In einem Essay zur Geschichte der Badischen Heimat anlässlich ihres 100. Jubiläums titelte Wolfgang Hug: "Seit 100 Jahren schafft der Landesverein ,Badische Heimat' badische Identität". Heinz Siebold schrieb in "Was ist die badische Heimat?" – "Aber was ist Baden? Wo ist Heimat? Und wozu braucht es überhaupt einen Verein Badische Heimat? Eine ,badische Identität' gibt es in Wirklichkeit nicht. Südbadische Alemannen und nordbadische Pfälzer oder Franken haben keine gemeinsame Sprache und gemeinsame kulturelle Wurzeln sind – wenn überhaupt – sehr weit zurückliegend". Angesichts solcher divergierender Statements ist es wohl angebracht, Überlegungen zur Identität und insbesondere zur Option einer badischen Identität anzustellen. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass die Option einer badischen Identität im politisch verfassungslos gewordenen Baden mit dem Wunsch der Landesregierungen, eine baden-württembergische Identität zu konstruieren, korrespondiert. "Die Änderung des Kontextes ändert auch immer den Text" (Hans Waldenfels).
In den Literaturen der afrikanischen Diaspora bilden identitätspolitische Fragen nach wie vor einen Schwerpunkt. Aber die Verortung individueller Identität wird mit einer komplexen persönlichen oder familialen Migrationsgeschichte zunehmend schwieriger. Der Artikel diskutiert literarische Konzepte von Identitätsverflüssigung, Erfahrungen der Körperlosigkeit und Strategien des Namenswechsels an beispielhaften Texten von Léonora Miano, NoViolet Bulawayo und Fatou Diome und verdeutlicht, dass ein räumliches Konzept von Heimat heute notwendigerweise nur noch als prekär darstellbar ist und andersartige Identitätskonzepte an seine Stelle treten müssen. ; In literatures of the African diaspora, identity politics remain a central topic. However, the process of locating individual identity becomes ever more difficult as personal or family histories of migration become more complex. The article discusses concepts of "identity liquidification", experiences of bodilessness and strategies of name changing using examples from the work of Léonora Miano, NoViolet Bulawayo and Fatou Diome. It shows that, ultimately, spatial concepts of home have no chance of persisting and appear necessarily precarious. It follows that different concepts of identity need to take their place.
Seit dem Sommer 2019 ereignen sich in Hongkong die schwersten Bürgeraufstände nach den linken Unruhen von 1967. Mit dem Widerstand der Zivilgesellschaft gegen die wachsende Kontrolle Pekings stellt sich die ehemalige britische Kronkolonie gegen eines der stärksten autoritären Regime überhaupt und bringt eine erneuerte Identität der Stadt zu Tage. Diese könnte sich als Zeichen für die eigentliche Dekolonialisierung Hongkongs erweisen.
Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht der Begriff "Identität". In Sri Lanka gibt es mehrere, sich überschneidende Möglichkeiten der Identitätsgewinnung. Zum einen die national-religiöse Identität, zum anderen die lokalen Identitäten, die über die Region, Kaste und Verwandtschaft hergestellt werden. Die national-religiöse Identität der Bevölkerungsmehrheit, die ich in dieser Arbeit beschreiben möchte, wird aus den Komponenten 'singhalesisch' und 'buddhistisch' konstruiert. Daneben gibt es aber auch noch lokale Identitäten, die über die Zugehörigkeit zu einer Region oder Kaste gewonnen werden. Diese sind, vor allem in den das Land prägenden ländlichen Gebieten, noch immer von großer Bedeutung.
