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94 Prozent aller mit Waffengewalt ausgetragenen Konflikte sind in den 1990er Jahren innerstaatliche Konflikte. Ein besonderes Merkmal dieser Kriege ist insbesondere in ihrer langen Dauer zu sehen. Mit den Begriffen Staatskollaps, Staatszerfall ("failed state") und fragile Staatlichkeit, hatte man versucht Typisierungsvorschläge für die Gewaltursachen und unterschiedlichen Varianten bzw. Grade von Defiziten staatlicher Ordnung in diesen Regionen zu identifizieren. Und in der Tat scheint es so, dass die zentrale Quelle ursächlicher Eskalationsprozesse bei diesen Kriegen, die mangelnde Durchstaatlichung der Gesellschaften der Entwicklungsländer ist. Wenn man von fragiler Staatlichkeit spricht, dann setzt das allerdings erstens auch ein Konzept von stabiler Staatlichkeit voraus. In der Regel ist dies das Ordnungskonzept des europäischen modernen Nationalstaates. Zweitens muss darauf hingewiesen werden, dass es sich bei dieser Form des "Staates" häufig nicht einfach um einen "failed state", sondern – zunächst – um eine andere Ordnung im Rahmen unterschiedlicher "Ordnungsformen von Gewalt" (Trutz von Trotha) handelt, die allerdings durch ihre inneren Strukturen enorm konfliktanfällig ist. Die Rede vom Scheitern des Staates führt häufig in die Irre, unterstellt sie doch Unfähigkeit wo das Versagen (partiell) interessengeleitet organisiert ist. Die Akkumulationssicherungsmacht des Staates (G. Hauck) kann sehr stark ausgeprägt sein, auch wenn seine Regulationsmacht sehr schwach ist. Drittens ist zu vermerken, dass selbst ein Bürgerkrieg nicht nur als Zusammenbruch der gesellschaftlichen Ordnung, sondern auch als Nährboden neuer, gewaltgestützter sozialer Ordnungsformen zu beschreiben ist. In dem Text soll es somit darum gehen, einerseits die zentralen Mechanismen dieser Kriege/Gewalteskalationen und unterschiedlichen Ordnungskonfigurationen in aller Kürze zu skizzieren, um zu zeigen wie in den Gewaltdynamiken der Bürgerkriege, die einzelnen Ebenen miteinander zusammenhängen. Andererseits soll sich der Vortrag mit der Entstehung sozialer Ordnungenjenseits des (europäischen) Staates befassen.

Ausgangspunkt des Autors ist die Feststellung: Die zeitgenössischen sozialwissenschaftlichen Forschungen leiden noch immer unter den Folgen der französischen Revolutionen von 1789 und 1848 und der mit ihnen geforderten, aber auch allgemein angenommenen Gleichheit der Menschen, der "Egalite". Sie ist heute noch als Prämisse unseres sozial-wissenschaftlichen Denkens weithin unangefochten. Dagegen setzt der Autor die Auffassung: Diese Prämisse der Gleichheit aller ist jedoch - und hier wird vernünftigerweise kaum widersprochen werden können - falsch, und für die Rechtssoziologie ist hinzuzufügen: Andernfalls gäbe es keine unterschiedlichen sozialen Ordnungsformen, die ja auf irgendeine Weise von den Prädisposition der Mehrheit der der jeweiligen Gesellschaft zugehörenden Mitglieder abhängt. Die damit verbundene Frage nach dem Ursprung sozialer Normen bearbeitet der Autor auf der Grundlage der Theorie Th. Geigers. Bei der Erörterung gelangt der Autor zu dem Ergebnis, daß es im sozialen Bereich, soweit seelische Ereignisse mit im Spiele sind, keine Folgeketten sich wiederholender Ereignisse geben kann, die schließlich zu regelhaften Verhalten hätten führen können. Der Wandel, dem jedes soziale Integrat unterworfen ist, hat seinen Ursprung in eben dem Umstand, daß derartige Situationen, wenigsten soweit sie mit durch seelische Ereignisse bestimmt sind, nur ähnlich, nie aber gleich sein können. Der Autor zieht daraus den Schluß, daß reproduzierbar nicht jene Situationen einer Norm seien, wohl aber gewisse Dispositionen des Menschen, die diesen Wandel zu bewirken vermögen. (RW)

Der Verfasser stellt einleitend historische Entwürfe einer europäischen Vereinigung seit 1306 vor, um dann einen Überblick über den Verlauf der europäischen Integration nach 1945 zu geben. Er arbeitet im Folgenden drei Faktoren heraus, von denen heute Vereinigungsimpulse in Europa ausgehen können: wirtschaftliche Regionalkonkurrenz, gemeinsame Bedrohung von außen, unterschiedliche Politikanlagen auf beiden Seiten des Atlantik. Vor diesem Hintergrund werden sechs Weltordnungsmodelle diskutiert: (1) US-amerikanischer Unilateralismus, Schule des Realismus, imperiale Hegemonie und hegemonialer Machtstaat; (2) Modell des Machtgleichgewichts; (3) europäischer Multilateralismus, Schule des Liberalismus; (4) Regionalismus (regionaler Multilateralismus, ökonomischer Trilateralismus, kultureller Polyzentrismus); (5) Integrationsmodell der europäischen Integration; (6) transatlantisches Modell der differenzierten Komplementarität. Die Frage, welches dieser Modelle das wahrscheinlichste ist, übersteigt die Grenzen der sozialwissenschaftlichen Prognosefähigkeit. (ICE)

