Die Überführung von Schlüsselindustrien in Gemeineigentum war früher eine zentrale Forderung von SPD und Gewerkschaften. Seit dem Godesberger Programm der SPD von 1959 und dem Düsseldorfer Grundsatzprogramm des DGB von 1963 gilt jedoch die Vergesellschaftung der Produktionsmittel nicht mehr als Ziel an sich, sondern allenfalls als letztes Mittel, wenn anders die Ziele einer sozialen Demokratie nicht erreicht werden können. Gleichwohl hält sich im linken politischen Spektrum hartnäckig die Idee einer anderen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung mit Unternehmensformen, deren Ziel nicht die Profitmaximierung, sondern die Förderung des Gemeinwohls ist. In diesem Beitrag wird anhand der Praxis öffentlicher und gemeinwirtschaftlicher Unternehmen sowie der Erfahrungen mit selbstverwalteten Betrieben geprüft, ob nicht-profitorientierte Unternehmen tatsächlich dem «Gemeinwohl» dienen und ihre geschäftspolitischen Entscheidungen «sozialer» sind. Er setzt den im vorigen Heft der perspektiven erschienenen Artikel «Den Kapitalismus überwinden?» fort.
Bibliotheken, Archive und Museen in und für die Öffentlichkeit im Digitalen Zeitalter ist das Projektthema eines vergleichenden Forschungsprojektes "ALMPUB" gefördert vom Norwegischen Forschungsrat in den letzten drei Jahren. In zwei großen, vergleichenden Umfragen wurde zum einen die Bevölkerung von sechs europäischen Ländern (Norwegen, Dänemark, Schweden, Ungarn, Deutschland und die Schweiz) repräsentativ befragt sowie eine analoge Erhebung in der Berufswelt durchgeführt. Ziel war es, im Vergleich herauszufinden, welchen Stellenwert für die demokratische und die digitale Gesellschaft die Bibliotheken jeweils einnehmen und ob sie die neue(n) Rolle(n) in ihrem Selbstverständnis und ihrem aktuellen Angebot tatsächlich erfüllen. Nicht überraschend ergibt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den eher südlichen und den nordischen Ländern, die teilweise sogar in ihren Bibliotheksgesetzen seit einiger Zeit Bibliotheken dazu verpflichten, zur Entwicklung der Demokratie des Landes beizutragen. Ein Verständnis dafür ist in der Bevölkerung und in der Berufspraxis in Deutschland vergleichsweise wenig verbreitet. Zwar sehen die Mehrheit der befragten Bibliothekarinnen und Bibliothekare in Deutschland eine wichtige Rolle für Bibliotheken darin, Demokratie zu fördern durch Bereitstellung von Information und Wissen, aber wenn es um konkrete Angebote zur Meinungsbildung z.B. durch aktivierende oder dialogorientierte Veranstaltungsformen geht, nimmt die Zustimmung anders als z.B. in Norwegen ab. Dennoch ist eine Tendenz zu erkennen, dass die neue politische Rolle von Bibliotheken von der Bevölkerung angenommen und gefordert wird, und dass Bibliothekarinnen und Bibliothekare sich auch in dieser Rolle sehen. Deutschland weicht von diesem Gesamtbild nur graduell ab. ; Libraries, archives and museums and the public sphere in the digital age is the project theme of a comparative research project "ALMPUB" funded by the Norwegian Research Council over the last three years. In large surveys based on probability samples, the population of six European countries (Norway, Denmark, Sweden, Hungary, Germany and Switzerland) was surveyed on their view and acceptance of new and traditional roles and services of archives, libraries and museums. An analogous survey of the three professional fields gave further comparative insights. The aim was to find out what significance libraries have for the democratic and digital society and whether they actually fulfil the new roles in their self-image and their current offerings. Not surprisingly, there is a clear difference between the Nordic countries and the South of Europe. Some of the Nordic countries have even codified the obligation of contributing to the development of the country's democracy in their library laws. However, this meets with comparatively little understanding among the population as well as in professional practice in Germany. Although the majority of librarians surveyed in Germany see an important role for libraries in promoting democracy through the provision of information and knowledge, the approval decreases when it comes to concrete offers to form opinions, e.g. through activating or dialogue-oriented forms of events. Nevertheless, there is a tendency to recognise that the new political role of libraries is accepted and demanded by the population, and that librarians also see themselves in this role. Germany deviates from this overall picture only gradually.