Die \(\textit {Vatnsdoela saga}\), die \(\textit {Geschichte der Leute aus dem Wassertal}\), ist eine der fünfunddreißig Isländersagas. Sie berichtet von der Dynastie der Vatnstalgoden und umfasst dabei fünf Generationen. Die vorliegende Untersuchung widmet sich der \(\textit {Vatnsdoela saga}\) in ihrer Komplexität und entschlüsselt unter Einbeziehung dreier literaturwissenschaftlicher Methoden die zentrale Aussage dieser Saga. Vom narrativen Konstrukt (Struktur und Aufbau der Saga), über die sozialanthropologische Dimension (Häuptlingstypus, Glück, Konfliktlösung) bis zur kulturellen Botschaft (Diskursanalyse, Godentum, Magie/Übersinnliches) führt die Untersuchung zur übergeordneten Bedeutungsebene der \(\textit {Vatnsdoela saga}\). In der Darstellung des Godentums und der fünf Goden (Häuptlinge), deren Schicksal die \(\textit {Vatnsdoela saga}\) schildert, manifestiert sich eine isländische Identität mit einem Appell zur Rückbesinnung auf die alten Traditionen in einer Zeit, in der Island seine politische Unabhängigkeit an Norwegen verloren hat.
Durch die Christianisierung Skandinaviens veränderte Europa vom 9. bis zum 13. Jahrhundert sein Gesicht. Der aquilo blieb nicht mehr wie in der biblischen Tradition das kalte Jenseits, sondern ergriff seinen Platz im politischen und kulturellen Gefüge der europäischen Völker. Diese Integrationsleistung brachte auf beiden Seiten, der gebenden wie der nehmenden, neue Formen der Selbst- und Fremddeutung hervor. Das Buch vergleicht die unterschiedlichen Perspektiven in der lateinischen und volkssprachlichen Geschichtsschreibung des 11. bis 13. Jahrhunderts – sowohl in der Historiographie im Reich und in England als auch und vor allem im Norden. Gerade dort entfaltete sich eine große Spannbreite zwischen den Mustern kontinentaleuropäischer Darstellung und der überaus eigenständigen Welt der Sagas. Der Vergleich wird hierbei als wesentliches Instrument der Identitätskonstruktion hervorgehoben.
Notwendig essentialisierend oder weiterhin mit Erschließungskraft ausgestattet? Individuell oder kollektiv? Verwirrende Unklarheit oder begrifflicher Schnittpunkt unterschiedlicher Diskussionslinien? Ausschluss, Differenz, Identitätspolitik? Eine Begriffs-Diskussion
Die Landflucht der lateinamerikanischen Bevölkerung in die Großstädte und der damit einhergehende Verlust der ursprünglichen kulturellen Identität haben wesentlichen Anteil am großen Erfolg der Telenovelas. Telenovelas, die lateinamerikanische Antwort auf die US-amerikanischen Soap operas, waren von Anfang an auch ein Instrument der Mächtigen, um die jeweiligen wirtschaftlichen oder politischen Interessen zu unterstützen, bzw. deren Wertvorstellungen zu transportieren. Telenovelas prägen das Bild der Zuschauer von einer heilen und erstrebenswerten Welt und zeigen dem Publikum, daß jeder den sozialen Aufstieg schaffen kann. Alles Gründe dafür, daß der Erfolg der Telenovelas in den Ländern der ersten Welt nicht so einfach wiederholbar ist.
Eine neue Selbstdefinition Polens in einem veränderten gesellschaftlich-politischen Kontext der erweiterten Europäischen Union, ist eine schlüssige Folge nach den grundlegenden Transformationen der letzten zwei Jahrzehnte in Osteuropa. Die im Land vorherrschende Aufbruchstimmung steht im Einklang mit einem gewachsenen Selbstvertrauen der Polen, was sich u.a. auch in einer nach außen neuen Darstellung der eigenen Identität äußert. Allerdings scheint der Wahrnehmung dieses Wandels auf der deutschen Seite etwas Zwiespältiges anzuhaften. Der Beitritt Polens zur EU hat hierzulande in der Tat ein neues bzw. anderes Interesse für den östlichen Nachbarn geweckt: Polen - als ein Kooperationspartner in politisch ruhigen Zeiten, ein Partner, der einen ganz besonderen Wert darauf legt, in jeder Hinsicht als Gleichberechtigter behandelt zu werden. Das Gebot der Symmetrie in der Kommunikation ist zwar für alle Teilnehmer als Ideal erstrebenswert. Die Realität in der Geschäftskommunikation, vor allem im Wirtschaftsbereich, entspricht verständlicherweise diesem Denkbild noch nicht. Was die deutsch-polnische Kooperation betrifft, so können wir leider nicht sagen, daß die Beziehung so unbeschwert ist wie z.B. zu Portugal oder traditionell so gut funktioniert wie z.B. zu Ungarn. Die Tragödien des 20. Jahrhunderts haben das heutige Selbstverständnis der Deutschen und der Polen nachhaltig geprägt.
