"Anhand einiger ausgewählter Phänomene (Krankheitsvorstellungen, Seelenvorstellungen, Ethnotherapie, Ethnoästhetik der Federkunst, Traum) werden verschiedene indigene Psychologien in dem multiethnischen Brasilien vorgestellt. Dabei wird ihre große Bedeutung für das Gesundheits-, Sozial- und Kultur-System hervorgehoben. Der Autor plädiert für eine zukünftige 'Weltpsychologie', in der die indigenen Psychologien, die 'westliche' Psychologie und die Psychologie in der sog. Dritten Welt in einen fruchtbaren Dialog eintreten können." (Autorenreferat)
Der Druck auf die indigenen Völker Lateinamerikas steigt bis hin zur Existenzbedrohung. Die linkspopulistische Regierung Mexikos setzt sich ebenso wenig für die Interessen der Indigenen ein wie die konservative Übergangsregierung in Bolivien. Brasiliens rechtsradikaler Präsident betreibt gar eine offene Assimilierungspolitik. Als neue Bedrohung kommt nun das Coronavirus hinzu, auf das die isoliert lebenden Völker immunologisch nicht vorbereitet sind. Der eingeschränkte Zugang zu Gesundheitsdiensten und fehlende Intensivbetreuungskapazitäten erweisen sich während der Coronakrise in schwer zugänglichen Indigenengebieten als verhängnisvoll. Indigenenverbände befürchten, dass COVID-19 zur Ausrottung einiger indigener Völker führen kann. Lateinamerikas indigene Völker sind eine bevorzugte Zielscheibe schwerer Menschenrechtsverletzungen. In Brasilien wurden allein in den letzten zwei Jahren mindestens 163 Indigene im Kontext von Landkonflikten getötet. In Bolivien erschoss das Militär bei Antiregierungsprotesten 36 überwiegend indigene Unterstützer des Ex-Präsidenten Evo Morales. Und im mexikanischen Chiapas leben derzeit etwa 5.000 überwiegend indigene Vertriebene in improvisierten Camps. Zwar bezeichnen sich Mexiko und Bolivien in ihren Verfassungen als plurikulturelle Nation bzw. als plurinationaler Staat. Doch in der Realität werden indigene Rechte zunehmend ausgehöhlt, um den Ausbau von Infrastruktur, Landwirtschaft und Rohstoffabbau in indigenen Gebieten voranzutreiben. Besonders perfide zeigt sich dabei Brasiliens Präsident Bolsonaro, indem er die Indigenenschutzbehörde unter die Leitung eines Agrarlobbyisten stellt. Die Bundesregierung und die Europäische Union sollten es trotz der Fokussierung auf das eigene Coronavirus-Management nicht versäumen, auf die besorgniserregende Lage der indigenen Völker zu reagieren. Um ein Massensterben durch COVID-19 abzuwenden, müsste die WHO umgehend den Transport medizinischen Personals und Behandlungsinfrastruktur in die teils schwer zugänglichen Gebiete koordinieren.
"Landansprüche indigener Minderheiten sind in weiten Teilen der Welt eine brennende politische Angelegenheit. Diese Ansprüche sind oft heftig umstritten, sei es auf politischer, rechtlicher oder theoretischen Ebene. In diesem Essay diskutiere ich die Position Jeremy Waldrons, die theoretische Vorbehalte gegenüber indigenen Land- und Reparationsansprüchen geltend macht. Waldron scheint die Position zu vertreten, dass Indigenität bezüglich Land- oder Reparationsanprüchen keinen moralisch relevanten Faktor darstellt. In Abgrenzung zu dieser Position schlage ich ein alternatives Verständnis indigener Landansprüche vor, das die Idee der Selbstbestimmung ins Zentrum rückt. Ich schlage auch vor, dass Selbstbestimmung auf verschiedene Weisen begriffen und verwirklicht werden kann: entweder in Form politischer Autonomie und Souveränität, oder aber als die Geltendmachung vor-politischer Eigentumsrechte." (Autorenreferat)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 5274-5286
"Australische Aborigines waren und sind Meister in der Verknüpfung von Sozial- und Dingwelt. Die Besonderheiten dieser Verknüpfung werden gerade bei der Einführung neuer Objekte (Autos u.ä.) besonders deutlich, zeigen aber auch, dass die flexiblen Grenzziehungen wie die facettenreichen Vermittlungsbestrebungen zwischen den beiden Welten weniger auf einem opaken metaphysischen bzw. 'totemistischen' Weltbild fußen, sondern Ausdruck kulturspezifischer Eigentums-, Identifikations- und Kommunikationsstrategien sind." (Autorenreferat)
"Die Grassroots-Bewegung "Idle No More", von indigenen Frauen gegründet und getragen, identifiziert sich weder als Frauen- noch als Indigenenorganisation. Mit basisdemokratischer und intersektionaler Bündnisarbeit schafft sie es, breite Unterstützung für ihre Hauptanliegen - Schutz der Umwelt und Vertragsrechte indigener Nationen - zu generieren und gleichzeitig die zugrundeliegenden kolonialen und sexistischen Strukturen zu thematisieren. Die Autorin argumentiert, dass der Erfolg der Organisation auch in einer Kontextanalyse begründet liegt, die aufklärt, ohne anzuklagen und damit anschlussfähig ist für eine breite Bündnisarbeit." (Autorenreferat)
