Die Legitimität humanitärer und militärischer Interventionen steht seit jeher auf der politischen und wissenschaftlichen Agenda. Eine scheinbar unabdingbare Legitimitätsgrundlage ist die Multilateralität etwaiger Interventionen. Die Interventionen im Kosovo, in Afghanistan und insbesondere im Irak und Libyen haben dieser Debatte neue Dynamik verliehen, wobei deutlich wird, dass Multilateralismus unterschiedlich aufgefasst wird. Diese Arbeit geht der Vermutung nach, dass sich seit dem Ende der Ost-West-Konfrontation ein inkrementeller Wandel des Konzepts des Multilateralismus vollzogen hat. Die quantitative und qualitative Analyse des 4452 Artikeln umfassenden Textkorpus dreier europäischer Staaten und der USA aus dem Zeitraum 1990 bis 2012 zeigt, dass ein transnationaler Bedeutungswandel stattgefunden hat. Des Weiteren kann gezeigt werden, dass Veränderungen in den Begründungsmustern diesen Wandel erklären können. Argumente, welche auf Verpflichtungs- oder Notwendigkeitsaspekte in Bezug auf solche Eingreifmaßnahmen abzielen, sind nicht mehr entscheidend. Vielmehr lassen sich die jüngsten multilateralen Interventionen auf Interessens- und Nützlichkeitsüberlegungen zurückführen was mit einem grundständigen Verständnis des prinzipiengeleiteten Multilateralismus nur bedingt vereinbar ist.
Meinungsbeitrag zur Entscheidung des Bundestages über die Bereitstellung von Bundeswehreinheiten für einen Einsatz im Rahmen der Anti-Terror Operation der USA, 10. November 2001.
Welche Folgen Corona für die internationale Ordnung haben könnte, hängt auch vom Zusammenspiel expertenfreundlicher und expertisefeindlicher Regime ab.
Multilateralismus erscheint angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen der Weltpolitik und ihrer strukturellen Gegebenheiten (nationalstaatliche Souveränität, Machtdiffusion) als eine geradezu unerlässliche Form der internationalen Diplomatie. Dennoch ist er (scheinbar) umstritten: So steht er gegenwärtig unter Beschuss insbesondere des Weißen Hauses und des State Departments, während sich andererseits sowohl Chinas Staatspräsident Xi Jinping als auch sein russischer Amtskollege Wladimir Putin als Befürworter und Verteidiger des Multilateralismus geben. Bei dem Streit geht es allerdings nicht um Multilateralismus als diplomatische Verfahrensweise, sondern im Kern um die Frage, welche Prinzipien, Werte und Organisationen die internationale Ordnung bestimmen und damit die internationale Politik prägen sollen. Zugleich werden inhärente Schwierigkeiten und Grenzen des Multilateralismus oft unter-, seine Möglichkeiten überschätzt. Um Multilateralismus möglichst wirksam zu betreiben, bedarf es darum einer realistischen Bewertung seiner Voraussetzungen und des klugen Umgangs mit den Eigenheiten multilateraler Politik.
Diese CSS-Studie untersucht die Herausforderungen, die der breite Kontext der globalen Krise des Multilateralismus und der zunehmenden geopolitischen Polarisierung für die OSZE darstellt, und wie sie darauf reagiert hat. Es zeigt auch die Möglichkeiten auf, die sich ergeben haben. Einblicke aus erster Hand in die Herausforderungen des Schweizer Botschafters Thomas Greminger, der von 2017 bis 2020 als OSZE-Generalsekretär fungierte, und wie er die Organisation durch stürmische Gewässer bemühte, bilden den Kern dieser Studie, flankiert von Analysen der OSZE-Reaktionen "vor Ort" auf die Konflikte in der Ukraine und Transnistrien. Sie befasst sich auch mit der möglichen zukünftigen Entwicklung der OSZE.