Der Beitrag beabsichtigt, das Verhaltnis zwischen Identitat und politischer Gehorsamkeit auszuloten. Zuerst wird die berühmte Er- munterung von De la Boétie interpretiert: Es reicht sich zu entscheiden, nicht mehr zu dienen, um sofort frei zu sein. Trotzdem verzichtet oft der Mensch auf seine Freiheit zugunsten der Gehorsamkeit zur Macht. Warum geschieht das? Was auf Grunde dieses Verzichts steht, ist ein "tierisches" Faktor: Alexandre Kojève hat gezeigt, dass in der Dialektik zwischen Herrn und Knecht der Erste das Tier in sich dominieren kann, wahrend der Knecht das Todesrisiko nicht annehmen kann und will. Letztendlich ist der Bezug zum Tod der Ort, in dem jeder fur sich selbst entscheiden kann, ob er durch die Aneignung der eigenen Sterblichkeit eine volle und eigentliche Identitat stiften wird.
To answer the questions "When and where did Aristaenetus live and write? Was Aristaenetus the author's real name?" we only dispose of the 50 fictitious letters that have come down to us under the name of Aristaenetus. As to the hints of the period of Aristaenetus' life and work, the mention of the pantomime Caramallus in letter 1,26, who originally was thought to be identic with the mime mentioned by Sidonius Apollinaris in a poem written in ca. 463 A.D. (Sidon., Carm. 23,268ff.), turns out to be a very unprecise cue: between 460 and 520 and maybe already before and after, there must have been at least two, maybe up to four or even more mimes named Caramallus, constituting an artists' dynasty as it was usual. Letter 1,19 indeed seems to be a proof for a late dating of the author, as O. Mazal observed, because its content presupposes the Lex de nuptiis enacted in 524 A.D. (Cod. Iust. 5,4,23). This view, though disapproved by J.-R. Vieillefond, is confirmed by a formula of betrothal used in this letter which occurs especially in Menander's comedies, where it always concerns the wedding of a free girl. But the context in letter 1,19 is the wedding of a hetaira, which does no longer correspond with the plot of the New Comedy and therefore supports Mazal's suggestion. The letters were probably written only in the first quarter of the 6th century A.D. As for the author's identity, the probability that his name was the same as the fictitious writer's name of the very first letter of the collection seems to be low. This is shown by two different argumentations pro (W.G. Arnott) and contra (G. Zanetto) Aristaenetus as the name of the real author: both argumentations do not convince. Arnott forgets that the name Aristaenetus not necessarily has to be a fictitious 'speaking' name – Aristaenetus was in use as a personal name especially in late antiquity – and that the author of the letters not necessarily has to watch every rule of fictitious epistolography. Zanetto shows that the author indeed did not watch these rules in every point – yet the author just varies the rules and does not really establish new ones. I do not believe, with J.U. Bracero, all the correspondents' names to be later additions, but the author's real name seems to be unknown to us and not to coincide with the writer of letter 1,1.
