Asymmetrische Kriege bilden die größte sicherheitspolitische Herausforderung unserer Zeit. Doch was ist ein asymmetrischer Krieg und wodurch unterscheidet er sich von konventionellen Staatenkriegen? Wie kann er geführt, wie verhindert werden? Felix Wassermann sichtet die jüngere politikwissenschaftliche Asymmetrie-Diskussion und bringt Klarheit in die unübersichtliche Sicherheitslage nach dem Ende des Kalten Krieges. Unter ideengeschichtlichem Rückgriff auf Metaphern und Theorien der Asymmetrie rekonstruiert der Autor den Asymmetrie-Diskurs vom Scheitern der USA im Vietnamkrieg über die Terroranschläge vom 11. September 2001 bis zu den globalen, transnationalen Risiken des 21. Jahrhunderts.
Wenn es um Afghanistan oder den Irak geht, ist oft die Rede von den "neuen Kriegen". Asymmetrische Kriege zwischen Aufständischen und regulären Streitkräften gibt es jedoch seit der Antike, lange bevor der Begriff "Guerilla" geprägt wurde. Beatrice Heuser schildert diese Geschichte sachkundig und frei von Romantisierungen. Die Autorin zeigt, dass solche "kleinen" Kriege alten Mustern folgen und oft Teil "großer" Kriege sind. Sie erklärt, wie die Strategen beider Seiten der schwächeren und der stärkeren Partei empfohlen haben, asymmetrische Konflikte auszufechten. Die Leser erfahren, welche Rolle die Zivilbevölkerung in diesen Überlegungen spielt, welche Mittel angewandt wurden und ob sie erfolgreich waren. Aber auch die moralischen Dilemmata, die sich in solchen Einsätzen stellen, werden diskutiert. "Der asymmetrische Krieg wird zu den Bedingungen des Schwächeren geführt: Der Stärkere kann nicht gewinnen, wenn sich die konventionellen Truppen auf den Kleinkrieg nicht einstellen, wenn sie nicht bereit sind, Furcht und Schrecken zu verbreiten und Terror mit Terror zu vergelten. Es dürfte kein Zufall sein, dass die meisten Genozide des zwanzigsten Jahrhunderts aus kleinen Kriegen erwuchsen. Sobald die Kombattanten den Entschluss gefasst haben, die Lebensgrundlagen des Gegners zu zerstören, überschreiten sie die Schwelle zum Vernichtungskrieg. Die Versuchung ist groß, den Krieg durch endgültige Lösungen zu beenden. Wer solche Lösungen nicht will, sollte sich nicht leichtfertig in militärische Auseinandersetzungen begeben, die nur durch gnadenlosen Terror entschieden werden können. Nicht auf die Beschwörung des Weltfriedens kommt es also an, sondern auf die nüchterne Analyse des Kriegsgeschehens. Für diese nüchterne Analyse der Wirklichkeit müssen wir Beatrice Heuser dankbar sein" (FAZ)
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Nicht quantitative Gleichheit, sondern qualitative Gleichartigkeit der Streitkräfte ist das entscheidende Merkmal symmetrischer Kriege. Dementsprechend bildet die qualitative Ungleichartigkeit der Konfliktparteien das Definitionskriterium asymmetrischer Kriege. Die Frage, ob Kriege wesentlich symmetrisch oder asymmetrisch sind, ist also kein Problem der Quantität der verfügbaren Kräfte, sondern eines ihrer Qualität. Mit den politischen Rahmenbedingungen eines Großraums können Staatensysteme, imperiale Strukturen oder auch der Zerfall von Staatlichkeit in großen Regionen gemeint sein. In einem Staatensystem herrscht ein Zwang zur Symmetrie, insofern die gesamte Ordnung auf Gleichartigkeit und reziproke Anerkennung der Akteure abgestellt ist. Nach diesen Vorgaben sind auch die Rechtsstrukturen fixiert. Wer sich unter diesen Bedingungen für asymmetrische Kriegführung entscheidet, scheidet aus der Ordnung der Staatlichkeit aus und verliert die Anerkennung der anderen Staaten. Ganz anders stellt sich dies in den Konstellationen einer imperialen Ordnung dar. Beide Seiten, das Imperium und seine Gegner, neigen dazu, die Kriegsziele sowie die Art der Kriegsführung als 'gerechten Krieg' zu begreifen und die jeweilige Gegenseite moralisch sowie rechtlich zu diskriminieren. Der Autor zeigt, dass Asymmetrien kriegsgeschichtlich