Abstract. Aim: In the research and treatment of Substance Use Disorders (SUDs), craving for alcohol, nicotine, and drugs is an important concept associated with addictive processes, including relapse after treatment. The 12-item Mannheimer Craving Scale (MaCS) has been proved to be an economic, reliable, and valid self-rating instrument across several substances in German samples. The aim of this study was to examine its psychometric characteristics in a Swiss German sample. Method: Overall, 166 patients were recruited from an inpatient SUD treatment program at the University Hospital of Psychiatry in Bern, Switzerland. Results: The internal consistency was high and the test-retest reliability was satisfactory. The total scale and three specific analogue craving measures were highly correlated. Principal component analysis extracted two factors, explaining 62 % of the total variance, and these factors were confirmed through confirmatory factor analysis. However, the two factors correlated highly, and several items loaded on both factors, so that the factor structure was inconclusive. Conclusions: The psychometric characteristics of the MaCS in a Swiss German sample are as good as those characteristics of the German version, suggesting that it is a valid and reliable measure. The MaCS factor structure must be examined on a larger sample that integrates a broader range of SUDs and their severities.
Die COVID-19 Pandemie und ihre gesamtgesellschaftlichen Folgen werden zum Stresstest für die globale Agenda "Frauen, Frieden und Sicherheit". Mit dieser Agenda verfolgt die Weltgemeinschaft seit dem Jahr 2000 das Ziel, Frauen in Situationen von gewaltsamen Konflikten und in der Phase des Wiederaufbaus vor Gewalt und Menschenrechtsverletzungen zu schützen, ihnen eine belangvolle Partizipation im Friedensprozess zu ermöglichen und so zu einem gendersensiblen Friedensbildungsprozess beizutragen. Im vorliegenden Beitrag wird argumentiert, dass die Folgen der Corona-Krise einen Rückfall im Implementierungsprozess der Agenda auslösen könnten, insbesondere in Bezug auf Geschlechterstereotype. Es wird diskutiert ob bestimmte als traditionell-weiblich perzipierte Rollen verfestigt werden und welche Auswirkungen diese Beobachtung auf die Zukunft der globalen Agenda haben könnte. Von besonderer Bedeutung ist hierbei das Konzept der globalen Fürsorge. ; The COVID-19 pandemic and its consequences for society as a whole are becoming a stress test for the global agenda "Women, Peace and Security". With this agenda, the international community has been pursuing since 2000 the goal of protecting women in situations of violent conflict and in the reconstruction phase from violence and human rights violations, enabling them to participate in the peace process in a meaningful way and thus contributing to a gender-sensitive peacebuilding process. The paper argues that the consequences of the Corona crisis could trigger a relapse in the implementation process of the Agenda, especially with regard to gender stereotypes. It is discussed whether certain roles perceived as traditional feminine are being consolidated and what effects this observation could have on the future of the global agenda. The concept of global care is of particular importance.
Vor dem Hintergrund der international steigenden Zahl an Konfliktrückfällen insbesondere im Anschluss an bereits offiziell für beendet erklärte Bürgerkriege und die daraus folgende zunehmende Relevanz von Peacebuilding-Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft, wird in diesem Beitrag die Arbeit der Kommission für Friedenskonsolidierung der Vereinten Nationen untersucht. Einerseits werden hierbei, nach einigen einführenden Erläuterungen zum Begriff der Friedenskonsolidierung an sich sowie der Zusammensetzung und Funktionsweise der Kommission, zunächst ihre einzelnen Aufträge systematisch unter Einordnung in den Kontext des Peacebuilding-Systems der Vereinten Nationen herausgearbeitet und eine auswertende Bilanz unter ihre bisherige Erfüllung gezogen. Daran anschließend erfolgt eine Darstellung der zukünftigen Möglichkeiten der Kommission im Bereich der Friedenskonsolidierung unter besonderer Berücksichtigung ihres Potenzials innerhalb des Systems der Vereinten Nationen sowie der einschlägigen völkerrechtlichen Aspekte. ; Against the background of the internationally growing number of relapses into conflict, especially following civil wars which have already officially been declared as terminated and the increasing relevance of peacebuilding actions of the international community resulting therefrom, this paper examines the work of the Peacebuilding Commission (PBC) of the United Nations. On the one hand, subsequent to some introductory remarks on the concept of peacebuilding itself as well as on the composition and operating modes of the PBC, its particular mandates are identified systematically while inserting them into the larger context of the peacebuilding system of the United Nations and making an assessment of their fulfilment so far. Thereafter, a description of the future opportunities of the Commission in the field of peacebuilding is given in special consideration of its potential within the system of the United Nations and the respective aspects of international law.