Auf der Grundlage einer quantitativen Studie bei 15- bis 21-jährigen Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland mit 950 Befragten untersucht der Artikel die Zusammenhänge zwischen der ethnischen Identität und der Bildungsbeteiligung. In einer explorativen Sekundäranalyse der Daten wird die ethnische Identität dabei als mehrdimensionales Konstrukt verstanden und als solches verwendet. Dadurch offenbart sich eine Gleichzeitigkeit von Orientierungen an Deutschland und/oder dem Herkunftsland mit unterschiedlichen Effekten auf die Bildungsbeteiligung, darunter auch positive Effekte einer eigen-ethnischen Orientierung. (DIPF/Orig.)
Regionale Identität ist eines der Schlüsselthemen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einer Region. Wie das Projekt Anstoß in der Niederlausitz zeigt, ist die vielfältige Beschäftigung mit regionaler Identität eine erfolgversprechende Strategie, um aktiv und gemeinsam mit vielen Akteuren Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Voraussetzung dafür ist, dass alle Aktivitäten und Projekte in der Lebenswirklichkeit vor Ort verankert sind und gleichzeitig Anregungen von außen erhalten. Sie müssen demokratisch ausgerichtet sein, Bildungsanreize setzen und positive Identitätsmerkmale betonen. (DIPF/Orig.)
Migration ist ein weltweit aktuelles und wichtiges Thema. Auch für die Rapanui, die am Rande des polynesischen Dreiecks mitten im Pazifik auf Rapa Nui, besser bekannt als die Osterinsel, leben. Basierend auf einer ethnografischen Feldforschung auf Rapa Nui untersucht diese Studie die Migrationserfahrungen der Rapanui und deren Auswirkungen auf ihre Identität. Besonders die Migration zu Bildungs- und Arbeitszwecken steht dabei im Fokus, genauso wie die Rückkehr auf die Insel. Junge Rapanui oder sogenannte Mestizos (wörtlich übersetzt Mischlinge, Mestizen), Kinder mit einem Rapanui und einem einer anderen Nationalität angehörigen Elternteil, wachsen im Kontext politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Wandels auf. Die Identität der Rapanui bewegt sich innerhalb dieser verschiedenen Kontexte. Besonders die kulturelle und ethnische Identität sowie die Sprache Rapanui spielen eine wichtige Rolle für ihre Identitätskonstruktionen und ihr Zugehörigkeitsgefühl. Es wird argumentiert, dass während der Migration und nach der Rückkehr auf die Insel Abgrenzungs- sowie Aushandlungsprozesse stattfinden und, dass Migrationserfahrungen die Identität der Rapanui beeinflussen und zu Identitätsverschiebungen oder -verstärkungen führen können, wobei individuelle und kontextuelle Umstände berücksichtigt werden müssen. ; Migration is a current and important topic worldwide. As well for the Rapanui who live on the edge of the Polynesian triangle in the middle of the Pacific on Rapa Nui, better known as Easter Island. Based on an ethnographic fieldwork on Rapa Nui, this study examines the migration experiences of Rapanui and their impact on their identity. In particular, the focus is lying on migration for education and work purposes as well as the return to the island. Young Rapanui or so-called mestizos (literally translated as person of mixed parentage, mestizos), children with a Rapanui and a parent of another nationality, grow up in the context of political, cultural and social change. The identity of Rapanui moves within these various contexts. Especially the cultural and ethnic identity as well as the language Rapanui play an important role for their identity constructions and sense of belonging. It is argued that demarcation and negotiation processes take place during migration and after returning to the island, and that migration experiences can affect the identity of the Rapanui and can lead to identity shifts or reinforcements whereupon individual and contextual circumstances have to be taken into account. ; peerReviewed
Inhalt: - I. Identität und Diskurs - II. Islam und Menschenrechte - 1. Struktur des Menschenrechtsdiskurses - 2. Ansätze des Menschenrechtsdiskurses - a. Fremdheit von Menschenrechten - b. Aneignung von Menschenrechten - c. Angleichungsversuche - i. Textueller Ansatz - ii. Evolutionärer Ansatz - iii. Intentioneller Ansatz - iv. Hermeneutischer Ansatz - v. Pragmatischer Ansatz - 3. Resultate des islamischen Menschenrechtsdiskurses - III. Fazit