Subjektivität und Subjekt der Geschichte in der Literatur der Aufklärung: einige Beobachtungen
In: Subjekt der Geschichte: Theorien gesellschaftlicher Veränderung, S. 88-95
Ausgehend von einem wissenschaftstheoretischen Defizit bei der Erforschung des Ideologiegehalts von Kunstformen wird die Frage gestellt, welche Auffassung des Subjekts der Geschichte zu einer in sich so widerspruchsvollen Ideologieproduktion wie jener der Aufklärung geführt hat und welche Auffassungen von der Rolle dieses Subjekts vertreten werden. Die Illusion, daß der seiner Ratio mächtige Mensch schon zum geschichtsmächtigen Subjekt avanciert sei, findet ihren Niederschlag in der Bevorzugung der Dialogform in der Literatur des 18. Jahrhunderts. Drama und Dialog setzen auf die kognitiven Vermögen des Menschen, während der sensitive Bereich unterdrückt wird. Etwa gleichzeitig mit dem Gewinn realen gesellschaftlichen Handlungsraumes des bürgerlichen Subjekts beginnt die Desillusionierung der Autoren über die Rolle des Bourgeois in der zeitgenössischen Gesellschaft und die Ablösung des Dramas durch den Roman. Zur Selbsterfahrung des Innenraums der Subjektivität als Thema der deutschen Literatur- und Kunstentwicklung des 19. Jahrhunderts tritt ihre Politisierung, insbesondere während der Revolutionsereignisse und in der Folge bis in die Kunst des Vormärz. (MI)