Das Assessment of Risk and Manageability for Individuals with Developmental and Intellectual Limitations who Offend Sexually (ARMIDILO-S) ist ein klinisch-ideographisches Kriminalprognoseinstrument, speziell für den Personenkreis intelligenzgeminderter erwachsener Männer, die Sexualstraftaten begangen oder sexuell grenzverletzendes Verhalten gezeigt haben. Neben der Einschätzung des Rückfallrisikos liefert das ARMIDILO-S Anhaltspunkte für die Behandlung und Betreuung von Personen mit Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit, indem Interventionsziele identifiziert werden. Dabei werden Hinweise auf systematische Strategien zur Verringerung von Risiko- und zum Ausbau von Schutzfaktoren gegeben. Das ARMIDILO-S ist nicht auf einen bestimmten Nachbeobachtungszeitraum ausgelegt, sondern ermöglicht durch eine fortwährende Prüfung kritische Indikatoren sowohl im Risikomanagement als auch im Behandlungsprozess im Blick zu behalten. Dies wird insbesondere durch den Aufbau des Instruments ermöglicht, welches sowohl stabil- als auch akut-dynamische Risikofaktoren des Probanden und seines (Entlassungs-)Umfelds mit 27 Items abfragt. Die englischsprachige Originalversion des ARMIDILO-S (Boer, Tough & Haaven, 2004; Boer, Haaven, Lambrick, Lindsay, McVilly, Sakdalan & Frize, 2013) wurde in verschiedenen Studien hinsichtlich ihrer prädiktiven Aussagekraft überprüft und als Case-Management-Instrument positiv bewertet (Blacker, Beech, Wilcox & Boer, 2011; Lofthouse, Lindsay, Totsika, Hastings, Boer & Haaven, 2013). Mit diesem BM-Online-Band wird die offizielle deutsche Übersetzung des ARMIDILO-S für die praktische Anwendung zur Verfügung gestellt.
'Durch strafrechtliche Sanktionen soll Rückfallverhütung betrieben werden. Ob und in welchem Maße dieses Ziel erreicht wird, war bis vor wenigen Jahren für das deutsche Strafrecht noch weitgehend unbekannt. Durch die Rückfallstatistik wurde erstmals für alle Sanktionen das Maß der Legalbewährung ermittelt. Danach sind - in der Tendenz - die Rückfallraten umso höher, je schwerer die verhängten Sanktionen sind. Da Art bzw. Höhe der Sanktion auch durch das Rückfallrisiko bestimmt werden, ist die Höhe der Rückfallrate kein Beleg für eine kausale Wirkung der Sanktion. Hierzu bedarf es eines Forschungsansatzes, bei dem vergleichbare Tat- und Tätergruppen miteinander verglichen werden, die sich - im Idealfall - nur durch die Art der Sanktion unterscheiden. Durch entsprechende Wirkungsuntersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Annahme, durch härtere Sanktionen die Rückfallraten stärker zu senken als durch Diversion, empirisch nicht bestätigt werden konnte. Diese Ergebnisse sind folgenreich. Denn die eingriffsintensiveren Maßnahmen bedürfen der Begründung ihrer präventiven Effizienz, nicht umgekehrt. Wo - und das ist die Forschungslage - die bessere Wirksamkeit der härteren Sanktion nicht belegbar ist, ist - sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalls dagegen sprechen - die mildere Sanktion der jeweils härteren vorzuziehen.' (Autorenreferat)
Die Entwicklung von jugendlichen Drogenabhängigen nach einer qualifizierten Entzugsbehandlung wird untersucht. Dabei wird vor allem nach dem Einfluss kritischer Lebensereignisse, der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben und dem Stellenwert nachfolgender Behandlungen für den Ausstiegsprozess gefragt. Die Stichprobe bestand aus 30 Patienten des Niedersächsischen Landeskrankenhauses Königslutter. Innerhalb eines Jahres wurden diese Patienten in monatlichen Abständen aufgesucht und interviewt. Das methodische Vorgehen orientierte sich am Paradigma der qualitativen Sozialforschung. Zunächst werden die Einzelfälle unter den oben genannten Gesichtspunkten ausgewertet und dann hinsichtlich verschiedener Kriterien verglichen. Ein wichtiges Ergebnis war, dass der Ausstieg aus der Drogenabhängigkeit einen langfristigen Prozess darstellt, der nicht gradlinig verläuft, sondern durch Behandlungsabbrüche, Rückfälle und Inhaftierungen immer wieder unterbrochen wird. Wartezeiten auf Behandlungen unterbrechen diesen Prozess ebenfalls immer wieder. Der Ausstiegsprozess ist offensichtlich so vielfältig wie die Erscheinungsformen der jeweils individuellen Situation des Abhängigen. Aus diesem Grunde ist es auch nicht sinnvoll, den Erfolg einer Entzugsbehandlung ausschließlich anhand des Drogenkonsums zu beurteilen. Die Existenz von "Clean"-Phasen und die Inanspruchnahme von weiterführenden Behandlungen sind demgegenüber wesentliche Erfolgsindikatoren. Die abschließende Diskussion macht deutlich, dass sowohl die Einschätzung von Behandlungsmaßnahmen als auch die Bewertung der Behandlungsresultate von den vorherrschenden gesellschaftlichen Werten und dem vorhandenen Behandlungssystem abhängig sind.
