autorin die Innovativität des Dichters: Er führte nicht nur, wie bereits bekannt, den zweiten Schauspieler in die Tragödie ein, sondern legte mit seinen Frauenfiguren auch den Grundstein für die Darstellung von Frauen in den meist als moderner bezeichneten Tragödien des Euripides. Mit Rückgriffen auf antike Werke wie Hesiods Theogonie macht Föllinger deutlich, welche Transformationen Aischylos den griechischen Mythen angedeihen ließ. So wird auch klar, dass der Dichter keineswegs, wie bisher behauptet, die Vorstellung einer göttlichen Weltordnung durch einen gnädigen und alles harmonisierenden Gottes Zeus vertritt, sondern dass auch in seinen Tragödien Unsicherheit und Zweifel vorherrschen. Auch das Ende der Orestie, von Forschern wie Christian Meier als Sieg der neuen, demokratischen Ordnung interpretiert, wird in Föllingers Lesart zu einem schalen Kompromiss umgedeutet, der Aischylos' Welt nicht mehr hell, sondern "grau" (S. 165) erscheinen lässt. Den insgesamt fünf Kapiteln über die Tragödien – jedes davon gegliedert in eine kurze Zusammenfassung, eine Einführung in Forschungsstand und Problemstellungen und Föllingers Interpretation – die Orestie wird, da es sich hier um eine zusammenhängende Trilogie handelt, in einem Kapitel zusammengefasst – ist eine Einführung in die "Charakteristika der Aischyleischen Tragödie" (Kapitel 1) vorangestellt, in der u.a. der religiöse und politische Kontext sowie der Begriff der Tragödie selbst erläutert werden. Sehr kurz wird hier auch auf Fragen der Aufführungspraxis eingegangen. Zwei weitere Kapitel skizzieren die Wege der Überlieferung (Kapitel 2) und geben eine Bestandsaufnahme der bisherigen Forschung (Kapitel 3). Den Abschluss des Werkes bildet ein kurzer "Ausblick auf die Rezeption" der aischyleischen Tragödien bis ins zwanzigste Jahrhundert (Kapitel 11). Hoch anzurechnen ist der Autorin, dass sie auch die nur in Fragmenten erhaltenen Satyrspiele, wie auch die Tragödienfragmente nicht außer Acht lässt (Kapitel 9 und 10). Dass die Autorin die Zitate aus den Dramentexten mit einigen Ausnahmen selbst übersetzt hat, ist in Anbetracht der Qualität und Aktualität der vorliegenden deutschen Ausgaben verständlich, auch erleichtert deren Einfachheit sowohl das Textverständnis als auch jenes der Psychologie und Handlungsmotivationen der Charakter. Aischylos' viel gerühmte "Sprachgewalt" (S. 9) muss hier allerdings der Praktikabilität weichen. Für Neulinge auf dem Gebiet der aischyleischen Tragödie bietet Föllingers Werk tatsächlich eine angenehm zu lesende Einführung, wenn auch die – trotz Föllingers Kritik wichtigen – politischen und theologischen Lesarten der Tragödien nur kurz angerissen werden. Kenner des Dichters können v.a. in den Interpretationen der Tragödien neue Aspekte seines Œuvres entdecken.
Im diesem Aufsatz wird versucht mit Hilfe des Begriffs der politischen Religion einen der kanonischen Texte in der sowjetlitauischen Literatur, Der Mensch (Žmogus) von Leninpreisträger Eduardas Mieželaitis, zu interpretieren. Am Anfang wird der Begriff der politischen Religion basierend auf Theoretiker wie Eric Voegelin, Raymond Aron, Hans Otto Setschek, Hans Maiers, Manfred Hildermeier, Klaus-Georg Riegel u.a. präsentiert. Politische Religion ist ein Begriff, der das System des totalitären Staates bezeichnet. Politische Religion ist ein Versuch, die Ideologie als ein rationales Konstrukt, als Absolutes, einzig Mögliches und Rechtes vorzustellen. In den politischen Religionen nehmen die Führer und die Ideologen des Staates den Platz des Gottes oder sacrum ein und die Politik sowie Ideologie des Saates wird zum Plan der Erlösung.In der Analyse Des Menschen wird versucht die Frage zu beantworten, wodurch die Religion in der Sowjetzeit ersetzt wurde, welche Art neuer Metaphysik, die die Moral des Menschen begründet, geschaffen wurde, wie der ideologische Diskurs sakralisiert wurde.Das Poem Der Mensch von Mieželaitis wurde nach der Kritik des Personenkults geschaffen und erfüllte die Erwartungen des sowjetischen Systems. Personenkult wurde durch Kult des Menschen ersetzt, aber im Prinzip schreibt Mieželaitis die alten Texte der politischen Religion. Damit änderte er nicht die wesentlichen Prinzipien, er plädierte für die kommunistische Partei und den sozialistischen Humanismus in abstrakterer Art und Weise. Die komunistische Ideologie wurde als metaphysicher, absoluter Wert, die einzige Wahrheit dargestellt. Mieželaitis verwendet die griechischen Mythen, die Komposition der mythischen Erzählung, die sakrale Anthropologie, mit Hilfe der Technik gewinnt sein Held das Göttliche. Die Metapher der Sonne setzt im Poem die Semantik des Stalinismus und anderer totalitärer bzw. autoritarischer Staaten fort. Sowjetischer Romantismus und sowjetischer Humanismus maskieren im Poem oft die umgekehrte Bedeutung – statt des Progressträgers Prometheus erscheint Satan, statt Friedensheld – Antichrist.Das Poem wurde auch von der Literaturkritik als die symbolische Erklärung des Wirklichkeit schaffenden Mythos wahrgenommen, weshalb ihm die Kritik keine symbolistische, alegorische, unrealistiche Schreibweise vorgeworfen hat.