Der Bericht enthält Kennzahlen zu den Entwicklungen in der Sozialhilfe in 14 Schweizer Städten für das Jahr 2020. Er richtet sich an Politik, Verwaltung und eine interessierte Öffentlichkeit. Verglichen werden die Städte Zürich, Basel, Lausanne, Bern, Winterthur, Luzern, St.Gallen, Biel/Bienne, Schaffhausen, Chur, Uster, Zug, Wädenswil und Schlieren. Der Kennzahlenvergleich der Städteinitiative Sozialpolitik wird seit 20 Jahren durchgeführt. Ziel dieser regelmässigen Berichterstattung ist es, unter Berücksichtigung des jeweiligen sozialen und wirtschaftlichen Kontexts die Entwicklungen in der Sozialhilfe auf städtischer Ebene vergleichend und in einer längerfristigen Optik darzustellen. ; Ce rapport traite des indicateurs rendant compte des évolutions de l'aide sociale dans 14 villes suisses en 2020. Il s'adresse aux responsables politiques et administratifs, mais aussi à tout public intéressé. L'analyse intègre les villes de Zurich, Bâle, Lausanne, Berne, Winterthour, Lucerne, Saint-Gall, Bienne, Schaffhouse, Coire, Uster, Zoug, Wädenswil et Schlieren. L'Initiative des villes pour la politique sociale effectue et publie régulièrement ce reporting depuis 20 ans, avec l'objectif d'illustrer les évolutions dans l'aide sociale au niveau communal sous une forme comparative et dans une optique à long terme, en tenant compte du contexte social et économique local.
Der Bericht enthält Kennzahlen zu den Entwicklungen in der Sozialhilfe in 14 Schweizer Städten für das Jahr 2019. Er richtet sich an Politik, Verwaltung und eine interessierte Öffentlichkeit. Verglichen werden die Städte Zürich, Basel, Lausanne, Bern, Winterthur, Luzern, St.Gallen, Biel/Bienne, Schaffhausen, Chur, Uster, Zug, Wädenswil und Schlieren. Der Kennzahlenvergleich der Städteinitiative Sozialpolitik wird seit 20 Jahren durchgeführt. Ziel dieser regelmässigen Berichterstattung ist es, unter Berücksichtigung des jeweiligen sozialen und wirtschaftlichen Kontexts die Entwicklungen in der Sozialhilfe auf städtischer Ebene vergleichend und in einer längerfristigen Optik darzustellen. ; Ce rapport traite des indicateurs rendant compte des évolutions de l'aide sociale dans 14 villes suisses en 2019. Il s'adresse aux responsables politiques et administratifs, mais aussi à tout public intéressé. L'analyse intègre les villes de Zurich, Bâle, Lausanne, Berne, Winterthour, Lucerne, Saint-Gall, Bienne, Schaffhouse, Coire, Uster, Zoug, Wädenswil et Schlieren. L'Initiative des villes pour la politique sociale effectue et publie régulièrement ce reporting depuis 20 ans, avec l'objectif d'illustrer les évolutions dans l'aide sociale au niveau communal sous une forme comparative et dans une optique à long terme, en tenant compte du contexte social et économique local.
Der Sozial- oder Wohlfahrtsstaat ist das institutionelle Fundament des staatlichen Handelns, das auf die Absicherung von Lebensrisiken, die Reduktion von Ungleichheit und Armut sowie die Förderung von Chancengleichheit zielt. Im Kern bedeutet Sozialstaatlichkeit, dass grundlegende Belange der privaten Wohlfahrt zum Gegenstand staatlicher Politik werden. Durch die Garantie von Ansprüchen auf Grundsicherung und weiteren Sozialrechten auf Verfassungs- und Gesetzesstufe übernimmt die Gesellschaft formal und somit ausdrücklich Verantwortung für das Wohlergehen ihrer Mitglieder. ; L'État social, ou État-providence, est le fondement institutionnel de l'action de l'État visant à couvrir les risques de la vie, à réduire les inégalités et la pauvreté et à promouvoir l'égalité des chances. En substance, l'État social signifie que les préoccupations fondamentales du bienêtre privé deviennent l'objet de la politique de l'État. En garantissant les droits à la couverture des besoins vitaux et d'autres droits sociaux aux niveaux constitutionnel et législatif, la société endosse formellement et explicitement la responsabilité du bien-être de ses membres.