Weltweit zeichnet sich eine Tendenz zur Regression ab, d.h., ein Rückfall auf überwunden geglaubte Bedürfnisse, Weltbilder und Parolen, die historisch gewonnene Freiheit und Vernunft als Steuerungsmaximen menschlichen Handelns wieder zurücknehmen. Welche Bildungsprozesse wären imstande, die Menschen zu ermächtigen, sich kompetent und verantwortet in die eigenen wie in allgemeine Angelegenheiten einzumischen? Der vorliegende Beitrag diskutiert sechs Säulen formaler Qualifizierung, die gegen den regressiven Sog in freiwillige Knechtschaft wappnen und fit machen könnten für die Zumutungen der Freiheit: Selbstdenken, Eigensinn, Versiertheit in der Dynamik sozialer Systeme, universalistische Moral und Humor. Ein Fazit der Autorin: Legitime Antworten auf politische Fragen von Menschen mit diversen Erfahrungen und widersprüchlichen Interessen lassen sich nur in deliberativen Prozessen finden. Die Zivilgesellschaft, die Öffentlichkeit wären probate Orte, um gesamtgesellschaftliche Fragen aufzuklären und argumentativ auszuhandeln. Diskursive politische Willensbildung könnte intellektuelle wie moralische Qualifizierung der Bürger_innen mit sich bringen und damit vernünftiges Wahlverhalten. Die Ergebnisse öffentlicher Diskurse wären wertvoller Input für ratio nale Entscheidungsprozesse in Regierung und Verwaltung. Schließlich läge es noch an der Zivilgesellschaft, die Entscheidungen im Zentrum politischer Macht zu kontrollieren. (DIPF/Orig.) ; Around the world a tendency toward regression has emerged, i.e. a relapse to ostensibly passé needs, worldviews and slogans that cancel out previously hard-won freedom and reason as the maxims for controlling human action. In light of this, what educational processes would be able to empower people to competently and responsibly intervene in their own affairs as in general matters? This article discusses six pillars of formal qualifications that might serve as arms against the regressive undertow into voluntary servitude and prepare the individual to meet the demands of freedom: these virtues are thinking for oneself, obstinacy, experience in the dynamics of social systems, universalist(ic) morals and humor. One of the author's conclusions: Legitimate answers to political questions by people with diverse experiences and contradictory interests can only be found in deliberative processes. Civil society and the public sphere are appropriate places in which to clarify issues that affect society as a whole and negotiate through argumentation. Discursive formation of political will could go hand in hand with intellectual and moral qualifications of citizens and thus reasonable voting behaviour. (DIPF/Orig.)
Bisher mangelt es an kontrollierten Untersuchungen zum Effekt des offenen Vollzugs auf die Legalbewährung, da vorherige Studien unterschiedliche Gruppen von Inhaftierten miteinander verglichen. Um diesem Selektionseffekt entgegenzuwirken, wurden in der vorliegenden Studie mittels Matching-Verfahren vergleichbare Gruppen von Gefangenen gebildet. Mit Hilfe von Bundeszentralregisterdaten konnten die Rückfallquote, -geschwindigkeit und -schwere untersucht sowie individuelle Risiko- und Schutzfaktoren der Gefangenen kontrolliert werden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Unterbringung im offenen Vollzug über die Positivauswahl von Gefangenen hinaus einen eigenständigen Effekt hat und das Risiko einer erneuten Inhaftierung signifikant reduziert.
