Einleitend wird den ästhetischen Implikationen von Alfred Rosenbergs Begriff des 'Mythus' nachgespürt (I.). Danach wird gezeigt, dass diese Implikationen in einer bestimmten ästhetischen Logik von politischer Repräsentation ihren Widerhall finden (II.). Abschließend wird erörtert, inwiefern solche Form von Repräsentation in jenem Rassismus sich auswirkt, welcher der nationalsozialistischen Bewegung genuin zugehört (III.). Insgesamt ist dabei ausschließlich die radikalfaschistische, nicht aber die 'völkische' und auch nicht die technokratische Variante der nationalsozialistischen Bewegung thematisch relevant. (ICF2)
Im Hinblick auf historisch-soziologische Untersuchungen der national-sozialistischen Bewegung in Deutschland und faschistischer Bewegungen in anderen europäischen Ländern sind insbesondere in der Bundesrepublik gravierende Forschungslücken zu konstatieren. Empirische Analysen einer soziologisch orientierten Geschichtswissenschaft liegen nur vereinzelt vor. Neue Anregungen und Forschungsstimuli können von ausländischen Untersuchungen ausgehen. Der Beitrag befaßt sich mit zwei kürzlich erschienenen Werken (James M. Rhodes: The Hitler Movement. Stanford, Ca. 1980 und Stein Ugelvik Larsen/Bernt Hagtvet/Jan Petter Myklebust (Hrsg.): Who were the Fascists. Bergen/Oslo/Tromsö 1980). Die Studie von Rhodes versucht mit hermeneutischen Methoden nationalsozialistisches Gedankengut zu analysieren; dabei wird der Nationalsozialismus als "politische Religion" betrachtet. Im einzelnen werden Bücher, Reden, Tagebücher und Schlagzeilen des "Völkischen Beobachters" untersucht. Vor dem Hintergrund der hermeneutischen Untersuchungen macht der Autor den Versuch, zentrale Fragen zu beantworten (Wie setzte sich die Hitler-Bewegung zusammen? Wer waren die Wähler? Wie ist der Erfolg zu erklären? etc.). Die vorliegende Rezension merkt unter anderem kritisch an, daß der aktuelle Forschungsstand nicht angemessen berücksichtigt wird; zudem wird ein "Verzicht auf Methode und Kontextanalyse" bemängelt. Der Sammelband von Larsen et al. geht auf eine Konferenz zurück, die - unterstützt von der UNESCO - 1974 in Bergen stattfand. Die 44 Aufsätze zeigen einen inzwischen erfolgten Paradigmawechsel von der Schuld- zur Strukturfrage; statt geschichtsphilosophischen Kategorien herrschen inzwischen sozialwissenschaftliche Ansätze vor. Neben dem Nationalsozialismus werden faschistische Bewegungen in zahlreichen anderen Ländern behandelt. Die vorgestellten Arbeiten zeigen einen unbefangeneren Umgang mit dem Gegenstand und eine unbefangenere Verwendung soziologischer Verfahren; hier könnte die deutsche Forschung lernen. (JL)
Die ab 1939 verwirklichten "Großraum"-Pläne der Nationalsozialisten werden mittlerweile auch in der deutschen Zeitgeschichtsforschung als radikale Ausprägung antiliberaler Europakonzepte anerkannt.1 Diese überhaupt als eigenständige europäische Ideen innerhalb politisch konkurrierender Vorstellungen zu behandeln war noch vor zehn Jahren keineswegs gängige Forschungsmeinung. Wenig Aufmerksamkeit wird jedoch nach wie vor den Konzeptionen anderer faschistischer Regimes und Bewegungen zuteil. Diese gerieten im Zuge des Kriegsverlaufs in ein zunehmend konfliktbeladenes Verhältnis zur deutschen Hegemonialmacht, scheiterten gleichwohl weitgehend an der Realität der nationalsozialistischen Herrschaftspraktiken. So steht eine grundlegende Untersuchung der groß angelegten Neuordnungspläne des faschistischen Italiens noch aus.2 In noch stärkerem Maße trifft dies für jene Faschismen im übrigen Europa zu, welche weder vor 1939/40 noch danach unter der deutschen Besatzung die Position eigenständiger Regimes erreichten. Gerade diese Bewegungen entwickelten aber trotz ihres politisch marginalen Einflusses eine beachtliche konzeptionelle Eigenständigkeit und Vielfalt.