Eingeführte Reihe. Diese wohl unveränderte Neuauflage der Mythologie-Sammlung aus der "Dummies"-Serie enthält nach einem einführenden Kapitel über Entstehung, Sinn und Arten von Mythen eine umfassende, gut verständliche und übersichtlich gegliederte Sammlung von Mythen der Welt. Behandelt werden die griechischen, römischen und die nordeuropäischen Mythen sowie die Mesopotamiens, Ägyptens, Indiens, Chinas, Japans und Lateinamerikas. Informationen erhält man zu den einzelnen Gestalten, Orten und historischen Daten der Menschheit. Abbildungen, Karten und Cartoons veranschaulichen den Text und lockern ihn auf. Ein 24 Seiten umfassendes Stichwortverzeichnis hilft bei der Orientierung. Vor "Bildatlas Mythologie" und neben "Mythologie" von Wilkinson und Philip und "Sagenumwoben" empfohlen
In the extensive tradition of adaptations of the Medea myth in German-speaking literature Paul Heyse's novella Medea (1898) has been often overlooked. However, the fact that it is the first text to introduce the tragic heroine from classical mythology as 'black' gives it particular relevance. This contribution provides an analysis of the text with emphasis on Heyse's portrayal of the Medea/Wally character at the interface of late nineteenth-century discourses about race, colonial politics, female sexuality and social class. Die deutschsprachige Literatur weist eine lange Tradition von Adaptionen des Medea-Mythos auf, in der Paul Heyses Novelle Medea (1898) jedoch häufig übersehen wird. Die Tatsache, dass dieser Text der erste ist, in dem die tragische Heldin der griechischen Mythologie als 'Schwarze' dargestellt wird, verleiht ihm jedoch eine besondere Bedeutung. Der folgende Beitrag liefert eine Analyse des Textes mit Schwerpunkt auf Heyses Darstellung von Medea/Wally im Schnittpunkt der Diskurse um Kolonialpolitik, Rasse, weibliche Sexualität und soziale Klasse am Ende des 19. Jahrhunderts.
Die Berühmten Die bedeutendsten Liebschaften des Altertums Happy Ends und tragische Verwicklungen, Affären und Leidenschaft zwischen Harmonie und Skandal: In einer spannenden Mischung aus Fakten und Fiktion präsentiert die Autorin die bedeutendsten Paare und Paarungen der Antike - ein Streifzug durch Mythen und Historie. Dieses spannende Lesebuch stellt die 28 wichtigsten Liebesbeziehungen der griechisch-römischen Antike vor. Die einen gehören zu den wichtigsten Motiven der Bildenden Kunst, die anderen haben maßgeblich die europäische Geschichte mitgeprägt. Biographische Informationen Dr
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Inhaltsangabe: Identität und Transformation' lautet das Thema der vorliegenden Arbeit. Dabei gilt es zu klären, welche integrative Wirkung eine kollektive Identität besitzt und welche Rolle der Idee der 'Nation' als integrierender Kraft in den neuformierten postsowjetischen Gesellschaften dabei zukommt. Die zugrundeliegende Fragestellung der in den Kapiteln über Identität, Nation und Transformation behandelten Thematik lässt sich in folgende Fragen fassen: Was ist Identität und welche Rolle spielt sie beim Transformationsprozess? Wie ist der Beitrag nationaler Identitätsangebote zur Herausbildung einer kollektiven Identität zu bewerten? Braucht eine erfolgreiche Transformationsgesellschaft eine nationale Identität? Gegenstand dieser Arbeit ist demnach eine analytische Darstellung des für den Transformationsprozess im postsowjetischen Raum relevanten Faktors 'Identität'. Die kollektive Identität, die in den Nationalbewegungen zum Ausdruck kam und der Idee der 'Nation' prinzipiell zu eigen ist, war ein wesentlicher Faktor für den Zusammenbruch der Sowjetunion und ist auch jetzt noch ein wesentlicher Parameter bei der Untersuchung, wie erfolgreich der Transformationsprozess in den einzelnen Ländern verlaufen ist. Bevor die zentralen Annahmen und Thesen dieser Arbeit vorgestellt werden, soll zunächst die Methodik, und anschließend die Vorgehensweise erläutert werden. Die Annahmen und Thesen sind in dieser Arbeit als das tragende Gerüst zu verstehen, an denen sich der Autor entlang hangelt, immer in dem Bewusstsein, dass die Arbeit zu zerfasern droht, wenn der einmal eingeschlagene Gedankengang nicht mit Disziplin weiterverfolgt wird. Da sie die gedankliche Essenz der Kapitelinhalte sind, werden sie auch entsprechend oft wiederholt. In dieser Arbeit wird ein kulturwissenschaftlich-hermeneutischer Ansatz verwendet, der bewusst versucht die Frage der 'Politischen Kultur' im Transformationsprozess nicht auszuklammern. Die Frage nach der Identität der Bevölkerung verlangt einen derartigen Ansatz. Die zentrale Frage der politischen Kulturforschung ist die nach der Stabilität und Konsolidierung der Demokratie. Deshalb ist zu fragen, in welchem Maße endogene Faktoren, resultierend aus der eigenen gewachsenen historischen Kultur eines Landes, in der Lage sind, zu dieser Konsolidierung im Transformationsprozess beizutragen. 