Der Beitrag enthält eine kritische Erläuterung und Diskussion von zwei zentralen Thesen, die Kurt Flasch in seiner Interpretation der politischen Theorie des Florentiner Dichters vertritt, um ein besseres Verständnis von Dantes Denken politischer Ordnungsformen zu befördern. Die erste These betrifft den Gegenstand, die zweite den wissenschaftlich-disziplinären Status oder den wissenschaftlichen Begründungsmodus der Überlegungen und Argumente Dantes. Die erste These - zum Gegenstand seines politischen Nachdenkens - lautet bei Flasch: "Dantes Staat ist ein ethischer Staat". Die zweite Behauptung - zum wissenschaftlichen Begründungsmodus lautet: "Die Monarchia argumentiert für die Notwendigkeit eines Weltmonarchen; sie entwirft ein neues Verhältnis von Kaiser und Papst. Sie begründet ihre Thesen philosophisch, teilweise auch historisch, nicht wie die meisten zeitgenössischen Traktate kirchenrechtlich". In Bezug auf die erste dieser beiden Thesen wird geklärt, was sie genauer bedeutet; in Bezug auf die zweite wird gezeigt, dass sie in dieser Form unvollständig ist, und zwar insofern, als sie den theologischen Charakter der politischen Lehre Dantes systematisch ausblendet. Dieser Ansicht werden zunächst einige Bemerkungen zum generellen Charakter des politischen Denkens des Florentiners Dichters vorangestellt. (ICI2)

In diesem Beitrag wird die These vertreten, daß sich das staatliche Gewaltmonopol weltweit in einer Krise befindet und die Privatisierung der staatlichen Kontrolle ein Teil dieser Krise des Gewaltmonopols darstellt. Im ersten Abschnitt untersucht der Verfasser das Gewaltmonopol im Zusammenhang des Institutionalisierungsvorgangs von Macht und der Entstehung staatlicher Herrschaft im besonderen. Anschließend wird die Institutionalisierung des staatlichen Gewaltmonopols in großen Teilen der Welt, in Afrika, Lateinamerika und den USA beleuchtet. Dabei unterscheidet der Autor entsprechend verschiedener Typen von Staatlichkeit verschiedene Typen der gesamtstaatlichen Ordnungsform der Gewalt: die despotische und die anomische Ordnung und das konstitutionell-liberale Gewaltmonopol des westlichen Wohlfahrtsstaates. Abschließend wird diejenige gesamtstaatliche Ordnungsform der Gewalt erörtert, die sich mit der Privatisierung der staatlichen Sozialkontrolle anzudeuten scheint und die vom Verfasser als "oligopolitisch-proaktive Ordnung" definiert wird. (ICE)

This edited book offers an overview of different forms of order in 20th- and 21st-century world politics. After a general discussion of the concept of (political) order, the book discusses seven forms of order on a regional and global level, ranging from anarchic forms of order like the (automatic) balance of power to increasingly hierarchical forms of order like hegemony, empire and the world state. The book was written by students of the Masters Program in Political Science at the University of Innsbruck and is intended to be an introduction to forms and theories of order in world politics.

"Im Rahmen einer neo-hobbesschen Perspektive zum Ort der Gewalt in der Gesellschaft untersucht der Beitrag anhand von historischen und empirischen Studien über Afrika, Südamerika, den melanesischen Raum (Papua-Neuguinea) und die okzidentalen Gesellschaften Westeuropas und Nordamerikas vier Typen gesamtgesellschaftlicher Ordnungsformen der Gewalt: die 'neo-despotische', 'parastaatliche', 'postakephal-konstitutionelle' und 'konstitutionell-wohlfahrtsstaatliche' Ordnung. Die These ist, daß sich das staatliche Gewaltmonopol weltweit in einer Krise befindet. Diese Krise zeichnet sich auch in den westlichen Gesellschaften ab, die auf dem Weg sind, die konstitutionell-wohlfahrtsstaatliche Ordnung der Gewalt zu einer 'oligopolistisch-präventiven Sicherheitsordnung' umzuwandeln und mit ihr das Ende des staatlichen Gewaltmonopols einzuleiten. Dieser fünfte Typ einer Ordnungsform der Gewalt wird beschreiben und hervorgehoben, daß er die Grundlagen des okzidentalen Verständnisses über die Beziehungen zwischen Staat, Recht und Gesellschaft berührt." (Autorenreferat)

Ausgehend von den normativen Grundlagen der Demokratie und des islamischen Staatsverständnisses untersucht der Autor, inwieweit demokratische und islamische Ordnungsformen vereinbar sind. Dabei stellt er ausführlich dar, wie sich das vom Fundamentalismus geprägte Staatsdenken Khomeinis entwickelt und wie es im Verfassungsgefüge der Islamischen Republik Iran Niederschlag gefunden hat. Er kommt zu dem Ergebnis, daß sich demokratische Regierungsweise und Islamischer Staat wegen der großen strukturellen Gegensätze in den normativen Grundlagen und in der Ordnungspolitik nicht vereinbaren lassen. (BIOst-Rsg)