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Die Klimakrise trifft nicht alle gleich, ganz im Gegenteil. Sie unterscheidet nach race, Gender, geografischem Standort, soziökonomischem Hintergrund, Alter, körperlicher Einschränkung und vielen anderen Kategorien. Am Beispiel von Black, Indigenous und Women of Color (BIWoC) zeigt dieser Beitrag auf, dass einerseits eine besondere Betroffenheit marginalisierter Gruppen in Bezug auf die Klimakrise besteht und andererseits es genau BIWoC sind die nicht nur führende Rollen in der Klimabewegung einnehmen, sondern von deren spezialisiertem Wissen, basierend auf ihrer intersektionalen Unterdrückung, ihrem (Überlebens-)Kampf und ihrer Art Wissen zu produzieren und weiterzugeben, die Klimabewegung auf ungeahnte Weise lernen kann. Anders als häufig angenommen, ist die Klimabewegung im weiten Sinne nicht "zu weiß", sondern es sind tatsächlich Black, Indigenous und People of Color, die diese Bewegung seit Jahrzehnten prägen. Es wird Zeit, dass sie die Anerkennung und Wertschätzung erhalten, die ihnen gebührt. Auf eine kurze Analyse der Ursprünge intersektionalen Feminismus in Schwarzen Feminismen und den Kämpfen Schwarzer Frauen folgen in diesem Beitrag theorie-basierte und durch Interviews mit BIWoC Klimaaktivistinnen gewonnene intersektional-feministische Guidelines für die Klimabewegung. Sie sind ein Angebot, um der Klimabewegung zu einer Vision zu verhelfen, in ihrem Protest die Verwobenheit und gegenseitige Bedingung globaler Herausforderungen zu berücksichtigen; anzuerkennen, dass diese unterschiedlichen Auswirkungen für marginalisierte Menschen haben und den Schutz von Menschen sowie der Umwelt gleichermaßen in den Vordergrund zu rücken. Um der Klimakrise die Stirn zu bieten, bedarf es einer radikalen Systemveränderung, Klimagerechtigkeit bildet die anzuwendende Strategie und Intersektionaler Feminismus liefert die Perspektive zur Umsetzung.
"Seit den späten 1990er-Jahren widmet sich eine wachsende Zahl chinesischer Wissenschaftler der Sinisierung des Faches Psychologie respektive der Indigenen Psychologie in China. Seither sind in Abgrenzung sowohl zur amerikanischen akademischen Psychologie als auch zur taiwanesischen Indigenen Psychologie (本土心理学 bentu xinlixue) unterschiedliche Forschungsansätze sowie eine eigene Terminologie entstanden. Der folgende Artikel stellt eine erste Bestandsaufnahme des Themas Indigene Psychologie in China dar." (Autorenreferat)
'Die Demokratie in Bolivien und Ecuador befindet sich in der Krise. Diese politischen Destabilisierungsprozesse werden häufig als schlichte Folge der wirtschaftlichen Krisensituation interpretiert, die die Region seit Ende der 1990er Jahre erneut ergriffen hat. Die Krise der Politik, so argumentiert der Autor, geht allerdings deutlich tiefer: Sie spiegelt eine wesentliche Verschiebung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse, die eine labile Herrschaftsordnung treffen, deren relative Stabilität auf der Kombination einer begrenzten demokratischen Legitimation mit der faktischen Marginalisierung breiter Teile der Gesellschaft basierte. Bedeutendster Bestandteil dieser Veränderungen ist der Aufstieg indigener Bewegungen zu nicht mehr hintergehbaren politischen Akteuren. Die indigenen Bewegungen in Bolivien und Ecuador spielen eine widersprüchlich anmutende Doppelrolle: Gerade weil sie als Motor einer fortgesetzten Demokratisierung fungieren, werden sie zugleich zu einem Faktor der Destabilisierung. Denn es war gerade eine systematische Begrenzung ('Entsubstanzialisierung') der Demokratie, die in beiden Ländern die Transition zu überlebensfähigen Minimal-Demokratie möglich gemacht hatte. Diese Konstellation bringt die 'etablierten Demokratien' des Nordens in eine schwierige Situation. Zwar haben sie sich die weltweite Förderung der Demokratie auf die Fahnen geschrieben. Mit dieser verfolgen sie jedoch vielfältige Ziele, darunter vor allem Kontinuität, Stabilität sowie außen- und wirtschaftspolitische Kooperativität. Indem die indigenen Bewegungen im Namen und mit den Mitteln der Demokratie gegen die herrschende Ordnung auftreten, stellen sie nun aber auch genuine wirtschafts- und außenpolitische Interessen der Geber selbst in Frage. Hier wird sich erweisen, wie ernst es den Gebern mit den eigenen normativen Ansprüchen wirklich ist.' (Autorenreferat)