In den vergangenen Jahren haben Prozesse, die unter dem Schlagwort Globalisierung firmieren, die Dienstleistungsbereiche der Gesellschaft und auch den Strafvollzug nicht unberührt gelassen. Die so genannte Haftpopulation hat sich durch die Öffnung der Grenzen verändert, die Belegung der Justizvollzugsanstalten hat sich, entgegen den Zahlen der Kriminalitätsstatistiken, weiter erhöht, Strafgesetze wurden nicht zuletzt aufgrund der Ereignisse des '11. September' verschärft. Gleichzeitig hat der finanzielle Druck auf die öffentlichen Haushalte, aus denen der Strafvollzug finanziert wird, zugenommen. Im Herbst 2006 geht die erste teilprivatisierte Haftanstalt Deutschland 'ans Netz'. Dieselbe Betreibergesellschaft betreibt auch das bisher einzige 'Private Prison' Schottlands, etwa 40 Kilometer südlich von Glasgow. Der Autor berichtet über seine Erfahrungen als Pfarrer in zwei Justizvollzugsanstalten in Schottland. Gespräche mit Häftlingen und Personal im Jahr 2003 bilden die Grundlage der Ausführungen. Das Fazit lautet, dass weder das staatlich noch das privat betriebene Gefängnis den Anforderungen entspricht, die im 'Scotland's Criminal Justice Plan' vorgegeben sind. Die Begründung der Befürworter der Privatisierung im Bereich des Justizvollzuges lautet in der Sprache der Organisationsentwicklung und Ökonomie: Der 'Outcome' ist bei deutlich niedrigeren Kosten der gleiche. Die Rückfallquoten Gefangener aus HMP Kilmarnock und HMP Perth sind jedoch gleich hoch. (ICA2)
Der Forschungsbericht enthält eine exemplarische Evaluation des Hauses des Jugendrechts Frankfurt am Main-Höchst, das in seiner Anlaufphase bereits Gegenstand eines Vorgängerprojekts in den Jahren 2010 bis 2012 war. Dort arbeiten wie in den meisten "Häusern des Jugendrechts" Jugendstaatsanwaltschaft, Polizei und Jugendgerichtshilfe zusammen, hinzu kommt als lokale Besonderheit die Einbeziehung des von einem freien Träger angebotenen Täter-Opfer-Ausgleichs. Die Förderung von Diversionsmaßnahmen und die Vermeidung von Haft gelten vor Ort als wichtige Ziele. Erstmals untersucht wurde, ob junge Beschuldigte, die im Haus des Jugendrechts Höchst betreut werden, nach Abschluss des Verfahrens weniger oft rückfällig werden als vergleichbare Personen aus anderen Frankfurter Stadtteilen, wo das traditionelle Jugendstrafverfahren praktiziert wurde. Dazu wurden Bundeszentralregisterdaten und die Einträge des bei den Staatsanwaltschaften in Hessen eingeführten Vorgangsverwaltungssystems MESTA untersucht. Die Legalbewährung wurde aufgrund von Auskünften aus dem Bundeszentralregister mit einem Beobachtungszeitraum von mindestens vier Jahren untersucht. Dabei blieben in der Experimentalgruppe (N = 250) aus dem Haus des Jugendrechts 70 % der Jugendlichen und Heranwachsenden ohne Folgeeintragung, während in der Kontrollgruppe (N = 130) die Fälle erneuter Eintragungen mit einem Anteil von insgesamt 59 % deutlich im Vordergrund standen. Allerdings waren die beiden Gruppen wegen deutlich unterschiedlicher Fallstrukturen und Verfahrensweisen der Staatsanwaltschaft nur eingeschränkt vergleichbar. In der ergänzenden Befragung berichteten die vier interviewten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses des Jugendrechts Höchst von einer positiven interdisziplinären Kooperation und zeigten sich vom Konzept des Hauses des Jugendrechts überzeugt. Besonders positiv seien der persönliche Kontakt untereinander und die kurzen Wege.