Bei der Verwirklichung ihrer globalen multilateralen Agenda ist die EU in den letzten Jahren vielfach auf Widerstand ihres wichtigsten Partners gestoßen: Die Vereinigten Staaten standen und stehen vielen multilateralen Initiativen, die von europäischen Regierungen unterstützt werden, skeptisch gegenüber. Dieses transatlantische Konfliktmuster lässt sich seit dem Ende des Kalten Krieges in einer Reihe von Politikfeldern - von der Rüstungskontrolle bis zur Umweltpolitik - gehäuft beobachten. In vielen Fällen beteiligen sich die USA zwar an Verhandlungen über multilaterale Abkommen, vertreten aber im Hinblick auf deren konkrete Ausgestaltung deutlich weniger ambitionierte Ziele als europäische Regierungen. Bisweilen lehnen die USA sogar Abkommen, die von europäischer Seite unterstützt werden, vollständig ab.Die zunehmende Skepsis Amerikas gegenüber multilateralen Abkommen konfrontiert seine europäischen Partner mit einem neuartigen Problem: Wie sollen Deutschland und die EU mit dem "widerspenstigen Hegemon USA" umgehen? Wie und unter welchen Bedingungen können sie versuchen, Einfluss auf amerikanische Positionen zu multilateralen Abkommen zu nehmen, und wann erscheint es erfolgversprechend, multilaterale Kooperation auch ohne amerikanische Unterstützung voranzutreiben?Die Studie greift diese wichtiger werdenden strategischen Fragen auf und diskutiert dabei insbesondere drei Aspekte, die für die Entwicklung einer reflektierten europäischen Politik von zentraler Bedeutung sind:Das Spektrum europäischer Handlungsoptionen im Umgang mit den USA Die Hintergründe der US-Politik und die Wirkung europäischer Strategien im amerikanischen politischen Prozess Alternative Ziel- und Wertvorstellungen, an denen sich europäische Entscheidungen im Umgang mit den USA orientieren können bzw. sollten
Diesseits des Atlantiks ist mit Genugtuung zur Kenntnis genommen worden, wie deutlich Obama sich von der unilateralen Politik seines Vorgängers distanzierte. Im zweiten Amtsjahr des US-Präsidenten aber ist eine gewisse Ernüchterung bei den Europäern zu beobachten, da den weitreichenden Ankündigungen bisher wenig konkrete Ergebnisse gefolgt sind. Skeptiker geben bereits zu bedenken, dass die Veränderungen vor allem symbolisch sind und in der Praxis die Kontinuität überwiegt.Europa sollte das Bekenntnis zum Multilateralismus durchaus ernstnehmen. Das window of opportunity eines kooperationsbereiten Präsidenten und einer demokratischen Mehrheit im Kongress wird sich bald schließen. Daher sollte Europa die günstigen Bedingungen für die Zusammenarbeit nutzen, ohne sich zu sehr davon abhängig zu machen. Die Analyse des amerikanischen Entscheidungsprozesses wie auch die Bestandsaufnahme in einzelnen Politikfeldern zeigen, dass stark formalisierte multilaterale Instrumente, etwa völkerrechtliche Verträge, sich innenpolitisch nur schwer durchsetzen lassen. Deshalb bevorzugt das Weiße Haus informelle Kooperationsformen. Je eher europäische Entscheidungsträger bereit sind, sich auf informelle Formate einzulassen, desto größer ist die Chance, dass Obama das Versprechen von mehr Multilateralismus einlösen kann. Der verstärkte Gebrauch informeller Prozesse sollte zwar nicht dazu führen, bestehende formale Organisationen des Systems der Vereinten Nationen zu untergraben. Doch unter den richtigen Voraussetzungen können die pragmatische Nutzung von Koalitionen der "Willigen und Relevanten" oder ein Verzicht auf rechtliche Verbindlichkeit bei internationalen Übereinkommen helfen
