"Der Sender sei die Kanzel des Volkes": von der Arbeiter-Radio-Bewegung zur "Fernsehgemeinde"
In: Die Arbeiter: Lebensformen, Alltag und Kultur von der Frühindustrialisierung bis zum "Wirtschaftswunder", S. 378-389
Im Mittelpunkt der vorliegenden Darstellung steht die Entwicklung der Arbeiterschaft vom Träger der klassenbewußten Arbeiter-Radio-Bewegung, die in der Weimarer Republik als wichtiges Aufgabenfeld der proletarischen Alltagskultur begriffen wurde, zum Bestandteil der kollektiven "Fernsehgemeinde" heute. Als wichtige Etappen auf diesem Weg werden einerseits die völlige Zerschlagung dieser proletarischen Bewegung und die teilweise Übernahme von deren Funktionen (Bau preiswerter Empfänger) durch den Nationalsozialismus beschrieben, während andererseits die Strategie der nationalsozialistischen Medienpolitik, nämlich die Integration der großen Masse der deutschen Bevölkerung zur "Volksgemeinschaft" mittels Rundfunks und Fernsehens, als wichtige Voraussetzungen betrachtet werden. Für die Bundesrepublik wird die weitere Entwicklung dann als rasche Nivellierung der Arbeiterkultur im und durch das Fernsehen beschrieben, welches die Arbeiter in das durch Konsum egalisierte Heer von "Rezipienten" eingliederte. Der Verfasser gelangt zu dem Befund, daß die kollektive Auseinandersetzung mit dem Medium der desorganisierenden, individualisierten Restzeitbeschäftigung mit den Rundfunkmedien und ihrer neuen technischen Varianten gewichen ist. (SK)