Die Psychoanalyse hat sich in ihrer inzwischen hundertjährigen Geschichte zu einer wirkmächtigen Theorie, die zumindest in Teilen vielerorts rezipiert worden ist, und zu einer Institution der Ausbildung von Adepten wie auch der Krankenbehandlung entwickelt. Bei näherer Betrachtung zeigen sich jedoch in ihrer Geschichte und aktuellen Verfassung innere Widersprüchlichkeiten und Brüche, die zu verstehen ihr mit ihrer personenzentrierten Theorie nicht gelingt. In diesem Band werden wissenschaftliche, institutionelle und historische Aspekte der Psychoanalyse mit Hilfe verschiedener soziologischer Ansätze untersucht.
Der Autor stellt seinem Beitrag voran, daß die Psychoanalyse weder eine Theorie der Politik noch eine politische Theorie war, aber dennoch als kulturell verwerfliche Lehre politisch verfolgt wurde. Für die Gegenwart konstatiert er, daß sich die Lage der Psychoanalyse normalisiert hat und sie kaum noch einen Beitrag zur aktuellen gesellschaftspolitischen Debatte leistet. Trotzdem lebt die von Freud hergeleitete Auffassung der Psychoanalyse als einer Lehre, bei der gesellschaftskritische Resonanzen mitschwingen, außerhalb des Berufsstandes fort. Im folgenden wird der Zusammenhang zwischen individuellen Leiden und gesellschaftlichen Verhältnissen beleuchtet. Der Autor kommt zu folgendem Schluß: "Den Zusammenhang zwischen der modernen Vergesellschaftung der Individuen, den lebensgeschichtlich bedingten psychischen Konflikten und den Leiden an der Gesellschaft mit Insistenz in Erinnerung zu rufen und theoretisch auf nicht triviale Weise zu bearbeiten, ist ein eminent aufklärerisches Moment der Psychoanalyse. Genau genommen hat sie das Programm der Aufklärung - insbesondere der politischen Aufklärung - dadurch radikalisiert, daß sie die unterschwelligen Kräfte des menschlichen Daseins, die sich der öffentlichen Sichtbarkeit und der auf dieser Sichtbarkeit schwörenden Erfahrung entziehen, benannt und beschrieben hat." (psz)
Viele biographische Darstellungen Freuds und Untersuchungen zur Psychoanalyse vermitteln den Eindruck, diese Wissenschaft sei dem Kopf ihres Schöpfers entsprungen wie Athene dem Haupte des Zeus. Freud selbst und die Herausgeber seiner Schriften in seiner Nachfolge haben dazu beigetragen, diesen Eindruck zu festigen, indem sie fast ausnahmslos alle seine wissenschaftlichen Publikationen, die vor dem Zeitpunkt der Begründung der Psychoanalyse líegen, von der Aufnahme in die Gesammelten Werke ausschlossen. Die vorliegende Studie unternimmt es, anhand sämtlicher bis 1985 bekannter voranalytischer Schriften Freuds den praktischen und theoretischen Entwicklungsprozeß bis zu den Studien über die Hysterie zu rekonstruieren. Aus dieser Analyse wird deutlich, welche Rolle in diesem Prozeß die fortgeschrittensten zeitgenössischen Positionen von Neuroanatomie und Neurophysiologie spielen, wie Freuds Forschungsbeiträge auf diesen Gebieten sich wesentlich durch die fortwährende kritische Reflexion der Untersuchungsmethoden wie den Anspruch dersystematischen theoretischen Verarbeitung der neuen Beobachtungsergebnisse auszeichnen - beides Elemente, denen im Übergang von der Medizin zur Psycvhoanalyse kaum zu überschätzende Bedeutung zukommt -, wie die Anknüpfung über Joseph Breuer an die französische Hysterieforschung und -therapie Charcots und Berheims erfolgte, und schließlich welchen wissenschaftstheoretischen Problemen sich Freud gegenüber sah in der Ablösung vom naturwissenschaftlichen Paradigma der Forschung zur Psychonanalyse.
Vorgelegt werden die Erfahrungen eines Psychologen und Psychoanalytikers aus einer über 20-jährigen Praxis der Lehre über die Psychoanalyse an der Universtät im Rahmen der Ausbildung von Medizinern und Psychologen. Angesprochen werden dabei vor allem (1) strukturelle Rahmenbedingungen der Hochschullehre, (2) Charakteristika der akademischen Psychologie, (3) die Geschichte und der aktuelle Stand der Psychoanalyse sowie (4) die Einstellungen und Meinungen von an Universitäten lehrenden Psychoanalytikern und Psychoanalytikerinnen.
Das Verhältnis von Psychoanalyse und Politik wird aus historischer Perspektive erörtert. Zunächst wird S. Freuds Einstellung zur Gesellschaft beschrieben. Dann folgt eine Darstellung des Verhaltens einiger Schüler Freuds, die sozialistisch oder kommunistisch orientiert waren. 1925 versuchten Paul Federn und Heinrich Meng eine Darstellung der Psychoanalyse für das Volk durch "Das Psychoanalytische Volksbuch", das sehr erfolgreich war. Die Zeitschriften "Psychoanalytische Pädagogik" und "Psychoanalytische Bewegung" folgten schnell und waren ein erster Versuch, auf gesellschaftliche Verhältnisse einzuwirken. Alle diese Bemühungen endeten 1938. In den Vereinigten Staaten von Amerika versuchten einige Analytiker einen ähnlichen Weg zu gehen, der für etwa 25 Jahre auch beträchtlichen Erfolg zeigte, aber heute kaum Beachtung findet. In Europa setzte sich der Gedanke Freuds, dass Eros über Thanatos siegen müsse, langsam durch. Abschließend wird die Frage der Laienanalyse behandelt, da sie darauf aufbaut, dass die Psychoanalyse eine Psychologie des Unbewussten ist und nicht eine Psychotherapie, die nur eine - und keineswegs die wichtigste - Anwendung ist. ; peerReviewed ; publishedVersion
In: Zur Psychoanalyse der nuklearen Drohung: Vorträge einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (1984), S. 133-153
Der Autor zeigt die historische Entwicklung auf, wie die Berufsgruppe der Psychoanalytiker ihre Einstellung zur Friedenspolitik im Laufe der letzten 70 Jahre veränderte. E. Fromm stellte als einzelner die Verbindung von der 1. Friedensgeneration (nach dem 1. Weltkrieg) zur 2. Generation dar, aber die fortschreitende Irrationalität der Aufrüstung machte ihn mutlos. A. Mitscherlich führte die Friedensarbeit weiter, und als Vertreter der 3. Generation hat H.-E. Richter mit der politischen Abstinenz der meisten Analytiker gebrochen und fordert zum Widerstand gegen das mörderische Paranoid des atomaren Schreckens auf. Der Autor ruft dazu auf, sich aktiv als Berufsgruppe an der Friedensarbeit zu beteiligen und den Dialog zwischen der Friedensbewegung und denen, die den Frieden mit totaler Rüstung herstellen wollen, argumentativ zu begleiten. (KO)