Der Forschungsbericht enthält eine exemplarische Evaluation des Hauses des Jugendrechts Frankfurt am Main-Höchst, das in seiner Anlaufphase bereits Gegenstand eines Vorgängerprojekts in den Jahren 2010 bis 2012 war. Dort arbeiten wie in den meisten "Häusern des Jugendrechts" Jugendstaatsanwaltschaft, Polizei und Jugendgerichtshilfe zusammen, hinzu kommt als lokale Besonderheit die Einbeziehung des von einem freien Träger angebotenen Täter-Opfer-Ausgleichs. Die Förderung von Diversionsmaßnahmen und die Vermeidung von Haft gelten vor Ort als wichtige Ziele. Erstmals untersucht wurde, ob junge Beschuldigte, die im Haus des Jugendrechts Höchst betreut werden, nach Abschluss des Verfahrens weniger oft rückfällig werden als vergleichbare Personen aus anderen Frankfurter Stadtteilen, wo das traditionelle Jugendstrafverfahren praktiziert wurde. Dazu wurden Bundeszentralregisterdaten und die Einträge des bei den Staatsanwaltschaften in Hessen eingeführten Vorgangsverwaltungssystems MESTA untersucht. Die Legalbewährung wurde aufgrund von Auskünften aus dem Bundeszentralregister mit einem Beobachtungszeitraum von mindestens vier Jahren untersucht. Dabei blieben in der Experimentalgruppe (N = 250) aus dem Haus des Jugendrechts 70% der Jugendlichen und Heranwachsenden ohne Folgeeintragung, während in der Kontrollgruppe (N = 130) die Fälle erneuter Eintragungen mit einem Anteil von insgesamt 59% deutlich im Vordergrund standen. Allerdings waren die beiden Gruppen wegen deutlich unterschiedlicher Fallstrukturen und Verfahrensweisen der Staatsanwaltschaft nur eingeschränkt vergleichbar. In der ergänzenden Befragung berichteten die vier interviewten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses des Jugendrechts Höchst von einer positiven interdisziplinären Kooperation und zeigten sich vom Konzept des Hauses des Jugendrechts überzeugt. Besonders positiv seien der persönliche Kontakt untereinander und die kurzen Wege.
"Unter dem Einfluss der modernen oder soziologischen Strafrechtsschule hat in Deutschland seit Ende des 19. Jahrhunderts das strafrechtliche Sanktionensystem weitreichende Veränderungen erfahren. Die Begründung staatlichen Strafens durch die behauptete Präventivwirkung setzt Kriminalpolitik wie Sanktionspraxis der empirischen Überprüfung und Kritik aus. Dies begünstigte die Zurückdrängung freiheitsentziehender Strafen sowie den Ausbau informeller Sanktionen (Diversion). Die Varianz der Sanktionspraxis im zeitlichen Längsschnitt sowie im regionalen Querschnitt ermöglicht eine vergleichende Analyse unterschiedlicher Sanktionen anhand von Daten der bundesweiten Rückfallstatistik. Es zeigt sich, dass ein Austausch freiheitsentziehender zugunsten weniger punitiver Sanktionen möglich ist, ohne dass das Rückfallrisiko dadurch erhöht wird. In Bezug auf kriminalpolitische Forderungen nach mehr und härteren Strafen zeigen die Befunde, dass der Übergang zu eingriffsintensiveren strafrechtlichen Reaktionen nicht die Legalbewährung fördert, sondern die Eskalation von Karrieren wiederholter Straffälligkeit und verschärfter Sanktionierung." (Autorenreferat)
Die Einflüsse auf die Veränderung und Erhaltung von Verhaltensgewohnheiten sind zahlreich und nicht immer vorhersagbar. Die Förderung eines umsichtigen Umgangs mit Abfällen aus dem häuslichen Umfeld kann einen substanziellen Beitrag zum Umwelt- und Ressourcenschutz leisten. Um die Entstehung von Gewohnheiten umweltbezogener Handlungen besser verstehen und damit einen umweltgerechten Ansatz verfolgen zu können, bedarf es noch weiterer Untersuchungen. Am Beispiel einer Gastnation, in Deutschland stationierter US-Militäran-gehöriger, wurde eine auf äußere Strukturen fokussierte Interventionsstudie durchgeführt und evaluiert. Dabei wurden sowohl situationsspezifische als auch soziale Faktoren einbezogen. Die Interventionen basieren auf einer Sequenz von Rückmeldung, sozialer Kontrolle und Beratung. Die Methode der Beobachtung von ausgeführtem Verhalten der Hausgemeinschaften ermöglicht eine objektive Datenerhebung und liefert somit wesentliche Rückschlüsse auf den Erfolg der Interventionsansätze. In dieser Arbeit konnte belegt werden, dass der Umgang mit Siedlungsabfällen unter Einsatz strukturbasierter Interventionssequenz aus Rückmeldung, sozialer Kontrolle und Beratung positiv beeinflusst werden kann. Durch diese Interventionsform wird die Restmüllmenge beachtlich reduziert. Im Gegenzug steigt die Menge der wiederverwertbaren Stoffe wie Leichtverpackungen (Gelbe Tonne = Duales System Deutschland) und Papierabfälle in bedeutendem Ausmaß an. Ebenso kann die Sammlung von biologisch abbaubaren Abfällen (Bioabfall) verstärkt werden. Eine deutliche Verbesserung der Sortiergüte konnte bei allen Abfallsorten erzielt werden. Die gesammelte Menge der Bioabfälle liegt nach der Intervention unterhalb der Vergleichswerte deutscher Siedlungen. Ausgehend von dieser Grundlagenforschung wurde der Forschungsansatz um die Auswirkung einer verminderten Handlungsbarriere bezüglich der Sammlung von Bioabfällen erweitert. Mit den hierfür zur Verfügung gestellten Behältern, welche die unmittelbare Sammlung biologischer Abfälle direkt im Haushalt erleichtern sollten, konnte kein gesteigerter Effekt auf die gesammelte Bioabfallmenge ermittelt werden. Für einen fortführenden Erkenntniszuwachs