kein neues Phänomen darstellen. In der Konfrontation von David und Goliath ist deren mediale Repräsentation immer eine Parteinahme für David. Kriege beginnen inzwischen häufig damit, dass beide Seiten mit den Mitteln medialer Inszenierung versuchen, in die David-Position zu kommen. Wer die David-Position innehat, hat damit mehr gewonnen als nur die Sympathie der Weltöffentlichkeit; er besitzt damit auch eine Quasi-Legitimation, mit den Kampfhandlungen zu beginnen. Bekanntlich hatte David gegen Goliath nur darum eine Chance, weil er als erster attackierte. Wer sich als David zu inszenieren versteht, braucht keine weitere Legitimation für Präventivschläge. Da dies aber nur mit Hilfe der Medien möglich ist, haben Medien, zumindest partiell, Waffenqualität bekommen. Sie sind eine zentrale Ressource asymmetrischer Kriegführung, und dieser Entwicklung ist nicht länger mit der inzwischen hinreichend abgedroschenen Bemerkung beizukommen, die Wahrheit sei das erste Opfer des Krieges. Der europäische "Sonderweg" symmetrischer Kriegführung scheint an sein Ende gekommen zu sein. Das 21. Jahrhundert dürfte, wenn man die Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte zu Grunde legt, eine Epoche asymmetrischer Kriege werden. Die waffentechnische und militärtechnologische Entwicklung, wie sie vor allem von den USA unter dem politischen Imperativ zur Vermeidung eigener Verluste in den letzten beiden Jahrzehnten vorangetrieben worden ist, hat dazu geführt, dass heute keine andere Macht den USA in einem nichtnuklearen Krieg militärisch gewachsen ist. Was den tatsächlichen wie potenziellen Gegnern der USA unter diesen Umständen allein offen steht, ist die Gegenstrategie einer weiteren Asymmetrierung, die von der Guerilla bis zum Terrorismus reicht. Auf eine wachsende Asymmetrie der militärischen Fähigkeiten durch die Entwicklung von Waffensystemen reagieren sie mit Strategien der Asymmetrierung, die darauf abzielen, die überlegene Stärke des Gegners in eine Schwäche zu verwandeln. Der Krieg selbst hat durch das Schwinden symmetrischer Konfrontationsstrukturen an Intensität verloren, aber dieser Intensitätsverlust ist im Gefolge der Asymmetrierung durch seine Ausweitung in der Zeit ausgeglichen worden. Symmetrische Konfrontationen schlossen nicht nur die Möglichkeit eines dauerhaften Friedens auf der Basis rationalen Interessenausgleichs ein, sondern auf ihnen begründeten sich auch sämtliche Perspektiven der Kriegsprävention innerhalb einer globalen Friedensordnung. Das gilt für asymmetrische Konfliktkonstellationen gerade nicht: Auf Grund fehlender Reziprozität ist die Chance des Interessenausgleichs in ihnen sehr beschränkt, gegenseitige Anerkennung wird von den einen als Sieg, von den anderen als Niederlage wahrgenommen, und so erwächst die Bedrohlichkeit asymmetrischer Kriege weniger aus ihrer Intensität als aus den fehlenden Mechanismen zu ihrer Beendigung. (ICG)
Die Autoren beginnen ihre Ausführung mit einer Diskussion über die theoretischen Grundsätze. Sie gehen davon aus, dass der Krieg seinem Wesen nach asymmetrisch sei. Als ein weiteres Merkmal des Krieges betrachten sie seine Dynamik. Als Fallbeispiele werden der Afghanistankrieg (1979-1989), der erste Tschetschenienkrieg (1994-1996) und der dritte Golfkrieg (2003) dargestellt. Diese Fallbeispiele werden mit Hilfe der folgender Instrumente analysiert: allgemeine Asymmetrie, Informationsdominanz, Dezentralisation. Weiterführende Analysen müssen jedoch empirisch durchgeführt werden. Ein Mittel dazu ist die Simulationstechnik, die die Autoren präsentieren. Die Anwendung dieses Mittels zeigt, dass mithilfe eines Faktors die zwei anderen kompensiert werden können und es somit der schwächeren Partei gelingen kann, eine Kriegslage zu den eigenen Gunsten zu re-asymmetrisieren. Dabei strebt die überlegende Macht danach, mit entsprechenden Mitteln eine versuchte Re-asymmetrisierung der schwächeren Partei zu verhindern. Maßgebend dabei ist nicht die Quantität im Sinne des Gewaltpotentials, sondern die Qualität, d.h. der gewählte strategische Ansatz. (ICG)