In dem Beitrag wird über eine Konferenz zur vergleichenden europäischen Faschismusforschung in Bergen berichtet, auf der vor allem drei Themenbereiche diskutiert wurden: (1) Wer wurde Mitglieder der faschistischen bzw. nationalsozialistischen Bewegungen und Parteien in Europa vor und während des Zweiten Weltkriegs? (2) Warum wurden sie Mitglieder? (3) Was passierte danach mit ihnen? Es wird nicht als ein Versehen der Konferenz eingeschätzt, daß die meisten Wortmeldungen das Ziel aus den Augen verloren haben, sich erfolgreich mit der dritten Frage der Konferenz zu beschäftigen, wohingegen die meisten in der Lage waren, die ersten beiden Fragen zu beantworten. (KW)
"Die Diskussion um die Forderung nach einem humanen Sterben, einem humanen Tod, ist in Deutschland aus historischen Gründen besonders belastet. Immerhin fielen allein dem nationalsozialistischen Euthanasieprogramm T 4 mehr als 150000 Menschen zum Opfer. Zu dieser Erinnerung kommt noch die medizinische und juristische Problematik hinzu, unter welchen Umständen es einem Arzt gestattet ist, einem todkranken oder einem bereits seit langem im Koma liegenden Patienten durch das Unterlassen einer lebensverlängernden Maßnahme zum Sterben zu verhelfen (vgl. Sterbebegleitung 1998). Diese passive Sterbehilfe stellt immer noch ein Tabu dar, auch wenn viele Patienten danach verlangen (vgl. Eibach 1998). Tötung auf Verlangen ist in Deutschland strafbar. Angesichts dieser Situation verdient die Hospiz-Bewegung, die einen neuen Weg für ein humanes Sterben entwickelt hat, Beachtung." (Autorenreferat)
Vorspann Das nationalsozialistische Deutschland hatte im Ausland nicht nur Feinde. Charakteristisch für nicht wenige seiner auswärtigen Sympathisanten war freilich der Umstand, dass sie die Praxis nationalsozialistischer Politik nie kennenlernen sollten. Auf die großen Sympathien, die etwa in der panarabischen Bewegung zu finden waren, hat die deutsche Führung geschickt und skrupellos reagiert. Die deutschen Rundfunksendungen für die arabische Welt, bislang weitgehend unbekannt, sind dafür ein aufschlussreicher Beleg. Jeffrey Herf präsentiert einen faszinierenden Quellenfund, der nicht nur historiographische Bedeutung besitzt.
Eine Faschismusanalyse, die Faschismus gleichzeitig als Bewegung und Institution versteht, kann sich nicht auf die Analyse gesamtgesellschaftlicher Entstehungszusammenhänge oder institutioneller und großorganisatorischer Beziehungen des "unsichtbaren Nationalsozialismus" (Ottwald) beschränken, sondern muß darüberhinaus mikroanalytisch die "subjektiven Momente der nationalsozialistischen Bewegung" zu erfassen suchen (Lokal- und Regionalanalyse). Der Verfasser gibt einen kritischen Überblick sowohl über den aktuellen Forschungsstand auf diesem Gebiet, wobei er besonders die unzureichende analytische Vermittlung von "Allgemeinem und Besonderem" bemängelt, als auch über zeitgenössische Analysen aus den dreißiger Jahren (Ottwald, Heiden, Bloch). Abschließend skizziert er inhaltliche und methodische Perspektiven einer mikroanalytischen Forschung. (WZ)
Auf der breiten Basis neu erschlossener Quellen werden Hitlerjugend und bürgerliche bündische Jugend verglichen, die durchaus als Weimarer Vorläufer der späteren Staatsjugend bezeichnet werden kann. Gemeinsame Charakteristika waren extremer Nationalismus, Antiparlamentarismus, zum radikalen Rassismus gesteigerter Fremdenhaß und eine völkische Ideologie. Die Differenz bestand im betonten Elitebewußtsein der bürgerlichen Jugendbewegung. Die oft beschworene politische Resistenz der bündischen Jugend in der Gleichschaltungsphase hat angesichts der aus echter Überzeugung oder Opportunismus resultierenden Anpassung nicht existiert. Zwischen 1933 und 1939 gelang der NSDAP die umfassende strukturelle Integration der Mittelklasse-Jugend in die nationalsozialistische Bewegung. (BS)
Das nationalsozialistische Regime reagierte aus heutiger Sicht auf kaum mehr verständliche Weise mit großem Aufwand und rücksichtsloser Härte auch auf solche Formen der Abweichung, die für die Gewährleistung des nationalsozialistischen Herrschaftsvollzugs keine tatsächliche Gefahr bedeuteten und auch überhaupt nicht in diese Richtung zu wirken beabsichtigten. Der vorliegende Beitrag zeigt anhand von Protokollen, welche skurrilen Züge die Verfolgungsparanoia der Nationalsozialisten anzunehmen vermochte. So äußerst sich z.B. der spätere Stellvertreter Freislers beim Volksgerichtshof Chrohne über die kleine Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas: "Es wurde mir bei der Gestapo gesagt, daß die Zahl der internationalen Bibelforscher in Deutschland 5 bis 6 Millionen betrage." Die tatsächliche Zahl der Zeugen Jehovas im Dritten Reich betrug gerade einmal ein Prozent der von Chrohne genannten Zahl. (ICE)
