Kulturtheorien reflektieren Definitionen und Funktionen von Kultur. Sie sind unerlässlicher Bestandteil akademischer Lehre in vielen verschiedenen Disziplinen. Bisher gibt es keine Sammlung mit Grundlagentexten, die Lehrenden und Studierenden als Handbuch dienen kann. Diese Lücke schließt der kompakte Reader mit 15 kanonischen Texten aus dem 20. Jahrhundert. "Kulturtheorie" bietet eine handliche Einführung in die wichtigsten Standpunkte der kulturtheoretischen Reflexion.
Der Beitrag gibt einen Überblick über das Spektrum kulturtheoretischer Ansätze in der Medien- und Kommunikationswissenschaft. Dabei liegt der Schwerpunkt bei den sogenannten "Cultural Studies" als der bekanntesten Kulturtheorie. Die Textstruktur folgt der vorgegebenen Gliederung für die einzelnen Lehrbucheinträge: 1. kurze Geschichte der jeweiligen Theorie-Traditionen. Die Cultural Studies entstanden in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts im "Fahrwasser" der "new left" in Großbritannien (R. Williams, R. Hoggart, E.P. Thompson) und definierten ein theoretisches Verständnis von Kultur als "a whole way of life". Im Anschluß an Arbeiten von J. Fiske und L. Grossberg erfolgte eine Amerikanisierung der Cultural Studies (R. Horak). Im deutschsprachigen Raum fand der Ansatz Verwendung in der Verknüpfung von Massenmedien und Populärkultur (A. Happ, U. Göttlich, L. Mikos, R. Winter). 2. Grundbegriffe, Konzepte und Modelle (Kontext, Bedeutung, Text, Lesen, Kultur als breites Konzept, Denken in Kontextualität, Zusammenspiel von Kultur und Macht, Kultur als Institution, Betonung der Subjektivität, politische und praktische Relevanz). 3. Anwendung in der Medienwissenschaft (Encoding/ Decoding-Modell, Konzept des Codes, Konzept der Vorzugsbedingungen). 4. Kritik und Weiterentwicklung der Theorien. Cultural Studies verstehen sich nicht als Rahmen für eine Methodologie der Medienanalyse. Ihr Ziel ist es, "an einer nicht endenden, offenen und politisch orientierten Debatte teilzunehmen", die auf eine kritische Analyse der jeweils gegenwärtigen kulturellen Rahmenbedingungen, von denen die Medien ein wichtiger Teil sind, abzielt. (RG)
Erst durch eine auch kulturtheoretische Fundierung wird die Kommunikations- und Medienwissenschaft in den Stand gesetzt, Medienkommunikation in ihren soziokulturellen Kontexten und in ihrem sozialen Wandel angemessen zu erfassen. Der Verfasser betrachtet das Verhältnis von Kultur und Kommunikation daher aus theoretischer Perspektive. Aus kulturtheoretischer Perspektive wird die Konnektivität von Medienkommunikation diskutiert und dadurch die Möglichkeit eröffnet, Medienkulturen als translokale Phänomene zu betrachten. Auf der Basis jüngerer Kulturtheorie wird Medienkultur über die Artikulationsebenen Produktion, Reproduktion, Aneignung, Identifikation und Regulation in ihrer durch die Globalisierung geprägter Gesamtheit fassbar. Der Nutzen eines solchen Ansatzes für die Kommunikations- und Medienwissenschaft wird abschließend unter den Aspekten "theoretisierende Ausrichtung" und "analytische Offenheit" diskutiert. (ICE2)
Das vorliegende Referat hielt Prof. Dr. Walter Leimgruber, Ordinarius und Leiter des Seminars für Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie an der Universität Basel, anlässlich der Vorstandssitzung der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) vom 18. Februar 2011. Dieses 23. Heft der Akademievorträge thematisiert Kongruenzen und Divergenzen zwischen den Kulturtheorien der Wissenschaft und den Kulturtheorien der Gesellschaft und Politik sowie deren gegenseitige Beeinflussung. Anhand zentraler Konzepte kulturanthropologischen Denkens wie Kultur, Ethnie oder Identität analysiert Walter Leimgruber die Pendelbewegungen zwischen Konstruktionen, Dekonstruktionen und Rekonstruktionen in den Kulturtheorien. Dabei postuliert er, dass es nach einer durchaus sinnvollen und wichtigen Phase vielfältiger Dekonstruktionen an der Zeit sei, wiederum Theorien zu entwerfen, welche die kulturellen Strukturen und Prozesse der Gegenwart in ihrer ganzen Komplexität zu erklären versuchten. ; Cite as: Leimgruber, Walter (2014): Kultur und Kulturtheorien: Zwischen De- und Rekonstruktionen (Akademievortrag 23 / Swiss Academies Communications 9, 3). Zenodo. http://doi.org/10.5281/zenodo.891261