Kriege und Gewalt machen einen guten Teil der Geschichte des modernen Lateinamerika aus. Um 1990 brannte Lateinamerikas revolutionärer Zyklus aus. Die Vorstellung von Lateinamerika als Kontinent des Friedens schien Gestalt anzunehmen. Zwei Entwicklungen im Laufe der 1990er-Jahre durchkreuzten allerdings solche Annahmen. Die erste begann diffus und lässt auch heute noch keine klaren Konturen erkennen. Aber sie wird, so der Autor, Lateinamerikas zukünftiges Profil mitbestimmen. Die Rede ist hier vom Ende der indianischen Verweigerung, die um 1992, 500 Jahre nach der Entdeckung Amerikas, einen mächtigen Innovationsschub erhielt. Amerikas Indianer, 500 Jahre lang in schweigender Resistenz verharrend, begannen ihre Stimme zu erheben und politische Forderungen anzumelden. 1994, mit Beginn des Aufstands der Zapatistas im mexikanischen Chiapas, erreichten sie die Weltöffentlichkeit. Guatemala, Ecuador und insbesondere auch Chile bilden weitere Schwerpunkte in dieser Entwicklung. Es handelt sich dabei allerdings nicht um einen potenziellen asymmetrischen Konflikt, denn die amerikanischen Indianer wollen - entgegen der klassischen Guerilla - nicht mehr kämpfend die Macht erobern und triumphal in der Hauptstadt einmarschieren, sondern Autonomieräume reklamieren, schädlichen Infrastrukturmodernisierungen widerstehen und über Verfassungsänderungen echte multikulturelle Gesellschaften erzwingen. Kolumbien verkörpert den zweiten dieser Entwicklungsstränge. Dieser "interne Krieg" mit einer Vielzahl an Gewalt-Akteuren schwappt bereits über die Grenzen zu den Nachbarn, verunsichert die gesamte Region und involviert die USA als zusätzlichen Akteur. Was Kolumbien verwüstet, ist nicht etwa ein konventioneller Krieg oder ein althergebrachter Bürgerkrieg mit eindeutigen Fronten, sondern ein System von "micro-guerras". In den Städten drängen sich an die zwei Millionen "desplazados", Euphemismus für die Flüchtlinge aus dem ländlichen Raum, die den grausamen Kämpfen entrinnen wollen; zumindest eine Million Bürger hat in den letzten drei Jahren das Weite gesucht. 1991, als Kolumbiens neue Verfassung, erarbeitet nicht nur von Parteienvertretern, sondern auch von zahlreichen Vertretern der Zivilgesellschaft, Indianer eingeschlossen, im großen Konsens ausreifte, setzte das Land zu einem eigenen Qualitätssprung an. Guerilla-Gewalt und violencia schienen damals auszutrocknen. Jedoch heute, zwölf Jahre später, kontrollieren verschiedene Guerilla-Bewegungen weite Teile des Hinterlandes und beginnen die großen Städte einzukreisen. Einige Konfliktelemente verweisen auf die Münkler-These vom "neuen Krieg". Speziell kolumbianisch ist, dass der laut Theorie einzige Macht- und Kriegsmonopolist Staat nicht nur gegen einen einzigen Herausforderer kämpfen muss, sondern dass er mit einer Vielzahl von parastaatlichen und privaten Akteuren, die alle vom Krieg leben und daher nicht notwendigerweise den Frieden suchen, koexistieren muss. Das macht den kolumbianischen Fall so schwierig. Rein intern ist dieser Konflikt wohl auch nicht mehr lösbar. Deswegen kommt externen Akteuren eine immer wichtigere Rolle zu. Nicht alle wollen sich engagieren. Die Südamerikaner, obschon als unmittelbare Nachbarn von der Transnationalisierung des kolumbianischen Konflikts längst betroffen, schauten bis jetzt weg. In der Partnerschaft mit den USA - die übrigens wegen des Irak-Syndroms neuerdings nicht mehr bedingungslos das kolumbianische Engagement aufrecht halten wollen - drohen autoritäre Kräfte zu erstarken. Wenn damit der Frieden erzwungen werden soll, stehen Kolumbien noch härtere Prüfungen bevor. Der Autor schließt mit dem hoffnungsvollen Satz: "Vielleicht erhält Kolumbien doch noch eine zweite Chance in seiner Geschichte". (ICG)