Wiederholt hat Senator John McCain die Idee einer neuen internationalen Organisation propagiert: eine zu schaffende »League of Democracies«. Sollte er zum Präsidenten gewählt werden, will er in seinem ersten Amtsjahr ein Gipfeltreffen der Demokratien einberufen, um dazu die Meinungen anderer Staatsmänner zu hören und Schritte zur Realisierung dieser Vision zu erkunden. Auch wenn Senator McCain nicht ins Weiße Haus einziehen sollte, wird die Idee einer neuen globalen Organisation, in der Demokratien die Zusammenarbeit bei gemeinsamen Herausforderungen koordinieren, die außenpolitische Debatte in den USA weiterhin beschäftigen. Denn er hat lediglich einen Vorschlag aufgenommen, der vor einiger Zeit unter der Bezeichnung »Concert of Democracies« auch von liberalen Vordenkern in diese Debatte eingebracht wurde. Dies ist Grund genug, sich genauer mit der in mancher Hinsicht attraktiven, aber auch problematischen und sicher in vielem noch unausgegorenen Idee zur Rekonstruktion des Multilateralismus zu befassen und deutsche Handlungsoptionen zu diskutieren, falls der Vorschlag auf die transatlantische Agenda gelangen sollte
Central multilateral agreements on disarmament and non-proliferation policy have come under massive pressure in recent years. However, the dangers posed by nuclear, biological and chemical weapons are considerable and should not be forgotten by international politics, even in view of the coronavirus pandemic. Germany, together with its partners, should prepare for further efforts to preserve and strengthen these regimes. ; Zentrale multilaterale Abkommen der Abrüstungs- und Nichtverbreitungspolitik sind in den vergangenen Jahren massiv unter Druck geraten. Die Gefahren, die von atomaren, biologischen und chemischen Waffen ausgehen, sind jedoch erheblich und sollten auch angesichts der Corona-Pandemie nicht aus dem Blick der internationalen Politik geraten. Deutschland sollte sich gemeinsam mit seinen Partnern auf weitere Kärrnerarbeit mit dem Ziel der Bewahrung und Stärkung dieser Regime einstellen.
Seit Anfang der 1990er Jahre wird über das Verhältnis von Globalisierung und Regionalisierung diskutiert. Damals wurden große Freihandelszonen ins Leben gerufen, beispielsweise die nordamerikanische NAFTA. Zwei entgegengesetzte Interpretationen dieser zweiten Welle des Regionalismus waren zu verzeichnen: Einige Beobachter sahen die regionalen Projekte als Baustein einer globalen Wirtschaftsordnung; andere interpretierten den Regionalismus als Unterminierung der Welthandelsorganisation WTO und sahen in ihm den größten Stolperstein für die Entwicklung einer von Freihandel geprägten Welthandelsordnung. In der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts hat sich die Erscheinungsform des Regionalismus abermals gewandelt. In dieser dritten Welle des Regionalismus spielen große Freihandelszonen keine bedeutende Rolle mehr. Die dritte Welle hat zwei Facetten: Zum einen werden bilaterale handelspolitische Projekte in rascher Folge ins Leben gerufen, zum anderen zeichnet sich ein Trend zu monetärem Regionalismus ab. Viele kleinere Akteure sehen die Stabilität der internationalen Handelsordnung gefährdet. Der wichtigste Anlaß für diese Skepsis ist die zunehmende Konkurrenz zwischen der EU und den USA, die in einen immer schärfer geführten Handelskrieg verstrickt sind. Zugleich sind es gerade die EU und die USA, die immer neue Handelsprojekte mit kleineren Ländern schaffen. Allein im November 2002 hat der amerikanische Handelsbeauftragte Bob Zoellick zehn neue bilaterale Freihandelszonen vorgeschlagen. Folge der Schaffung bilateraler Freihandelszonen ist, daß damit Macht und Hierarchie in die Handelsbeziehungen zurückkehren: Streitschlichtung findet innerhalb der Freihandelszonen, nicht in der WTO statt. Die an die Einhaltung von Regeln gebundene internationale Handelsordnung wird damit außer Kraft gesetzt. Etwas anders gelagert sind die Verhältnisse in Hinblick auf die Schaffung eines stabilen internationalen Finanzsystems. Auf globaler Ebene fehlen diejenigen Institutionen, die im nationalen Raum selbstverständlich vorhanden sind. ...