'Die Untersuchung von Kultur besteht darin (oder sollte darin bestehen), Vermutungen über Bedeutungen anzustellen, diese Vermutungen zu bewerten und aus den besseren Vermutungen erklärende Schlüsse zu ziehen, nicht aber darin, den Kontinent Bedeutung zu entdecken und seine unkörperliche Landschaft zu kartographieren.' Stefan Garsztecki ist prinzipiell beizupflichten, wenn er feststellt, dass 'gut 10 Jahre nach dem Beginn der Transformation [...] der Faktor Kultur in vergleichenden Studien allmählich in den Mittelpunkt rückt'. Dies lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass der Kulturbegriff und das Konzept der politischen Kultur im Rahmen der Transformationsforschung einzig und allein darüber entscheidet, welche Aussagen sich über die 'demokratische Ausgestaltung, die Konsolidierung einer demokratischen Zivilgesellschaft, [...] die Permanenz der Demokratie' treffen lassen. Der Siegeszug des rational-choice-Ansatzes scheint also zugunsten von kulturwissenschaftlich-hermeneutischen Ansätzen vorerst gestoppt zu sein. Gerade beim Vergleich der unterschiedlichen Transformationserfolge ist der kulturwissenschaftliche Ansatz von großer Bedeutung. Aus diesem Grund wurde auch der Faktor 'Identität' ausgewählt, um als Variable bei der Untersuchung des Transformationsprozesses zu fungieren. Dementsprechend zu dem weitgefassten Zugang zum Transformationsprozess ist die Literaturauswahl in dieser Arbeit auch interdisziplinär und versucht möglichst verschiedenen Aspekte und Sichtweisen des Transformationsprozesses zu berücksichtigen. Der Zeitschrift OSTEUROPA kommt dabei ein besonderer Stellenwert zu, denn sie versteht sich als eine 'interdisziplinäre Monatszeitschrift zur Analyse von Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Zeitgeschichte in Osteuropa, Ostmitteleuropa und Südosteuropa', entsprechend dem Ansatz dieser Arbeit. Klaus Mehnert, der Namensgeber des Kaliningrader Europa-Institutes, leitete die Zeitschrift zwischen 1951 und 1975. Sein interdisziplinärer Ansatz spiegelt sich im Europa-Institut Klaus Mehnert in Kaliningrad sowie in der Zeitschrift OSTEUROPA. Die Auswertung der Erscheinungen der letzten 15 Jahre in Bezug auf Artikel zum Thema 'Identität' nimmt einen großen Stellenwert in dieser Arbeit ein. Herauszuheben aus der verwendeten Literatur ist noch Georg Elwerts Beitrag zur Bildung von Wir-Gruppen und zur Entstehung von Nationalbewusstsein. Dadurch gelang es die Verbindung zwischen einer kollektiven Identität und dem in den postsowjetischen Staaten entstehenden Nationalbewusstsein zu ziehen. Im Kapitel zur 'Transformation' waren besonders das Lehrbuch von Wolfgang Merkel hilfreich, bei der Untersuchung der Transformation in Osteuropa sind Andreas Kappeler, Uwe Halbach und Peter W. Schulze als die wesentlichen Impulsgeber zu nennen. Ohne tiefer in die unterschiedlichen Ansätze zu Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, zu normativ-ontologischer, historisch-dialektischer und empirisch-analytischer Schule eingehen zu wollen, muss beachtet werden, dass es sich bei Begriffen wie 'Transformation', 'Identität', 'Integration', 'Nation' oder anderen um gedankliche und sprachliche Konstrukte handelt, die keine Abbildung in der Realität haben. Es sollte also prinzipiell ein Gespür dafür vorhanden sein, dass das Medium Sprache Wirklichkeit konstruiert. In der modernen Nationalismustheorie spricht man inzwischen von der 'Erfindung der Nation' und spielt dabei auf die Rolle der Eliten als Geburtshelfer beim sogenannten 'nationalen Erwachen' von Nachzüglergesellschaften an. Grundsätzlich gilt, dass Wissenschaft stets nur ein Abbild der Realität ist. Sämtliche Klassifikationsversuche sind im Grunde Versuche der Welt eine Struktur zu geben; die Sprache erfüllt in der heutigen Welt ganz wesentlich eine Benennungs- und Klassifizierungsfunktion. Sprache strebt danach, die Ordnung aufrechtzuerhalten und Zufall und Kontingenz zu leugnen und zu unterdrücken. Ambivalenz ist ein Nebenprodukt der Arbeit der Klassifikation. Ambivalenzen sollen aber vermieden werden, um die Ordnung des Gedankengebäudes aufrecht zu erhalten und Unbehagen zu vermeiden. Nach Zygmunt Bauman besteht die typisch moderne Praxis, die Substanz moderner Politik, des modernen Intellekts, des modernen Lebens darin, 'Ambivalenz auszulöschen: eine Anstrengung genau zu definieren – und alles zu unterdrücken oder zu eliminieren, was nicht genau definiert werden konnte oder wollte'. Die vorliegende Arbeit möchte aber genau dieses vermeiden, und stattdessen