Das Mitgliedschaftsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften befindet sich in einem Spannungsfeld von staatlichem und religiösem Recht. Herkömmlich legen die Rechtsordnungen der Religionsgemeinschaften nach Maßgabe ihrer religiösen Grundüberzeugungen fest, wer zur Gemeinschaft gehören soll. Das staatliche Grundrecht der Religionsfreiheit gewährt wiederum jedermann das Recht, Mitglied einer (öffentlich-rechtlichen) Religionsgemeinschaft zu sein oder aber eine bestehende Mitgliedschaft mit "bürgerlicher" Wirkung zu beenden. Davon ausgehend stellt sich das Problem, wie sogenannte "Inkompatibilitäten" beider Rechtsordnungen aufzulösen sind. Welchen Rahmen gibt das staatliche Recht den Religionsgemeinschaften für ihr Mitgliedschaftsrecht vor? Lässt sich aus der Religionsfreiheit ein absolutes Freiwilligkeitsgebot herleiten? Wo weichen die Regelungen der Glaubensgemeinschaften hiervon ab und wie können Divergenzen überbrückt werden? Die vorliegende Arbeit untersucht diese Fragen und nimmt dazu nach einer historischen und staatskirchenrechtlichen Einordnung die Rechtsbeziehungen der Mitglieder zu den christlichen, jüdischen und islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland in den Blick.
Seit zwanzig Jahren boomen weltweit religiöse Gemeinschaften. Wenig spricht noch für die These, Religionen würden in den Bereich des Privaten abgedrängt. Es ist umgekehrt: im Namen von Religionen werden öffentlich Ansprüche gestellt. Dies geschieht nicht mehr (nur) durch die offiziellen Repräsentanten. Der Platz von Religionen in der Öffentlichkeit säkularer Staaten ist rechtlich definiert und erlaubt es auf vielfältige Weise, religiöse Erfahrungen und Bewertungen in die Zivilgesellschaft zu transportieren. In diesem Band, der aus einer Tagung am Max-Weber-Kolleg hervorgegangen ist, klären Juristen, Soziologen und Religionswissenschaftler gemeinsam die Wechselwirkungen zwischen Verfassungsrechten und Religionen. Anhand der Situation in Deutschland, von Rückblicken auf das Römische Recht und Vergleichen mit den USA weisen sie nach, daß die Rechtskonzeptionen von Religionen eine lange Geschichte haben, sich signifikant von einander unterscheiden und das Öffentlichwerden von Religionen einschließlich des Islam mit bestimmen.
Religiöse und kulturelle Partikularisierung stellen Gesellschaft und staatliche Rechtsordnung vor erhebliche Herausforderungen. Die religionsverfassungsrechtliche Dogmatik entwickelt erst langsam Instrumente, die Freiheitssphären der Religionsgemeinschaften und des Einzelnen und den Normbefolgungsanspruch der staatlichen Rechtsordnung neu auszutarieren. Dies geschieht jedoch kaum in der leistungsstaatlichen Dimension des Verhältnisses zwischen Staat und Religionsgemeinschaften: Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften werden ungefragt perpetuiert. -- Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, eine der religiösen und kulturellen Varianz in der Gesellschaft entsprechende religionsverfassungsrechtliche Fundamentierung der überkommenen Staatsleistungen vorzunehmen. Hierzu wird die Ablösungsvorschrift des Art. 138 Abs. 1 WRV gleichermaßen dogmatisch neu erfasst, wie die verfassungsrechtlichen Bindungen des leistenden Staates auf der Basis einer Neuinterpretation der verfassungstheoretischen und verfassungsrechtlichen Grundlagen des Staates in seiner Säkularität, seiner Rolle als schwach integrative Kulturverfassungsrechtsordnung und als aktivierender Sozialstaat reformuliert werden.
