Dieser "Profile"-Band beleuchtet das Phänomen des Rassismus in seinen gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Kontexten. Aus dem Inhalt: - Definitionsprobleme und Theorien - Vorläufer des modernen Rassismus - Entstehung des Rassendiskurses im 18./19. Jahrhundert - Rassentheorien und Nationalsozialismus - Rassenantisemitismus, Kolonialrassismus, Antiziganismus - staatlich institutionalisierter Rassismus - Rassismus und Genozid - Rassismus seit 1945
Dass die Rassismusanalyse sich nicht mit »dem Rassismus«, sondern mit unterschiedlichen »Rassismen« beschäftigt, ist mittlerweile ein methodischer Gemeinplatz. Rassismus muss in seinen spezifischen sozialhistorischen Ausprägungen und konkreten Verbindungen mit anderen Formen sozialer Diskriminierung untersucht werden. Dieser Band diskutiert die dazu entwickelten Ansätze und die damit verbundenen Probleme in drei zentralen Kontexten: kategorial im Hinblick auf zentrale Begriffe der Rassismusforschung, historisch im Zusammenhang mit den Formen rassistisch bestimmter Inklusion und Exklusion und politisch in Bezug auf Methoden und Funktionen rassistischer Vergesellschaftung.
Die multikulturalistische "Feier der Differenz", der Respekt vor dem Pluralismus, das Bekenntnis zur Identitätspolitik - all das gilt als Erkennungszeichen einer progressiven, antirassistischen Einstellung und als Fundament einer modernen liberalen Demokratie. Im Mittelpunkt steht dabei die Ansicht, dass der kulturelle Hintergrund der Individuen deren Identität bestimmt und erklären hilft, wer sie sind. Wenn wir Individuen mit Achtung und Respekt behandeln wollen, dann müssen wir auch die Gruppen mit Achtung und Respekt behandeln, die sie mit ihrem persönlichen Lebensgefühl ausstatten. Eine Erscheinungsform solcher Gleichbehandlung ist für den Autor die zunehmende Tendenz in einigen westlichen Ländern, dem religiösen Recht - der jüdischen Halacha und der islamischen Scharia - in Zivil- und gelegentlich in Strafsachen den Vorrang gegenüber dem weltlichen Recht einzuräumen. Der Essay kritisiert die argumentative Logik dieser "Kulturschützer". Ihr zufolge hat jede Kultur eine autochthone Form, ihren ursprünglichen Zustand. Sie verfällt, wenn sie sich nicht länger in diesem Zustand befindet. Das erinnert an den Begriff des "Typus", der im Mittelpunkt der Rassenkunde des 19.Jahrhunderts stand. All der Rede über die Veränderungen der Kultur und ihre "flüssige Identität" zum Trotz führt der Multikulturalismus nicht weniger als der altmodische Rassismus die Menschen unweigerlich dazu, von menschlichen Gruppen in festen Begriffen zu denken. Die Rechte bedient sich heute daher einer Sprache der Diversität der Differenz: "Ich liebe die Nordafrikaner", erklärte Jean-Marie Le Pen, "aber ich liebe sie in ihrem Land." Durch die Sprache der Diversität ist der Rassismus einfach in eine weitere kulturelle Identität verwandelt worden. (ICA2)
Der Autor stellt die Frage nach dem Zusammenhang von Rassismus und Entwicklungszusammenarbeit, der - so die These - beträchtlich enger ist, als es dem gängigen Selbstverständnis der EZA der westlichen Welt entspricht. Nachgezeichnet wird zunächst, wie auf der Grundlage bestimmter wahrgenommener körperlicher Unterschiede und v.a. kultureller Faktoren vermeintlich "natürliche Ungleichheit" sozial konstruiert und die so die "rassische" Einteilung der Menschheit möglich wurde. So wurden anfänglich die "roten" Indianer durch die europäischen Kolonialisten nicht als rot, die "gelben" Chinesen nicht als gelb und auch die "Schwarzen" nicht unbedingt als schwarz beschrieben. Erst im Rahmen der Legitimation von Gewalt, Kolonialismus und Sklavenhandel sind diese Kategorien entstanden. Heute ist wissenschaftlich erwiesen, dass Definitionen des Rassismus vom angeblich natürlichen Tatbestand der Rasse falsch sind. "Rassen sind Resultat, nicht Voraussetzung rassistischer Argumentation". Offensichtliche phänotypische Variationen wie die Hautfarbe korrelieren auch nicht mit genetischen Variationsmustern. Die Rede von unterschiedlichen menschlichen Rassen kann wissenschaftlich nicht auf der Hautfarbe begründet werden, genauso wenig wie eine Einteilung der Menschheit in Braun-, Grün- und Blauäugige oder anhand ihrer Ohrenform eine Ableitung von (minder- oder höherwertigen) Eigenschaften erlaubt. Gezeigt wird insgesamt, wie solche Vorstellungen - mehr oder weniger implizit - in eine (eurozentrische) Entwicklungspolitik immer noch einfließen. (ICA2)
Der Beitrag geht der Frage nach, was als die eigentliche Novität des Neorassismus im neuen Europa bezeichnet werden kann. Die Ablösung von biologistischen durch kulturalistische Prämissen und Terminologien stellt für die Autorin keine ausreichende Erklärung dar. Auch in der "Vorliebe" für Begriffe wie "Fremdenfeindlichkeit", "Ausländerfeindlichkeit" und "Fremdenangst" als Distanzierungen vom Rassismus sieht die Autorin keinen Bruch mit der rassistischen Tradition nach 1945. Die Nichtverwendung des Begriffs Rassismus indiziert häufig nur, dass die soziale und politische Diskriminierung von ImmigrantInnen und Flüchtlingen als "Frage der Empfindungen, Emotionen und Ängste der Bevölkerung erklärt wird". Der Beitrag verweist insgesamt auf die soziale Ungleichheit stabilisierenden Effekte von neuen rassistischen Diskursen sowie darauf, dass das neue Europa für alte wie neue Rassismen offen ist. (ICA)