Ungenauigkeiten in geringem Umfang zulassen, da es unmöglich ist sie auszuschließen. Mit diesem kurzen gedanklichen Ausflug sollte lediglich auf die Schwierigkeit des Themas 'Identität und Transformation' mit derartig abstrakten Begriffen hingewiesen werden, da sich hinter den Begriffen Vorstellungswelten verbergen, die nie vollständig zu fassen sind; entstehende Unschärfen sind daher nicht beabsichtigt, sondern einfach unvermeidbar und erfüllen auch einen gewissen Zweck, da es illusorisch ist, die Komplexität der Welt mit wenigen Worten fassbar zu machen. Mit diesem Ansatz soll der Tendenz in der Politikwissenschaft entgegengewirkt werden, Typologien zu entwickeln, dabei den Kontakt zum Gegenstand zu verlieren und am Ende nichts mehr erklären zu können. Naturgemäß stellen sich Unschärfen dadurch ein, dass die zitierten Autoren die Begriffe unterschiedlich definieren und verwenden, besonders schwierig wird es, wenn Begriffe aus dem Englischen übersetzt werden. Dennoch soll zu Beginn der Kapitel über 'Identität' und 'Transformation' versucht werden, die Spannweite dieser Begriffe darzustellen, sie zu definieren und damit ihren Bedeutungsgehalt zu begrenzen. Dennoch soll in einem ersten Schritt versucht werden, sich dem Phänomen 'Identität' zu nähern (Kapitel 1.1 1.2). Aus den individuellen Vorstellungen von Identität entsteht eine kollektive Identität, die das Bewusstsein einer Großgruppe bestimmt. In Kapitel 1.3 wird zu ergründen versucht, warum das Bedürfnis nach einer kollektiven Identität besteht. Demnach gilt es zu unterscheiden zwischen einer individuell-psychologischen und einer kollektiven Identität. Diese stehen jedoch in einem Wechselverhältnis zueinander, auf das später noch eingegangen wird. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelten sich aus zahlreichen Faktoren neue Wir-Gruppen, die einer kollektiven Identität bedurften (Kapitel 1.4). Eine kollektive Identität, so die erste zentrale These der vorliegenden Arbeit, ist eine der Voraussetzungen für ein funktionierendes Gemeinwesen, da durch sie die notwendige gesellschaftliche Integration und Mobilisierung geleistet werden kann. Sie liefert den Kitt für die gesellschaftliche Kohäsion, verhindert einen Zerfall des Staatswesens gleichermaßen wie seine Integration in andere Staaten und die damit verbundene Selbstauflösung. Eine gemeinsame Identität setzt eine gemeinsame Interpretation geschichtlicher Ereignisse, gemeinsame Zukunftserwartungen und als Grundlage dessen eine gemeinsame Sprache und gemeinsame Medien voraus, in denen eine Artikulation der gemeinsamen Vorstellungen stattfindet und kontroverse Aspekte entsprechend diskursiv abgebildet werden. Somit umfasst Identität im Sinne der vorliegenden Arbeit die drei Bereiche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Eine kollektive Identität hat also gewisse Voraussetzungen, die entweder schon vorhanden sind oder erst konstruiert werden müssen. Nach der Implosion der Sowjetunion und dem Wegfall ihrer legitimitätsstiftenden Ideologie und ihrer integrierenden Faktoren (Kapitel 1.5) setzte in der postsowjetischen Phase die Suche nach einer neuen kollektiven Identität in den neuentstandenen Republiken ein (Kapitel 1.6). Die zweite These lautet, dass die zentrale Einheit, die kollektive Identität schafft, die Nation ist. Damit ist die Nation eine wesentliche Ressource im Transformationsprozess. Diesem Gedankengang wird im zweiten Kapitel nachgegangen. Nachdem zunächst erklärt werden soll, was unter dem Begriff der 'Nation' verstanden werden soll, soll das Konzept des Nationalstaates als politisches Ordnungsmuster (Kapitel 2.1) beschrieben werden. In Kapitel 2.2 wird darauf aufbauend auf die Integration dieses Konzeptes eingegangen. Negative Mobilisierung findet oftmals durch einen Rückgriff auf einen chauvinistisch ausgelegten Nationalstaatsgedanken statt. Bei der Literaturdurchsicht drängte sich fast der Eindruck auf, dass die beide Integrations- und Mobilisierungskonzepte so eng miteinander verbunden sind, das eine trennscharfe Unterscheidung fast unmöglich ist. Aus diesem Grund wird in Kapitel 2.3 das Konzept der negativen Mobilisierung in einem Exkurs behandelt. Der dadurch entstehende Nationalismus muss sicher als negativer Teilaspekt der positiven Integrationsleistung der Idee der 'Nation' gelten. Die anderen Voraussetzungen auf die der Nationalstaatsgedanke in Osteuropa mit seiner sehr viel heterogeneren Bevölkerungsstruktur als in Westeuropa trifft, sind unter anderem Gegenstand der Betrachtung im Kapitel 2.4. Den Abschluss des Kapitels zur Nation bilden darauf aufbauend Überlegungen zum Unterschied zwischen de westlichen und dem östlichen Nationenbegriff in Kapitel 2.5. Das relativ kurze dritte Kapitel ist der Nationalitätenpolitik in der Sowjetunion gewidmet. Diese Nationalitätenpolitik ist hauptverantwortlich für die 'Explosion