Die Zahl regionaler Handelsabkommen, die Nicht-Mitglieder diskriminieren, ist zuletzt stark gestiegen. Ihre Wohlfahrtswirkungen sind aus Sicht der beteiligten Länder eher leicht positiv, aus globaler Sicht aber weitgehend unklar. Skeptisch stimmen die Erhöhung der Transaktionskosten des Welthandels durch ein Geflecht sich überschneidender bilateraler Bündnisse, ein möglicherweise global schädlicher Wettlauf wichtiger Welthandelspartner um bedeutende Absatzmärkte sowie Argumente, die für die Beeinträchtigung der laufenden Welthandelsrunde sprechen. Daher sollte die WTO sowohl die Regeln für regionale Handelsabkommen verschärfen als auch deren Einhaltung stärker überwachen. Die Handelspolitik der EU räumt der multilateralen Liberalisierung zu Recht eindeutig Priorität ein und sollte bei neuen bilateralen Abkommen weiterhin Zurückhaltung üben. Darüber hinaus sollte sie für plurilaterale Initiativen im Rahmen der WTO werben, um einen vollständigen Zollabbau in modernen Industriesektoren sowie Fortschritte bei neuen Handelsthemen wie etwa der Wettbewerbspolitik zu erzielen. ; The number of regional trade agreements which discriminate against non-members has recently increased dramatically. The welfare effects of these agreements tend to be slightly positive for member-countries but are much less clear from a global perspective. Three aspects of such agreements suggest that there is good reason to be sceptical. First of all, a network of overlapping bilateral alliances increases transaction costs for world trade. Secondly, a race between major trading partners to secure important markets for their goods and services could have a damaging impact world-wide. Finally, it can be argued that such agreements are impeding the current round of world trade talks. The WTO should thus both tighten the rules for regional trade agreements and monitor the observance of these rules more closely. EU trade policy rightly accords priority to multilateral liberalisation and should continue to exercise restraint where new bilateral agreements are concerned. In addition, the EU should promote plurilateral initiatives within the framework of the WTO, with the aim of completely dismantling tariffs in modern industries and making progress on new trade issues such as competition policy.
Die schwindende Unterstützung multilateraler Zusammenarbeit durch wichtige weltpolitische Akteure bedroht auch die Handlungsfähigkeit internationaler Organisationen. Verschiedene Initiativen zum 75. Jubiläum der Vereinten Nationen (UN) im Jahr 2020 zielen darauf, diese Handlungsfähigkeit wiederherzustellen. Ansatzpunkte dafür sehen Gisela Hirschmann und Cornelia Ulbert im Global Governance Spotlight 5|2019 erstens in der flexiblen Bildung von Koalitionen, auch unter Einbezug nichtstaatlicher Akteure, zweitens in institutionellen Reformen zur effektiveren Problembearbeitung und drittens in der Vermittlung der Notwendigkeit multilateraler Problemlösung in die Gesellschaften hinein.
In einer Zeit, in der europäische und deutsche Außenpolitik häufig im Krisenmodus betrieben wird, stehen die Staaten Lateinamerikas selten im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Dennoch richten sich aus Deutschland und Europa auch immer wieder starke Hoffnungen auf die Zusammenarbeit mit den Ländern dieser Region. Diese erscheinen in offiziellen Strategien als natürliche Partner bei der Gestaltung einer Weltordnung, in der verbindliche multilaterale Regeln das Zusammenleben von Staaten und Menschen bestimmen und zur Lösung gemeinsamer Herausforderungen beitragen. Doch ist diese Hoffnung wirklich berechtigt? Haben lateinamerikanische Staaten in der jüngeren Vergangenheit tatsächlich starken multilateralen Regeln Vorrang vor der Wahrung staatlicher Souveränität und Handlungsfreiheit gegeben? Oder haben sie Letzteren Priorität eingeräumt? Diese Frage nach dem Spannungsfeld "Zwischen Multilateralismus und Souveränismus" versucht die vorliegende Arbeit durch eine qualitative "Analyse des Auftritts lateinamerikanischer Staaten in der Neuen Weltordnung", während des Vierteljahrhunderts nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, zu beantworten. Hierzu konzentriert sich die Untersuchung auf Politiken, Positionen und Verhandlungsprozesse auf drei verschiedenen Themenfeldern und geht auch der Frage nach möglichen Erklärungen für die beobachteten Ergebnisse nach. An erster Stelle wird das Problem der internationalen Verteidigung von Menschenrechten und Demokratie thematisiert. Ob in Grundsatzdebatten, bei Gefahren für die Demokratie in einzelnen Staaten Lateinamerikas, ob in Haiti, Somalia, Ruanda oder zuletzt in Syrien: Immer wieder mussten auch lateinamerikanische Staaten beurteilen, ob ein Angriff auf die Demokratie oder krasse Menschenrechtsverletzungen als Verstoß gegen universelle Standards zu einer Intervention von außen führen sollten oder als innere Angelegenheiten zu betrachten waren. An zweiter Stelle widmet sich die Untersuchung der Außenhandelspolitik. Haben die Staaten Lateinamerikas auf wirkungsvolle internationale ...
