Unter Südländern: zur Geschichte der Orientalistik und Judaistik in Deutschland
In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft: ZfG, Band 58, Heft 7/8, S. 639-652
ISSN: 0044-2828
Das Angebot einer individuellen bürgerlichen Gleichberechtigung der Juden im Zuge der Emanzipation ging einher mit der Forderung nach ihrer Assimilierung in die christlich-deutsche Mehrheitsgesellschaft. Juden wurden in diesem Zusammenhang nicht einfach als die orientalischen Anderen innerhalb der deutschen Gesellschaft dargestellt. Darüber hinaus symbolisierten sie einen im Rahmen des ethnischen deutschen Nationalismus unmöglichen "dritten Ort", eine zwischen den Kulturen angesiedelte, Grenzen und Klassifikationen auflösende und daher bedrohliche Kategorie. So galten Juden in den Augen der Mehrheit der Deutschen als degeneriert, weder als authentische Erben des antiken Orients noch als gleichberechtigte Teilhaber an der europäischen Moderne. Ihre vollständige Assimilierung in die christlich-deutsche Mehrheitsgesellschaft wurde zwar eingefordert, im gleichen Atemzug jedoch für unmöglich erklärt. Der moderne deutsche Antisemitismus kann vor diesem Hintergrund zugleich als Versuch einer De-Orientalisierung der imaginierten deutschen Nation betrachtet werden. (ICF2)