des Ethnischen' ab Mitte der 80er Jahre. Nachdem erläutert wurde, worin der Ansatz dieser Politik grundsätzlich bestand, macht es sich Kapitel 3.1 zur Aufgabe den inoffiziellen Nationalitätenvertrag auszuführen, der die regionalen Eliten bewusst förderte. Gezielte Industrieansiedlungen durch die zentral koordinierte Planwirtschaft vergrößerten die Heterogenität in der Bevölkerungsstruktur (Kapitel 3.2). Auch diese Politik kann damit als ein Element der Nationalitätenpolitik gelten, da durch sie ortsfremde russischsprachige Kader auch an der Peripherie des Imperiums angesiedelt werden konnten. Dieses Gemisch aus den nationalisierenden lokalen Eliten und den ortsfremden sowjetisch sozialisierten Industriekadern, war die Grundlage für das Brodeln in der Perestrojka-Phase und das Hochkochen Anfang der 90er Jahre als der vermeintliche 'melting pot' Sowjetunion sich als Völkergefängnis entpuppte und durch die 'Explosion des Ethnischen' der Sowjetführung um die Ohren flog (Kapitel 3.3). Die territoriale Neuordnung nach der Implosion der Sowjetunion führte zur Schaffung von Nationalstaaten. Dies ist neben der politisch-institutionellen und ökonomischen Neuausrichtung der dritte Aspekt im Transformationsprozess. Deshalb wird auf die Neugliederung der ehemaligen Sowjetunion in Nationalstaaten als Teilaspekt postsowjetischer Transformation verstärkt in dieser Arbeit geachtet werden. Das Integrationskonzept über die Idee der 'Nation' die Gesellschaft zu integrieren, war zwar in Westeuropa sehr erfolgreich – auch wenn es für zwei Weltkriege mitverantwortlich war – trifft in Osteuropa aber auf ganz andere Voraussetzungen, da die Bevölkerungsstruktur viel heterogener ist. Stattdessen müssen in Osteuropa Integrationskonzepte zum Tragen kommen, die die kollektive Identität in einem größeren Zusammenhang sehen, in einer gemeinsamen politischen Vision, in der Menschenrechte und Demokratie fester Bestandteil sind. Die Untersuchung der Transformation in den ehemals realsozialistischen Staaten Osteuropas erfolgt im fünften Kapitel der Arbeit. Zuvor sollen im vierten Kapitel verschiedene Transformationstheorien vorgestellt werden und bezüglich ihrer Brauchbarkeit für die Analyse der Transformation in Osteuropa hinterfragt werden: Was können sie erklären und was nicht? Nach diesem eher allgemeineren Zugängen wird versucht, die Transformation in Osteuropa in wenigen Kapiteln fassbar zu machen. Eine empirische Darstellung des Transformationsprozesses der relevanten Länder kann nicht erfolgen, eher soll ein problemorientierter analytischer Aufriss einiger Faktoren erfolgen. Als erstes soll das Spezifische des Prozesses in den 90er Jahren in den osteuropäischen Ländern illustriert werden, danach prinzipielle Spannungsfelder, die sich aus historisch-kulturell-geografischen Daten ergeben, dargestellt werden, bevor in einem letzten Schritt der Ablaufprozess ebenso wie die verschiedenen Ebenen der Transformation schlaglichtartig beleuchtet werden. Der Teil der Arbeit der sich dem Phänomen der 'Transformation' widmet, wird grundsätzlich von folgenden Fragen strukturiert werden: Was soll unter Transformation verstanden werden? Gibt es überhaupt das große Paradigma 'Transformation' auf das sich alle Transformationsforscher als einheitlichen Untersuchungsgegenstand stützen können oder ist Transformation nicht ein konturloser Begriff unter dem sich alles und jedes fassen lässt, jegliche Systemwechsel in beliebigen politischen Systemen auf der ganzen Welt unbestimmt in Dauer, Intensität, Richtung und Ausgangssituation (Kapitel 4.1)? Welche theoretischen Zugänge wurden grundsätzlich entwickelt, um Transformationsprozesse besser analysieren und verstehen zu können? Vor welchem Hintergrund wurden sie entwickelt und was für ein Erklärungspotential bergen sie zum besseren Verständnis der Transformation in Osteuropa (Kapitel 4.2)? Auf Grundlage dieser Bestandsaufnahme erfolgte eine genauere Analyse des Transformationsprozesses in Osteuropa (Kapitel 5). Zunächst wurde das Hauptaugenmerk auf den Aspekt der Besonderheit dieses Transformationsprozesses gegenüber den vorherigen gelegt (Kapitel 5.1). Inwiefern war der Transformationsprozess in Osteuropa komplexer als die vorhergegangenen? Welche Ebenen umfasste er? Kapitel 5.2 ist der Darstellung der speziellen Gegebenheiten und Konstanten im postsowjetischen oder osteuropäischen Raum gewidmet. Transformation findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern hat gewisse Voraussetzungen und Vorbedingungen, die auch Einfluss auf den Transformationsverlauf nehmen und die gewisse Entwicklungswege erschweren. In Kapitel 5.3 und 5.4 steht die Empirie der Transformation im Vordergrund. Zu fragen ist grundsätzlich: Was ist in den postsowjetischen Ländern überhaupt passiert? Welche Transformationen durchliefen das politische und das ökonomische System? Gibt es