müssten weitere Untersuchungen bezüglich der mit der Bioabfallsammlung gekoppelten Handlungsbarrieren folgen. Als weiteres Ergebnis konnte gezeigt werden, dass die Dauer zum Erlernen und Ausüben eines optimalen Mülltrennungsverhaltens durchschnittlich mit einer acht- bis zehnwöchigen Intervention realisierbar ist. Damit sind die Ergebnisse mit aktuellen Studien zur Implementierung gesundheitsförderlichen Verhaltens (Lally et al., 2010, Gardner et al., 2012, Sonnenberg et al., 2013) vergleichbar. Eine Stichprobenüberprüfung zur Aufrechterhaltung dieses erlernten Verhaltens ergab, dass diese Handlung neun Wochen nach dem Interventionsprogramm weiterhin optimal ausgeführt wird. Nach siebzehn Wochen sind bereits erste Rückfälle in alte Verhaltensmuster zu verzeichnen. Die Rückfallwahrscheinlichkeit ist bei vormals mangelhaft bewertetem Mülltrennungsverhalten der Hausgemeinschaften höher. Dies deutet auf eine unterschiedliche Fähigkeit der Hausgemeinschaften hin, die Verhaltensänderung beizubehalten. Zur Analyse möglicher sozialer Faktoren, die zu einem unterschiedlichen Mülltrennungsverhalten beitragen können, wurde der sozialen Status der Bewohner in Betracht gezogen. Der soziale Status wurde in Form des Militärranges der US-Army einbezogen. Einwohner, die ein Gebiet bewohnen, in dem der Großteil der Bevölkerung einem höheren sozialen Rang angehört, weisen ein besseres Mülltrennungsverhalten bei gleichzeitig höherer Müllmenge auf als Einwohner, die in einem Gebiet mit überwiegend geringerem sozialem Rang leben. ; The influences leading to behaviour change and stabilisation of our day to day habits are various and not always predictable. By developing a more responsible handling with household waste a substantial contribution to the protection of the environment and to saving resources can be made. However, further research is needed to better understand how to influence these daily habits in order to promote the required behaviour and an environmentally sound approach to household waste treatment. As an example, an interventional study was performed and evaluated. It focused on external structures within a foreign nation - members of the US army living in Germany. Investigations were carried out taking into account the specific situation as well as social factors. The intervention based on a programme of sequential feedback, social control and personal consultation. The method of direct behavioural observation of house communities enabled the collection of objective data which therefore delivered essential conclusions in which to evaluate the success of the intervention. As a result of this approach it was clearly shown that with the sequential intervention comprising feedback, social control and personal consultation, the handling of household waste was positively influenced. There was a significant decrease of residual waste. This effect was accompanied by a major increase of recyclable materials in the form of recyclable packaging material (DSD = Duales System Deutschland) and used paper. The collection of biodegradable waste intensified. Additionally a considerable reduction of impurities within all types of waste was achieved. However, the amount of collected biodegradable waste after intervention was less when compared to German communities. Based on these results the research was extended to an approach aimed at reducing an action barrier for biodegradable waste separation. A small compost bin was provided to the households in order to make the collection of biodegradable waste more likely. The analysis of this approach showed there was no positive effect registered in the amount of the collected biodegradable waste. Additional examinations need to be performed to gain more insight on action barriers in respect to biodegradable waste collection. As a further conclusion it was identified that, on average, the time span of an eight to ten weeks intervention is sufficient to achieve positive behavioural change in waste separation. These results are comparable with actual studies for implementation of health supporting behaviour (Lally et al., 2010, Gardner et al., 2012, Sonnenberg et al., 2013). After the initial intervention programme period had elapsed, spot checks were carried out to ascertain whether the learned behaviour was still performed or not. Nine weeks after the intervention programme the action was still optimal, however, after seventeen weeks the first signs of regression into the old behaviour were documented. House communities, which formerly gained insufficient evaluation, were more likely to relapse. This means that the house communities have different abilities to maintain behaviour changes at a stable level. In the analysis of the possible social factors which contribute to the different waste separation achievements, the social status of the inhabitants was taken into consideration. The social status was comprised through the military rank. Inhabitants living in an area where most of the population is member of a higher social standing were separating their waste better than inhabitants living in an area where the majority of the population belong to a lower social standing. However people belonging to an area with higher social standing are generating a bigger amount of waste.
