Die liberale Ordnung westlicher Demokratien hangelt sich von Krise zu Krise. Das politische Versprechen subjektiver Freiheit und demokratischer Selbstbestimmung verkehrt sich zunehmend in sein Gegenteil, in die Kontrolle der Subjekte und eine politische Ohnmacht gegenüber dem Bestehenden. Im Anschluss an Hegel und Marx untersucht Leonie Hunter die tragische Struktur dieser Verkehrung, indem sie die Überwindung der politischen Krisenhaftigkeit unserer Zeit als Aufgabe einer komischen Kritik liberaler Ordnungsbildung ausweist. Denn die Kritik am gegenwärtigen Scheitern des politischen Liberalismus darf nicht dem autoritären Libertarismus überlassen werden. https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
Der Aufsatz zeigt, daß die Haltung der britischen Gewerkschaften gegenüber dem Staat nicht von Sozialismus und Klassenkampf bestimmt ist, sondern vom Festhalten am Prinzip des "voluntarism". Dieses Prinzip - dessen Sinngehalt kaum übersetzbar ist - enthält die Momente des Liberalismus und des Systems freier Kollektivverhandlungen und damit die Ablehnung starker rechtlicher Eingriffe in die industriellen Beziehungen. Und der gewerkschaftliche Widerstand gegen den 'Industrial Relations Act' hat gezeigt, daß der "voluntarism" seine historische Wirksamkeit bisher nicht eingebüßt hat. (UH)
Gesellschaftliche Krisen finden auch in theoretischen Debatten ihren Ausdruck, wie im vorliegenden Beitrag am Beispiel des Liberalismus und des Kommunitarismus dargelegt wird. Die Konzeption des Kommunitarismus entstand Anfang der 80er Jahre in der Kontroverse zwischen amerikanischen Sozial- und Rechtsphilosophen, wie verbindliche Maßstäbe für "Gerechtigkeit" in einer modernen differenzierten Gesellschaft gesetzt bzw. gefunden werden können. Die Vertreter des Liberalismus wollen dies durch formale Verfahren und Fairneßregeln gewährleistet sehen, die gleichsam aufgrund eines Vertrages zwischen Individuen zustande kommen, die nur von ihrem zweckrationalen Kalkül geleitet sind, wie sie ihre Interessen optimal verwirklichen können. Die Kommunitaristen dagegen betonen, daß nur durch den Bezug auf gemeinschaftlich geteilte Werte die Frage nach der gerechten Ordnung einer Gesellschaft sinnvoll entschieden und deren moralische Ansprüche gegenüber dem einzelnen Bürger sinnvoll begründet werden können. Diese sozialphilosophische Diskussion wird von den Autoren in antithetischer Form nachgezeichnet, um so einige Bezüge zu realen Problemen der demokratischen Industriegesellschaften der Gegenwart herausarbeiten zu können. (psz)
Im englischsprachigen Raum längst ein Klassiker der politischen Philosophie und ein Schlüsseltext der Liberalismustheorie, ist Judith Shklars ›Liberalismus der Furcht‹ der Entwurf einer Theorie des Liberalismus, dessen oberstes Prinzip die Vermeidung von Grausamkeit und die Minimierung von Furcht ist.
In der "postfaktischen" Gegenwart scheint es kaum einen liberalen Wert zu geben, der sich nicht Zweifeln ausgesetzt sähe. Insbesondere die zwei großen Herausforderungen der Gegenwartsdemokratie – der Neoliberalismus und der Populismus – zwingen das Versprechen politischer Partizipation in Freiheit und Gleichheit sowie das Ideal sozialer Integration aufgeklärter Gesellschaften in eine Krise. Dagegen florieren alternative Politikauffassungen, wie Debatten um Postdemokratie, radikale Demokratie oder Republikanismus zeigen. Angesichts dessen erneuern Expertinnen und Experten in diesem Band die klassischen Fragen des Liberalismus: Was ist Liberalismus, was sollte er mindestens sein, und wie kann er Gefährdungen begegnen, ohne seine Liberalität zu opfern. Errungenschaften und Klassiker des Liberalismus werden dafür aktualisiert. Grundwerte wie Religionsfreiheit und Geschlechtergleichheit werden verhandelt und fundamentale Konzepte wie Markt, Legitimität und Verfassung auf ihre Liberalitätsgehalte hin befragt. Mit Beiträgen von Thomas Biebricher, Harald Bluhm, Hauke Brunkhorst, Andreas Cassee, Julian Culp, Jens Hacke, Matthias Hansl, Lisa Herzog, Karsten Fischer, Sebastian Huhnholz, Cornelia Klinger, Michael Schefczyk, Thomas M. Schmidt, Tatjana Schönwälder-Kuntze, Reinhard Schulze, Astrid Séville, Hans Vorländer
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"Die Grundrechte des deutschen Volkes von 1848 waren im wesentlichen ein Werk des gemäßigten Liberalismus. Damit wurde der Anschluß Deutschlands an die westliche Verfassungsentwicklung vollzogen. - Mit der Rezeption der Menschen- und Bürgerrechte nach 1789 war in Deutschland jedoch nicht auch die politische Haltung des Westens übernommen worden: so hat der zum Kompromiß mit den alten Mächten bereite, auf dem Boden der konstitutionellen Monarchie stehende gemäßigte Liberalismus nicht oder nur schwer von den Fesseln der Tradition lösen können. Die von der deutschen Staats- und Naturrechtslehre des 17. und 18. Jahrhunderts vermittelte Vorstellung von der Vorrangigkeit der Staatsverfassung, hinter der die individuellen Freiheitsrechte zurücktraten, das im Vordergrund stehende Pflichtethos, das die Bindungen in mitmenschlicher Gemeinschaft und Staatsverband akzentuierte, und die Sicht des Staates als rechtsbewahrendem Rechtsstaat erwiesen sich als Hemmschuh gegenüber der Rezeption der westlichen Staatsauffassung, in der Widerstandslehre, Volkssouveränität und unveräußerliche Freiheitsrechte einen übergeordneten Platz einnahmen. Der von der traditionellen Werthaltung geprägte gemäßigte Liberalismus vermochte es nicht, dem Staat vom Primat individueller Freiheitsrechte aus seine Bestimmung zu geben. Daran hinderten ihn im Vormärz im System des deutschen Bundes auch die politischen und sozialen Rahmenbedingungen. Ein entscheidendes Freiheitsethos konnte sich hier nur im Bereich der oppositionellen Protestbewegung entwickeln. Dabei zeigte sich, wie später in der Paulskirche, daß die Vertreter des politischen Radikalismus, daß Demokraten und Linksliberale weniger durch traditionsbestimmte Einstellungen gefesselt waren als die gemäßigten Liberalen. Letztere gingen hier von dem Primat einer Gesamtordnung, des Staates und des öffentlichen Interesse vor individuellen Freiheitsrechten aus. Dabei konnten die im Nationalliberalismus aufgegangenen gemäßigten Liberalen den Kompromiß mit dem neuen Reich um so eher eingehen, als die ihnen nie verlorengegangene "positive Staatsidee" letzen Endes das Übergewicht über die Perspektive freiheitlicher Grundsätze behalten hatte." (Autorenreferat)
Plakat zum Workshop "Liberalismus und Pluralismus" der DFG-Kolleg-Forschergruppe "Theoretische Grundfragen der Normenbegründung in Medizinethik und Biopolitik" am 31. Mai 2011