Seit 2016 ist Deutschland nach den Vereinigten Staaten der zweitgrößte Beitragszahler zum Entwicklungssystem der Vereinten Nationen (UNDS). Der größte Anstieg der deutschen Mittel entfällt auf zweckgebundene Beiträge, d.h. auf Mittel mit vorab festgelegten geographischen und thematischen Zielen. Die Finanzierung humanitärer Organisationen wie der Flüchtlingsorganisation (UNHCR), des Welternährungsprogramms (WFP) und des Kinderhilfswerks (UNICEF) der Vereinten Nationen macht den Großteil der deutschen Beiträge aus. Aber auch die entwicklungsbezogenen Mittel für das Entwicklungsprogramm (UNDP), den Bevölkerungsfonds (UNFPA) und UN Women stiegen stark an. In jüngster Zeit haben auch die Kernbeiträge, die von multilateralen Organisationen mit größerem Ermessensspielraum genutzt werden können, zugenommen, vor allem im Rahmen der Corona-Nothilfe (COVID-19).Die deutliche Zunahme signalisiert, dass Deutschland auch in Krisenzeiten Vertrauen in die UN setzt und ihnen eine große Bedeutung beimisst. Es ist jetzt an der Zeit, dass Deutschland sein strategisches Interesse an einem starken und effektiven UNDS, das seine Außenpolitik in den Bereichen Stabilisierung, Wiederaufbau, Flucht und Migration und Klima stärken kann, ausdrücklicher anerkennt. Durch multilaterale Organisationen können Staaten mehr erreichen als allein. Zweckgebundene Mittel haben dem UNDS zwar geholfen, seine Handlungsfähigkeit und seinen Wirkungsbereich zu erweitern. Häufig haben sie aber viele negative Auswirkungen in Hinblick auf Effizienz, Effektivität und Legitimität.Zweckbindung ist aufgrund des Verwaltungsaufwands auch mit direkten Kosten für deutsche Ministerien verbunden. Zudem agiert die Bundesregierung gegenüber dem UNDS uneinheitlich; es gibt Differenzen zwischen und innerhalb von Ministerien und Durchführungsorganisationen.Für Deutschland bringt die herausgehobene Position als zweitgrößter Beitragszahler zum UNDS Verantwortung und Chancen mit sich, insbesondere in einer Zeit, in der der größte Geldgeber seine Finanzierung zurücknimmt. Um ein wirksamer Befürworter von Multilateralismus zu sein, muss die Bundesregierung ihr eigenes Haus in Ordnung bringen.• Sie sollte ihre Allokationsentscheidungen als ein Mittel zur Stärkung des Multilateralismus und zur Unterstützung von UN-Reformen betrachten und zu diesem Zweck auf eine ausgewogenere Finanzierungsmischung mit größeren Anteilen flexibler Mittel hinarbeiten.• Sie sollte ihr verstärktes Engagement im UNDS gegenüber der deutschen Öffentlichkeit deutlicher kommunizieren und begründen und die Kohärenz ihrer multilateralen Bemühungen erhöhen.• Sie sollte die versteckten Kosten abschätzen, die beim Einsatz von Durchführungsorganisationen entstehen, und interne Zweckbindungsrichtlinien im Einklang mit den im Rahmen des Grand Bargain (2016) und des UN Funding Compact (2019) eingegangenen Verpflichtungen verbessern.• Sie sollte die kürzlich angehobenen Kernbeiträge für die UN-Entwicklungsorganisationen festschreiben, die strategische Bedeutung von Kernbeiträgen anerkennen und auch verstärkt auf weichere Formen zweckgebundener Finanzierungen zurückgreifen.