"Der Aufsatz berichtet über eine Untersuchung der Frage, in welchem Zusammenhang die Wählerrekrutierung der NSDAP mit dem Wahlverhalten vor 1918 steht und stellt sich dem Problem, welche Rolle den politischen Traditionen in Erklärungsansätzen des Aufstiegs der nationalsozialistischen Bewegung zukommt. Der empirische Vergleich der Wahlergebnisse zwischen 1924 und 1932 mit denen im Kaiserreich zeigt, daß die NSDAP in erster Linie eine sozialstrukturell definierte Partei war. Für die Erfolge der Nationalsozialisten spielte die regionalspezifische Tradition, also ob eher liberal oder konservativ, keine entscheidende Rolle. Die regionale Streuung der NSDAP-Anteile geht vielmehr fast ausschließlich auf das Konto der Konfessionsverteilung und des Urbanisierungsgrades. Die Befunde widersprechen der Auffassung, die NSDAP habe die Liberalen beerbt." (Autorenreferat)
Die Rolle der deutschen konservativen Eliten beim Weg von der Weimarer Republik ins Dritte Reich ist nach wie vor Gegenstand historischer Kontroversen. Die vorliegende Arbeit beansprucht, einige Aspekte zur Lösung dieser Frage beizutragen. Untersucht wird der Zusammenhang der konservativen Eliten mit der nationalsozialistischen Bewegung in der kritischen Phase des Rücktritts des Kabinetts Brüning im Frühjahr 1932 bis zum "Röhm-Putsch" im Sommer 1934. Der Essay prüft, welche Überlegungen Hitlers Regierungsbildung im Januar 1933 bestimmten und wie sich das Unbehagen der Konservativen über die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler äußerte. Nach der Phase der "Gleichschaltung" versuchte Hitler, die Stabilität seines Herrschaftssystems durch die Beschwichtigung der Konservativen zu sichern, indem er durch den "Röhm-Putsch" die radikalen Strömungen in der NSDAP ausschaltete. (ICE)
Die populärste Beschreibung der Nazi-Herrschaft als "Gewaltherrschaft" oder reine Diktatur verstellt die Frage, warum die Deutschen den Nationalsozialismus massenhaft unterstützt haben. Terror und Gewalt erklären nicht allein die Dynamik der nationalsozialistischen Bewegung. Der vorliegende Beitrag arbeitet heraus, daß ein Grundzug der Geschichte der deutschen Gesellschaft in der NS-Zeit die breite Anpassung aus Furcht und Bequemlichkeit, aus Passivität und Karrieredenken und nicht zuletzt aus partieller innerer Übereinstimmung mit aussen-, innen- oder gar rassenpolitischen Zielen der Nationalsozialisten war. Widerstand und Komplizenschaft versucht der Autor über eine folgende Typologie zu erfassen: Der Wähler aus der Weltwirtschaftskrise auf der verzweifelten Suche nach Änderung der Verhältnisse; die chronisch ängstlichen und unsicheren Mittelklassen zwischen Angst vor Abstieg und dem Wunsch nach Aufstieg; der traditionsgebundene sozialdemokratische Arbeiter; der opportunistische Konsument, der die Vorteile des Regimes genießt. (ICE)
Gegenstand der Studie ist das grundlegende Dilemma, vor dem der Zionismus stand: Wie war es möglich, den vorbildhaften moralischen Charakter des jüdischen Nationalismus in einer Situation zu bewahren, in der das Leben von Millionen von Juden in Europa auf dem Spiel stand, während sich gleichzeitig ein tragischer Konflikt zwischen jüdischen Immigranten und der arabischen Bevölkerung in Palästina entspann? Die Analyse widmet sich diesem Dilemma exemplarisch anhand einer Interpretation des tiefen Zwiespalts, in dem sich eine Leitfigur des deutschen Zionismus seit den Anfängen der Weimarer Republik und vor allem während der Nazi-Zeit, nämlich Robert Weltsch in den Jahren zwischen dem Aufstieg der nationalsozialistischen Bewegung und der Gründung des Staates Israel befand und aus dem er nach 1948 als desillusionierter Skeptiker gegenüber dem Zionismus hervorging. Nach einer Skizze der Deutung desZionismus vor 1933 folgen eine Interpretation seiner Auseinandersetzung mit dem völkischen Nationalismus der Nationalsozialisten sowie - auf der Grundlage bisher unpublizierter Korrespondenzen mit Hannah Arendt - eine Analyse seiner Kritik zionistischer Narrative und der Politik des Staates Israel nach dem Zweiten Weltkrieg. (ICF2)