The given thesis includes three independent chapters which all contribute to the theory of public economics. They are linked, theoretically, by the fact that an information asymmetry is included in the presented environment. In the first two chapters agents are assumed to hold private information on their preferences. Making use of a mechanism design approach, applications such as a bilateral trade problem, the provision of a public good and the design of an optimal income tax schedule are studied. More precisely, Chapter 1 relates discrete and continuous formulations of the independent private values model and derives conditions under which these two behave qualitatively the same. Chapter 2 studies how a Mirrleesian income tax model is affected by the assumption of arbitrary directions of redistribution and addresses the question how the corresponding optimal income tax schedules should be designed. In the third chapter individuals are incompletely informed about the characteristics of a public good. Only incomplete information on the good's productivity and governmental contributions are available such that salience becomes a driving factor for individual behavior and hence, the provision of the good. A common aim of all three chapters is to disentangle and evaluate the effects of information asymmetry in the respective setting. In an environment as considered in the first two chapters, individuals being privately informed about preferences yields a social cost. Thus, only a second-best situation can be reached where welfare is lower compared to a full information environment. However, this is not true in a situation as studied in Chapter 3. Here, the information asymmetry can be exploited by a benevolent government to improve welfare compared to a situation with complete information. Conclusively, the effects of information asymmetry on welfare and optimal allocations are non-trivial and depend on the considered environment.
Since the late 19th century different social actors have played an important role in providing social security in Switzerland. Cooperatives, philanthropic organisations, social insurances, and the poor relief of the communes were all part of a "mixed economy of welfare". This article examines how the different actors in this "mixed economy" worked together, and asks what forms of help they supplied. It raises the question of whether a dichotomy between public and private forms of relief can be traced in the Swiss case. Did democratically legitimised processes of redistribution shape the social security system? Or was social security rather funded by private relief programs? The author argues that in the early 20th century, a complex public-private mix structured the Swiss welfare state and the poor often depended on both public and private funding. In this system, financially potent philanthropic organisations successfully contested the legal power of public actors. ; Since the late 19th century different social actors have played an important role in providing social security in Switzerland. Cooperatives, philanthropic organisations, social insurances, and the poor relief of the communes were all part of a "mixed economy of welfare". This article examines how the different actors in this "mixed economy" worked together, and asks what forms of help they supplied. It raises the question of whether a dichotomy between public and private forms of relief can be traced in the Swiss case. Did democratically legitimised processes of redistribution shape the social security system? Or was social security rather funded by private relief programs? The author argues that in the early 20th century, a complex public-private mix structured the Swiss welfare state and the poor often depended on both public and private funding. In this system, financially potent philanthropic organisations successfully contested the legal power of public actors.
Gegenstand dieser kumulativen Habilitationsschrift sind teils publizierte, teils zur Publikation vorgesehen Beiträge zur wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Theoriebildung im Bereich Governance und Public Policy. Die Beiträge befassen sich insgesamt mit theoretischen Grundfragen der Evolution von Staatlichkeit und den institutionellen Bedingungen der Steuerung politisch-ökonomischer Prozesse. Hierbei wird ein theoretisches Feld abgedeckt, dass von der ökonomischen Theorie der Wirtschaftspolitik über die politikwissenschaftliche Theorie des Wohlfahrtsstaates bis hin zur politischen Ökonomie der europäischen Integration reicht. Gemeinsam ist all diesen theoretischen Perspektiven die Zugehörigkeit zum Diskussionszusammenhang des neuen Institutionalismus in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Er wird in der vorliegenden Arbeit vor allem hinsichtlich seiner Erklärungskraft für volkswirtschaftliche und politologische Fragestellungen zu Rate gezogen. Mit den Bezügen zur den Konzepten der Governance und der Public Policy lässt sich die Arbeit daher insgesamt als Beitrag zur aktuellen staats- und steuerungstheoretischen Debatte im ökonomischen und politikwissenschaftlichen Institutionalismus werten. Beide Bereiche sind dann als Pfeiler eines gemeinsamen staatswissenschaftlichen Paradigmas zu verstehen. Die Arbeit setzt sich aus zehn Einzeltexten zusammen. Sieben liegen in englischer Sprache vor, drei in deutscher Sprache. In der vorliegenden kumulativen Habilitationsschrift sind diese Einzelbeiträge systematisch in fünf Teilen mit jeweils zwei Kapiteln angeordnet.
