Reichsgründung und Wiedervereinigung: Variationen zum Thema "Vergleichbarkeit und Unvergleichbarkeit" von Otto von Bismarck und Helmut Kohl
In: 20 Jahre Deutsche Einheit: Erfolge, Ambivalenzen, Probleme, S. 27-45
Der Autor vergleicht in seinem Vortrag die Umbruchepochen 1864-1871 und 1985-1991, welche auf den ersten Blick völlig unvergleichbar erscheinen. Es bestehen erhebliche Zweifel daran, ob ein Vergleich der Reichsgründung und der Wiedervereinigung unter Otto von Bismarck bzw. Helmut Kohl überhaupt sinnvoll ist. Dennoch gibt es nach Meinung des Autors gute Argumente dafür, völlig unterschiedliche Konstellationen und Typen miteinander zu vergleichen. Denn Vergleiche regen dazu an, bestimmte Besonderheiten der modernen Politik in ihrer historischen Eigentümlichkeit zu erfassen - gerade dann, wenn man sich daran erinnert, wie grundlegend sich die Welt des späten 20. Jahrhunderts von den mittleren Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts unterschieden hat. Immerhin hat ein vergleichbarer Vorgang stattgefunden: Beide Male gelang es, in Deutschland einen deutschen Nationalstaat zu errichten oder nach langer Teilung wiederherzustellen, dies trotz stärkster Widerstände im Innern und in einem internationalen Umfeld, das eigentlich nicht erwarten ließ, dass der Versuch gelingt. Und in beiden Fällen haben zwei bemerkenswerte Spitzenpolitiker einen maßgeblichen, vielleicht sogar entscheidenden Anteil am Gelingen gehabt: der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck und der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland Helmut Kohl. Wo zeigen sich also, ist nun zu fragen, neben den vielen Unterschieden doch Vergleichbarkeiten, über die nachzudenken es sich lohnt? (ICI2)