Dezentrale Politikkoordination im internationalen System: Ursachen, Mechanismen und Wirkungen der internationalen Diffusion politischer Innovationen
In: Politische Vierteljahresschrift: PVS : German political science quarterly, Heft 38, S. 56-84
ISSN: 0032-3470
"Politikdiffusion ist ein Prozess, in dessen Verlauf Informationen über innovative Politiken im internationalen System kommuniziert werden und diese Politiken von einer zunehmenden Zahl von Ländern freiwillig und unilateral, d.h. ohne externen Zwang oder kollektiven Beschluss, übernommen werden. In der Regel führen Diffusionsprozesse zu einer Angleichung nationaler Politiken. Aus einer Governance-Perspektive kann daher argumentiert werden, dass Politikdiffusion einen eigenständigen Modus der internationalen Politikkoordination darstellt. Anders als bei den 'klassischen' Koordinationsformen 'Hierarchie' und 'Verhandlung' resultiert die Koordinationsleistung bei Diffusionsprozessen allerdings nicht aus der gemeinsamen Aushandlung und Umsetzung eines Politikziels, sondern entsteht aus der dezentralen und wechselseitigen Orientierung formal unabhängig agierender Staaten an den Entscheidungen des jeweils anderen. Vor diesem Hintergrund untersucht der Beitrag die Bedeutung, Funktionsweise und die Potentiale von Politikdiffusion als Modus der internationalen Politikkoordination. In einem ersten Schritt wird das Konzept der Politikdiffusion definiert und unterschiedliche, teilweise auch widersprüchliche Begriffsverwendungen aufgezeigt. Im zweiten Schritt wird das Koordinationspotential von Diffusionsprozessen anhand empirischer Daten untersucht. Dabei zeigt sich, dass Politikdiffusion einen eigenständigen internationalen Koordinations- und Steuerungsmodus darstellen kann, dessen Ergebnisse nicht notwendigerweise hinter denen kooperativer Beschlussfassung in internationalen Institutionen zurückbleiben. Ob, unter welchen Bedingungen und von wem Diffusionsprozesse im Sinne einer bewussten und zielgerichteten Politiksteuerung ('governance by diffusion') genutzt werden können, ist Gegenstand der letzten beiden Abschnitte." (Autorenreferat)