zugrundeliegende Logiken und Handlungsmuster? Die zentralen Annahmen der gesamten vorliegenden Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen: Identität ist eine Kategorie, die sich zusammensetzt aus einem individuell-psychologischen Aspekt und einem kollektiven. Eine kollektive Identität setzt sich zwar zusammen aus der Summe der Einzelidentitäten, umfasst aber nur einen kleinen Teilbereich der Einzelidentität, nämlich den, der sich auf die Wahrnehmung einer Gruppe als Gesamtheit bezieht. Gesellschaftliche Integration ist einer der entscheidenden Faktoren zur staatlichen Konsolidierung und damit zum Gelingen des Transformationsprozesses. Da die Implosion der Sowjetunion auch eine staatliche Neuordnung auf ihrem Territorium nach sich zog, müssen die selbstständig gewordenen ehemaligen Sowjetrepubliken nach einer kollektiven Identität suchen mit Hilfe derer es gelingen kann, die heterogenen postsowjetischen Bevölkerungsschichten zu integrieren. Die Idee der Nation ist zum zentralen Moment der kollektiven Identität im Transformationsprozess in vielen osteuropäischen Staaten geworden. Nationale Ideen werden von politischen Akteuren genutzt, um Bevölkerungsgruppen zu integrieren. Den Nationalbewegungen in den Volksfronten kam eine entscheidende Rolle beim Zusammenbruch der sowjetischen Ordnung zu. Nationalismus ist nicht von vorneherein negativ zu bewerten. Er leistet einen wesentlichen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration in diesen Ländern. Dennoch liegen auch die Gefahren von nationalen Ideen angesichts der heterogenen Siedlungsstruktur Osteuropas auf der Hand. Notwendige geschichtliche Aufarbeitungsprozesse werden zudem verhindert und Frustrationen durch Transformationsprozess auf externe Faktoren abgeschoben was zur Bildung von Feindbildern beiträgt. Die vor dem Zusammenbruch des realsozialistischen Blocks entwickelten Transformationstheorien sind zwar hilfreich bei der Erklärung bestimmter Prozesse, jedoch besteht nach wie vor ein Mangel an Theoriemodellen, um die postsowjetische Transformation zu erklären. Aus diesem Grund soll neben den klassischen theoretischen Erklärungsansätzen, anschließend die Besonderheiten der Transformationsbedingungen im postsowjetischen Raum dargestellt werden. Transformation im postsowjetischen Raum findet seit Mitte der achtziger Jahre auf mehreren Ebenen statt. Da die Transformation nicht nur das politische, sondern auch das ökonomische und gesellschaftliche System erfasst, ist eine Betrachtung der einzelnen Ebenen, die komplex miteinander verwoben sind, sinnvoll. Bei der Untersuchung der Transformationsprozesse soll auch ein besonderes Augenmerk auf die Kontinuitäten im postsowjetischen Raum gelegt werden, die für ein Stocken oder eine Richtungsentscheidung mitverantwortlich sind. Die grundlegenden Thesen dieser Arbeit lauten zusammengefasst: Eine kollektive Identität ist eine der Voraussetzungen für ein funktionierendes Gemeinwesen, da durch sie die notwendige gesellschaftliche Integration und Mobilisierung geleistet werden kann. Jede soziale Gruppe gibt sich eine kollektive Identität. Dabei wird sehr oft auf die gemeinsame ethnische Abstammung und die Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Nation verwiesen. Das Identitätsbewusstsein der gesellschaftlichen Eliten in Osteuropa war geprägt durch eine Renaissance des Nationalen und hatte entscheidenden Einfluss auf den Transformationsprozess und die Herausbildung von Nationalstaaten auf dem Territorium der Sowjetunion. Die zentrale Einheit, die kollektive Identität schafft, ist die Nation. Damit ist die Nation eine wesentliche Ressource im Transformationsprozess. Das Integrationskonzept über die Idee der 'Nation' war zwar in Westeuropa sehr erfolgreich – auch wenn es für zwei Weltkriege mitverantwortlich war – trifft in Osteuropa aber auf ganz andere Voraussetzungen, da die Bevölkerungsstruktur viel heterogener ist. Stattdessen müssen liberalere Integrationskonzepte in Osteuropa zum Tragen kommen, die die kollektive Identität in einem größeren Zusammenhang sehen, in einer gemeinsamen politischen Vision, in der Menschenrechte und Demokratie fester Bestandteil sind.