In den Jahren 1945 bis 1954, vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, bildeten sich in Westeuropa zahlreiche politische Zusammenhänge heraus, die auf eine Einigung des Kontinents auf kooperativer oder supranationaler Grundlage hinarbeiteten. Hierzu zählen die europäischen Einigungsverbände der Union Européenne des Fédéralistes, der christdemokratischen Nouvelles Equipes Inteernationales und der überparteilichen Dachorganisation der Europaverbände Mouvement Européen, die Kooperationsorgane des Verteidigungsbündnisses des Brüsseler Pakts und die Beratende Versammlung des Europarats. All diese Zusammenhänge beschäftigten sich intensiv mit einer besonderen Herausforderung europäischer Einigungspolitik: dem "deutschen Problem". Auch wenn die Anfänge der europäischen Integration im ersten Nachkriegsjahrzehnt in zahlreichen geschichtswissenschaftlichen Arbeiten ausgiebig untersucht worden sind, hat dieses "deutsche Problem" als Thema und Faktor der Einigungsdiskussion kaum eine nähere Betrachtung erfahren. Das lässt sich nicht zuletzt daran ablesen lässt, dass in der Forschung fast ausschließlich von der "deutschen Frage" als Motiv der europäischen Integration die Rede ist, während die Zeitgenossen vom "deutschen Problem" sprachen. Dieser semantische Unterschied spiegelt auch einen Bedeutungsunterschied wider: Die "deutsche Frage" zielte auf die staatsförmige Gestalt der deutschen Nation ab und stellte sich vorrangig den Deutschen selbst, während das "deutsche Problem" in erster Linie die Europäer und die Möglichkeit ihres friedlichen Zusammenlebens mit dem deutschen Nachbarn betraf. Aus zeitgenössischer Perspektive war das "deutsche Problem" insofern ein drängendes europäisches Problem und bedurfte einer Lösung durch die europäische Einigung. Anhand der genannten Verbände und Institutionen, deren Funktion in der ersten Phase der europäischen Integration vor allem darin zu sehen ist, dass sie Foren der Diskussion über die Möglichkeit, die Notwendigkeit und die Gestalt eines geeinten Europas darstellten, lässt sich die Bedeutung des "deutschen Problems" als gemeineuropäische Herausforderung deutlich nachvollziehen. Denn der Beginn der Einigungsdiskussion in all diesen Foren stand mit dem "deutschen Problem" in Zusammenhang. Die UEF bildeten mit ihrer Gründung im Jahr 1946 eine ständige Deutschlandkommission, die NEI veranstalteten Anfang 1948 eine Konferenz über "Le problème allemand", und das ME wurde infolge des Haager Europakongresses vom Mai 1948 gegründet, auf dem die Debatten über die Zukunft Deutschlands in Europa breiten Raum einnahmen und ebenfalls zur Gründung einer Deutschlandkommission führten. Der Brüsseler Pakt hatte zum erklärten Ziel, eine erneut aggressive Politik Deutschlands zu unterbinden und widmete sich dieser Aufgabe nicht zuletzt durch seinen Beschluss der Gründung des Europarats, um dem wiederentstehenden westdeutschen Staat eine europäische Perspektive zu vermitteln. Der Europarat stand daher mit dem "deutschen Problem" in einem konstitutiven Zusammenhang, und in jeder Sitzungsperiode seiner Beratenden Versammlung trat dieser Zusammenhang auch in den Diskussionen zutage. Dabei wurde nicht, wie etwa in den Einigungsverbänden, das "deutsche Problem" in speziellen Kommissionen oder als eigenes Thema behandelt, es affizierte vielmehr die grundsätzlichen Diskussionen über die Fort- und Zielsetzung europäischer Einigungspolitik. Die Erwägung einer ökonomischen Integration hatte das als überlegen erachtete deutsche Potential an Rohstoffen und industriellen Produktionskapazitäten zum zentralen Thema. Die Debatten über eine europäische Armee zielten auf die Verhinderung einer nationalen deutschen Armee. Die Überlegungen zur politischen Einigung des Kontinents kreisten um das Risiko eines angenommenen nationalistischen Rückfalls der Deutschen. Zudem beschäftigten sich die verschiedenen Foren der europäischen Einigungsdiskussion ausgiebig mit spezifisch deutschen Problemen wie Territorialdisputen, der deutschen Jugend oder den deutschen Vertriebenen und Flüchtlingen. Aber auch diese Probleme wurden bloß als Ausprägungen des grundsätzlichen "deutschen Problems", als Hinweise auf den wiedererwachenden Nationalismus, die Demokratieunfähigkeit oder die Reorientierung der Deutschen nach Osten, somit als europäische Probleme verstanden. Aus Sicht der europäischen Einigungsdiskussion bestand das "deutsche Problem" so lange, wie die deutschen Probleme nicht in eine europäische Lösungsstrategie eingebettet waren. Dieses Verständnis einer Abhängigkeit Europas von Deutschland ließ das "deutsche Problem" als ein europäisches Problem, die Zukunft Europas als untrennbar mit