This Dissertation is devoted to the empirical analysis of the consequences of government action. In particular, it investigates the distributional impact of fundamental tax reform and the welfare cost of bequest taxation. Further chapters assess the sustainability of public budgets in light of demographic change and the productivity impact of air pollution.
Globalisierung, Digitalisierung und Krisen verändern die Armutsrisiken. Um rechtzeitig darauf reagieren zu können, ist die Armutspolitik auf eine regelmässige und solide Faktenlage angewiesen. Als Grundlage für die Erstellung dieser Informationen hat die Berner Fachhochschule deshalb gemeinsam mit Caritas Schweiz ein Modell entwickelt, mit dem die Armutsbeobachtung in der Schweiz erheblich verbessert werden kann.
Stimmen aus Medizin und Politik fordern ein besseres Zusammenspiel des Gesundheits- und des Sozialwesens. Wie dieses Zusammenspiel konkret aussehen kann, zeigt die Kinderarztpraxis Youkidoc in Basel. Seit Anfang 2021 bietet sie in Zusammenarbeit mit der Caritas beider Basel Sozialberatung an. Dieser Beitrag gibt einen Einblick in das Pilotprojekt.
Obwohl das BFS regelmässig Armutsindikatoren auf nationaler Ebene veröffentlicht, bleibt das Bild zur Armut in der Schweiz lückenhaft. Es fehlen flächendeckende und vergleichbare Indikatoren zur Armutssituation in den Kantonen, obwohl die Bekämpfung der Armut zu einem grossen Teil in die Zuständigkeit der Kantone fällt. Derzeit erstellen einige Kantone in unregelmässigen Abständen Armutsberichte, andere analysieren den Sozialleistungsbezug und für eine dritte Gruppe liegen keine Kennzahlen vor. Diese fragmentierte Informationslage erschwert das Vorankommen in der Armutspolitik. Die Berner Fachhochschule und Caritas Schweiz haben deshalb ein Modell eines Armutsmonitorings entwickelt, mit dem die Kantone regelmässig eine vergleichbare Grundlage zur Armutssituation und -entwicklung erstellen können. Dank neuen Möglichkeiten des Data-Linkage können bestehende Daten auf Kantonsebene für ein Armutsmonitoring genutzt werden. Das Modell stützt sich auf kantonale Steuerdaten ab, welche weiteren statistischen Daten verknüpft werden. Diese neue Datenbasis bietet grosses Potenzial für ein umfassendes Monitoring in der Schweiz.
Der von Bund, Kommunen und Selbsthilfeorganisationen ausgerufene "demenzfreundliche" Umbau der Gesellschaft wird einer kritischen Analyse unterzogen. Hierfür werden die polit-ökonomischen und wohlfahrtstaatlichen Rahmenbedingungen des sozialpolitischen Konzepts der "sorgenden Gemeinschaft" rekonstruiert, welches die Zivilgesellschaft zu einer wesentlichen Akteurin "demenzsensibler" Kommunen erklärt. Unter den gegebenen Bedingungen läuft diese Entwicklung Gefahr, den mangelnden Ausbau sozialstaatlicher Transfer- und Dienstleistungen in der Altensorge abzufedern. Am Beispiel des Konzepts der "demenzfreundlichen Kommune" wird gezeigt, dass bürgerschaftliches Sorgepraktiken Menschen mit Demenz zugleich Emanzipationsgewinne in Form von steigender sozialer Partizipation und Selbstbestimmung ermöglichen. Ausgehend von diesem Spannungsverhältnis wird ein Vorschlag unterbreitet, wie gemeinwesenorientierte Care-Arrangements jenseits der Dichotomie von sozialstaatlichem Sparmodell und idealistisch verklärter Sorgegemeinschaft zu fassen wären. ; The author analyzes the "dementia friendly" reorganization of society as proclaimed by the German federation, local communes and self-help organizations. He reconstructs the political-economic and welfare state conditions of the policy concept of "caring communities" which declares the civic society a crucial player within the "dementia friendly" city. Under current conditions this development runs the risk of compensating structural gaps within the publicly funded system of elderly care. However, by further exploring the civil rights concept of "dementia-friendly communities" it is stated that communal and civic forms of collective caring can simultaneously help to enforce emancipatory forms of participation and self-determination for people with dementia. Against this backdrop the author contours an alternative analytic framing for community-based arrangements of care that avoids the analytical dichotomy of either considering it a lean social welfare model or idealizing it as a warm and caring community.