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: Einleitung5 1.Identität15 1.1Relevanz des Faktors 'Identität'15 1.2Annäherung an den Begriff 'Identität'16 1.3Der Bedarf nach einer kollektiven Identität20 1.4Bildung von Wir-Gruppen21 1.5Identitätsstiftung in der Sowjetunion22 1.5.1Patriotische Sinnstiftung als Integrationsfaktor24 1.5.2Forcierte Industrialisierung als Integrationsfaktor26 1.5.3Der 'Große Vaterländische Krieg' als Integrationsfaktor27 1.6Identitätssuche nach dem Zerfall der Sowjetunion28 1.6.1Patriotischer Konsens in Russland32 1.6.2Orthodoxer Patriotismus als Element der russischen Identität37 1.6.3Identitätssuche in den postsowjetischen Republiken39 1.6.4Nationalstaatsbildung in der Ukraine41 1.6.5Schaffung einer neuen Regionalidentität am Beispiel Transnistriens44 2.Der Begriff der 'Nation'48 2.1Der Nationalstaat als politisches Ordnungsmuster51 2.2Positive Integration durch das Konzept des Nationalstaates54 2.3Chauvinistischer Nationalismus als Schattenseite der positiven Integrationskraft der Idee der 'Nation'56 2.4Exkurs: Negative gesellschaftliche Mobilisierung60 2.5Der Unterschied zwischen dem westlichen und dem östlichen Nationenbegriff64 3.Nationalitätenpolitik in der Sowjetunion67 3.1Inoffizieller Nationalitätenvertrag70 3.2Gezielte Industrieansiedlungen als Teil der Nationalitätenpolitik72 3.3Folgen der Nationalitätenpolitik: Nationale Identität als Aufbruchsmoment und Ursache für den Zerfall der Sowjetunion74 4,Transformation82 4.1Annäherung an den Begriff der 'Transformation'83 4.2Transformationstheorien89 4.2.1Systemtheorien91 4.2.2Strukturtheorien93 4.2.3Kulturtheorien95 4.2.4Akteurstheorien96 4.2.5Theoriesynthese97 5.Transformation in Osteuropa99 5.1Grundproblematik100 5.1.1Die Unvergleichlichkeit des Systemwechsels von 1989101 5.1.2Das Dilemma der Gleichzeitigkeit105 5.2Prinzipielle Problemfelder bei der Transformation im postsowjetischen Raum107 5.2.1Geographische Gegebenheiten108 5.2.2Mächtiger Staat und passive Gesellschaft110 5.2.3Privilegierte Eliten und geknechtete Unterschichten111 5.2.4Die Welt der Bauern und die Welt der Städte113 5.2.5Russen und Nichtrussen114 5.2.6Extensivität und verzögertes Wirtschaftswachstum115 5.2.7Heiliges Russland und orthodoxe Staatskirche117 5.2.8Hochkultur und Volkskultur118 5.2.9Europa und Asien120 5.3Transformation des politischen Systems121 5.3.1Transformation des Herrschaftsmodells121 5.3.2Transformation zu scheindemokratischen Herrschaftsmodellen122 5.3.3Die Handlungslogik der Ein-Mann-Regime123 5.3.4Die Zerstörung des gesellschaftlichen Pluralismus126 5.4Transformation der Ökonomie128 Schluss132 Literatur136Textprobe:Textprobe: Kapitel 1.6, Identitätssuche nach dem Zerfall der Sowjetunion: Dem 'homo sovieticus' hatte sich die Frage nach seiner Identität kaum gestellt. Der Begriff 'identicnost' war in keinem sowjetischen Wörterbuch zu finden. Die Einheitsideologie ließ keinen Platz für weitergehende Fragen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion konnte die Suche nach neuen Identitäten schließlich beginnen. Nachdem im Kapitel 1.5 die identitäts- und integrationsstiftenden Mechanismen in der Sowjetunion beschrieben wurden, soll im Kapitel 1.6 die Suche nach neuen identitäts- und damit integrationsstiftenden Elementen beschrieben werden. Die Dekonstruktion sowjetischer Mythen ging Hand in Hand mit der Rekonstruktion von Mythen aus der Zarenzeit. Dazu gehörte ein stilisiertes und idealisiertes Bild des 'ancien régime': Die Verdienste der Romanovs wurden wiederentdeckt und alsbald in das neue kollektive Gedächtnis integriert. Adel, Großunternehmer und Industrielle, Kosaken, vor allem jedoch die Russisch Orthodoxe Kirche erlangten ihre historischen Rechte zurück. In diesen Konstruktionen ist immer auch die Sehnsucht nach einer heilen Vergangenheit erkennbar. In den Jahren der Transformation ist sich Russland seiner Identität unsicher geworden. Ende des Jahres 1997 stellte Christiane Uhlig das Fehlen einer kollektiven Identität fest, in deren Namen sich die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und sozialen Schichten zu gemeinsamem Handeln für den Aufbau der neuen Gesellschaft zusammenfinden könnten. Gerade in Zeiten der Krise gibt es ein Bedürfnis nach nationalen Identifikationsangeboten. Dass gerade in den schwierigen Transformationsjahren der Verlust der sowjetischen Identität besonders schwer wiegt, beklagte auch Boris El'cin: 'Jede Etappe hatte ihre Ideologie. Jetzt haben wir keine. Russland braucht eine gesamtnationale Idee, die die Nation zusammenschweißt, die Menschen eint und mobilisiert zur Wiedergeburt Russlands und die ein Gegengewicht ist zum politischen Gezänk.' Dies war auch der Grund dafür, dass die halbamtliche Zeitung Rossijskaja Gaseta, einen Wettbewerb nach der besten 'Idee für Russland' ausschrieb. Es bestand also in der Administration und unter den Eliten Konsens, dass es notwendig sei, eine im eigentlichen Sinne staatliche Ideologie auszuarbeiten. Dies kann nur vor dem Hintergrund der kommunistischen Tradition verstanden werden nach der eine Ideologie notwendiger Bestandteil von Herrschaft war, um die Bevölkerung zu integrieren. Jetzt wurde der Bedarf nach einer Zivilreligion festgestellt, einem Konzept, das jenseits der Gesetzestexte eine Regelungsinstanz für die gesellschaftlichen Mechanismen darstellt. In den westlichen Staaten speist sich das dem Staat zugrunde liegende normative Konzept im Wesentlichen aus den jüdisch-christlichen religiösen Vorstellungen, die noch mal durch den Protestantismus an die europäische