Seit 2016 ist Deutschland nach den Vereinigten Staaten der zweitgrößte Beitragszahler zum Entwicklungssystem der Vereinten Nationen (UNDS). Der größte Anstieg der deutschen Mittel entfällt auf zweckgebundene Beiträge, d.h. auf Mittel mit vorab festgelegten geographischen und thematischen Zielen. Die Finanzierung humanitärer Organisationen wie der Flüchtlingsorganisation (UNHCR), des Welternährungsprogramms (WFP) und des Kinderhilfswerks (UNICEF) der Vereinten Nationen macht den Großteil der deutschen Beiträge aus. Aber auch die entwicklungsbezogenen Mittel für das Entwicklungsprogramm (UNDP), den Bevölkerungsfonds (UNFPA) und UN Women stiegen stark an. In jüngster Zeit haben auch die Kernbeiträge, die von multilateralen Organisationen mit größerem Ermessensspielraum genutzt werden können, zugenommen, vor allem im Rahmen der Corona-Nothilfe (COVID-19). Die deutliche Zunahme signalisiert, dass Deutschland auch in Krisenzeiten Vertrauen in die UN setzt und ihnen eine große Bedeutung beimisst. Es ist jetzt an der Zeit, dass Deutschland sein strategisches Interesse an einem starken und effektiven UNDS, das seine Außenpolitik in den Bereichen Stabilisierung, Wiederaufbau, Flucht und Migration und Klima stärken kann, ausdrücklicher anerkennt. Durch multilaterale Organisationen können Staaten mehr erreichen als allein. Zweckgebundene Mittel haben dem UNDS zwar geholfen, seine Handlungsfähigkeit und seinen Wirkungsbereich zu erweitern. Häufig haben sie aber viele negative Auswirkungen in Hinblick auf Effizienz, Effektivität und Legitimität. Zweckbindung ist aufgrund des Verwaltungsaufwands auch mit direkten Kosten für deutsche Ministerien verbunden. Zudem agiert die Bundesregierung gegenüber dem UNDS uneinheitlich; es gibt Differenzen zwischen und innerhalb von Ministerien und Durchführungsorganisationen. Für Deutschland bringt die herausgehobene Position als zweitgrößter Beitragszahler zum UNDS Verantwortung und Chancen mit sich, insbesondere in einer Zeit, in der der größte Geldgeber seine Finanzierung zurücknimmt. Um ein wirksamer Befürworter von Multilateralismus zu sein, muss die Bundesregierung ihr eigenes Haus in Ordnung bringen. * Sie sollte ihre Allokationsentscheidungen als ein Mittel zur Stärkung des Multilateralismus und zur Unterstützung von UN-Reformen betrachten und zu diesem Zweck auf eine ausgewogenere Finanzierungsmischung mit größeren Anteilen flexibler Mittel hinarbeiten. * Sie sollte ihr verstärktes Engagement im UNDS gegenüber der deutschen Öffentlichkeit deutlicher kommunizieren und begründen und die Kohärenz ihrer multilateralen Bemühungen erhöhen. * Sie sollte die versteckten Kosten abschätzen, die beim Einsatz von Durchführungsorganisationen entstehen, und interne Zweckbindungsrichtlinien im Einklang mit den im Rahmen des Grand Bargain (2016) und des UN Funding Compact (2019) eingegangenen Verpflichtungen verbessern. * Sie sollte die kürzlich angehobenen Kernbeiträge für die UN-Entwicklungsorganisationen festschreiben, die strategische Bedeutung von Kernbeiträgen anerkennen und auch verstärkt auf weichere Formen zweckgebundener Finanzierungen zurückgreifen.