der Zukunft Deutschlands verbunden erscheinen. Die europäische Integration war insofern konzipiert als Einigung Europas sowohl mit als auch gegen Deutschland. ; During the period between 1945 and 1954, from the end of the Second World War until the failure of the European Defense Community, several political associations were formed in Western Europe working towards a unification of the continent on a cooperative or integrative basis. Among those associations were the unification movements Union Européenne des Fédéralistes, the Christian-Democratic Nouvelles Equipes Inteernationales, and the Mouvement Européen as a non-party umbrella organization of the unifications movements, the collaborative bodies of the defense alliance Brussels Treaty Organization and the Consultative Assembly of the Council of Europe. All of those associations dealt in great depth with one particular challenge of European unification: the "German problem". Although the beginnings of European integration in the first post-war decade have been examined extensively in numerous historical studies, the "German problem" as a subject and parameter of the discussions on unification has rarely received a closer investigation. This can be taken not least from the fact that research is almost exclusively naming the "German question" as a motive for European integration, whereas contemporaries were talking about the "German problem." This difference in semantics also reflects a difference in meaning: The "German question" pointed at the German nation-state and was raised mostly by the Germans themselves, while the "German problem" first and foremost concerned Europeans and the possibility of their peaceful cohabitation with the German neighbor. From the contemporary perspective, the "German problem" was a pestering European problem and required a solution be means of European unification. On the basis of the abovementioned movements and institutions, whose role during the first phase of European integration can be understood primarily as constituting forums of discussion on the necessity, possibility and shape of a united Europe, the significance of the "German problem" as a European challenge can be clearly retraced. The origins of discussions on European unification were connected to the "German problem" in all of those forums. Right after their foundation, in 1946, the UEF formed a commission on Germany, in early 1948 the NEI organized a conference on "Le problème allemande", and the ME was founded after the The Hague Congress of Europe from May 1948, during which the debates on the future of Germany were extensive and resulted in the establishment of another commission on Germany. The Brussels Treaty Organization had the declared goal of preventing a renewed German policy of aggression and consecrated its work to this end, not least through its decision to form the Council of Europe to deliver a European perspective for the reemerging West German state. The Council of Europe, therefore, had a constitutive connection to the "German problem", and during every of its Consultative Assembly's yearly sessions this connection manifested itself in the debates. The "German problem" was not dealt with in specially assigned commissions or as a separate subject as it was in the unification movements, it rather affected the fundamental discussions on the development and goals of European unification policy. The contemplation of economic integration focused on a German potential of raw materials and manufacturing capacities, regarded as superior. The debates on a European army aimed at the prevention of a national German army. The deliberations on the political unification of the continent revolved around an assumed nationalist relapse of the Germans. Additionally, the different forums of discussion on European unification dealt with specific German problems like territorial disputes, the German youth or the German expellees and refugees. But, those problems were also understood as characteristics of the fundamental "German problem", as hints of a reawakening nationalism, the democratic inabilities and the reorientation of the Germans towards the east, therefore as European problems. From the perspective of the discussion on European unification, the "German problem" persisted as long as the German problems were not resolved within a European framework. This understanding of a European dependency from Germany let the "German problem" appear as a European problem, and the future of Europe as inextricably bound to the future of Germany. European integration therefore meant the unification of Europe with as well as against Germany.