Neuzeit angepasst wurden, der griechisch-römischen Antike und dem Humanismus der Aufklärung. Diese Elemente bilden in den westlichen Staaten das zugrundeliegende normative Konzept für die politische Ordnung. Diese Geistestraditionen sind nicht in gleichem Maße in der russischen Tradition vorhanden, was die Etablierung von Demokratie, Menschen- und Bürgerrechten mit Sicherheit nicht gerade vereinfacht. Als Konsequenz der anderen geistesgeschichtlichen Traditionen müssen die Konzepte der Demokratie im postsowjetischen Raum mehr von oben nach unten vermittelt werden, als dass sie Bestandteil einer gemeinsamen Vorstellungswelt sind, die als vorhanden vorausgesetzt werden kann. Damit kommt dem Staat und seinen Apparaten eine viel bedeutendere Rolle bei der Vermittlung von gesellschaftlichen Konzepten zu als dies in westlichen Gesellschaften der Fall ist. Innerhalb Russlands lässt sich die Suche nach einem neuen kollektiven Identifikationsangebot anhand von verschiedenen politischen Diskursen darstellen: zum einen dem liberalen Diskurs und zum anderen 'die Rückkehr zum Imperium'. Einmal geführt durch die neo-nationalistische Rechte, die die Zeit vor 1917 zum 'Goldenen Zeitalter' verklärt. In diesem Diskurs finden sich Vorstellungen der Slawophilen, die die russische Nation als eine eigenständige Welt betrachten, die mit den slawischen Gebieten und Russischer Muttererde eng assoziiert sein sollte. Der andere Diskurs lässt sich als neo-sowjetischer Diskurs bezeichnen, der die sowjetische Heimat wieder integrieren möchte in einem sozialistischen multiethnischen Imperium. Hier ist die Kommunistische Partei Russlands der Hauptträger, der sozialistische Rhetorik mit russischem Nationalismus verknüpft. Auch wenn dieser Diskurs eng mit Vorstellungen von Inklusion, Gleichheit, Universalismus und internationaler Solidarität verknüpft ist, so ist doch gleichzeitig offensichtlich, dass es in Wirklichkeit um die Reetablierung einer Hegemonie unter russischer Führung gehen soll. Der liberale Diskurs, der zu Beginn der 90er Jahre von den liberalen Reformern geführt wurde, bedeutete einen Bruch sowohl mit der zaristischen als auch der sowjetischen Vergangenheit. Russland ist demnach ein selbständiger Staat, der keine Ansprüche auf die Territorien der anderen selbständig gewordenen Republiken erhebt. Der Staatsaufbau in Russland genießt demnach absolute Priorität. Die Beziehungen zu den neuen Republiken sollten auf Kooperation, gegenseitigem Respekt und Partnerschaft bestehen. Seit 1993 gibt es noch einen dritten Diskurs, den der 'Gosudarstvenniki', die zwar einerseits die Grenzziehungen akzeptieren, aber gleichzeitig die Einmischung Russlands in die Politik der Staaten des 'Nahen Auslands' wünschen. Russland kommt nach dieser Lesart nach wie vor ein spezieller Status im postsowjetischen Raum zu, da in vielen dieser Staaten russische Minderheiten existieren, die in erster Linie Opfer der national konnotierten Identitätspolitik der Republiken sind (Vgl. besonders die in Kapitel 1.6.5 beschriebene Situation in der Republik Moldau, bzw. der PMR). Das Bewusstsein dieser großen ethnolinguistischen Gemeinschaft und die Art, in der die russischsprachigen Brüder und Schwestern in den Republiken behandelt wurden, hatte starken Einfluss auf den in Russland geführten Diskurs und spielt m. E. nach wie vor eine bedeutende Rolle. Die russophonen Minderheiten und ihre Rolle in den Baltischen Staaten, in Moldau, Georgien oder der Ukraine sind nach wie vor Gegenstand der politischen Aufmerksamkeit. Sie werden als Kolonisten und Besatzer durch die Mehrheitsbevölkerung in den Republiken wahrgenommen. Dies steht im Gegensatz zu der Wahrnehmung der russischsprachigen Bevölkerung durch die 'Gosudarstvenniki', die die Rechte der Russophonen verteidigen. Die Idee Russlands ist in diesem Diskurs also ganz wesentlich mit der Beziehung zu ihren Diasporagruppen entstanden. Bei der nationalen Identitätsdebatte fällt ganz generell auf, dass der Diskurs versucht, die Komplexität der neuen sozialen Wirklichkeit in kollektive Identitätsformen zu fassen. Insgesamt mutet die Debatte demzufolge als ein Versuch einer rückwärtsgewandten Identitätsgewinnung an. Christiane Uhlig zufolge beanspruchen die Codierungen, die in den Debatten verwendet werden, 'universale Relevanz, sind dichotomer Natur, basieren auf dem Prinzip von Inklusion und Exklusion und dienen der Charakterisierung russischer Identität' Bei diesen meist kulturologischen Arbeiten, die sich mit der Identitätsfrage befassen, wird versucht, Schlüsse über den russischen Nationalcharakter zu ziehen, die aber 'einer genaueren Analyse nicht standhalten'. Dennoch hat sich ein Konsens gebildet, der durch das informelle Zusammenrücken der Eliten entstanden ist und für die Kontinuität und Stabilität Russlands auch in den Wirren der Transformation verantwortlich ist.