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VorwortDie Religionsfreiheit zählt zu den wichtigsten Grundrechten in einem modernen, demokratischen Staat. Jedoch ist die rechtliche Umsetzung der darin enthaltenen Garantien zuweilen sehr schwierig. Denn wie regelt man rechtlich einen Bereich, in welchem das Transzendente das Weltliche überragt? Jeder Staat regelt sein Religionsrecht in einem anderen Ausmaß. Die zugestandenen Garantien für Kirchen und Religionsgemeinschaften drücken das historisch gewachsene Verhältnis zw Staat und Religion aus. Denn Religion war immer schon Teil der Gesellschaft, auch als Staaten noch nicht existierten. Religion war auch immer ein Bereich, welcher großes Konfliktpotenzial mit sich brachte. Darum zeigen sich in kaum einer anderen Materie die geschichtlichen Wurzeln eines Staates so sehr, wie in seinem Religionsrecht.Doch die Zeiten werden moderner und entwickeln sich in neue Richtungen, dies macht auch vor der Religion nicht halt. Staaten müssen auf diese neuen Entwicklungen reagieren und sie in sein rechtliches System eingliedern. Auch das Recht der Kirchen und Religionsgemeinschaften verlangt Veränderung. Aber Erneuerungen in diesem Bereich sind meistens schwieriger umzusetzen, als in anderen Materien.Die folgende Arbeit befasst sich mit der Anerkennung von Kirchen und Religionsgemeinschaften in Österreich und der Schweiz. Zwei moderne europäische Staaten, welche in ihrem Anerkennungsrecht einige Gemeinsamkeiten haben, jedoch auch große rechtliche Unterschiede erkennen lassen. Dass die rechtliche Regelung in diesem Bereich eine große Herausforderung darstellt zeigt sich insb daran, dass beide Systeme einige verfassungsrechtliche Probleme aufweisen. Die Umsetzung der Religionsfreiheit, der Status von Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie die manchmal rechtlich bedenklichen Regelungen bilden den Inhalt dieser staatsvergleichenden Arbeit. ; AbstractReligious freedom is one of the most important fundamental rights in a modern democratic state. But the legal implementation of its included guarantees is sometimes very difficult. How can you legally regulate a topic in which transcendency overlaps secular authority?In the way how a state treats its churches and religious communities you can see which value theese institutions have in its national system. It is important to find a balance which shows the importantness of churches and religious communities for the society and which also keeps the govermental influence as low als possible.Every state regulates its religious law in a different dimension. The accorded guarantees for churches and religious communities express the historic grown relation between the state and the religion. This is because religion has always been a part of the society, even when states did?nt exist. Religion also always included a high potential of conflict. This is the reason why the religious law shows like no other topic the legal-historic roots of a state.But times are changing and developing in new dirctions, also in religious areas. States have to react and have to include this new trends in their legal system. Also the law of churches and religious communities needs transformation. But modernisations in this topic are more difficult to implement than in other areas. The following thesis deals with the legal acceptance of churches and religious communities in Austria and Swizerland. Two modern european states which have many similarities in their acceptential law but also huge legal differences. The system of both states has several constitutional problems which shows that the legal regulation of this topic is a huge challenge .The implementation of religious freedom, the status of churches and religious communities and their sometimes questionable legal regulations are the core of this thesis. ; vorgelegt von Döpper Gloria Rosina ; Abweichender Titel laut Übersetzung der Verfasserin/des Verfassers ; Graz, Univ., Dipl.-Arb., 2012 ; (VLID)224179
Die Zeitschriften MEINE WELT und SÜDASIEN haben eine engere Zusammenarbeit vereinbart. Beide Publikationen widmen sich der Region Südasien und versuchen über die dortigen Gesellschaften, Politik, Wirtschaft und Alltag nicht nur zu informieren, sondern Verständnis auch für das Besondere zu wecken. Als erstes Element der Kooperation werden wir in absehbarer Zukunft jeweils einen Artikel aus dem anderen Journal veröffentlichen. Den Anfang macht der nachfolgende Text von Rainer Hörig über die Parsi in Indien. Rainer Hörig ist verantwortlicher Redakteur bei MEINE WELT.
Welche Tendenzen und Probleme manifestieren sich heute bei der öffentlich-rechtlichen Anerkennung von Religionsgemeinschaften in der Schweiz? Wie muss diese Rechtsfigur weiterentwickelt werden, damit sie auch in Zukunft noch zeitgemäß sein wird? Wir beurteilen die Kirchen und Religionsgemeinschaften selber den öffentlich-rechtlichen Status, und welches sind ihre Desiderate? Auf diese Fragen gibt das vorliegende Buch Antworten. Es thematisiert auch die Schwierigkeiten, welche sich dann ergeben, wenn Religionsgemeinschaften und Staat von unterschiedlichen Organisationsmodellen ausgehen. Erörtert werden weiter die Möglichkeiten für eine Fortentwicklung des Anerkennungssystems im Hinblick auf kleinere und neue Religionsgemeinschaften. Die christlichen Freikirchen, bisher stets bewusst rein privatrechtlich organisiert, signalisieren heute Interesse am öffentlich-rechtlichen Status. Welche Chancen und Probleme sind schließlich mit einer Anerkennung islamischer Gemeinschaften verbunden? Neben Beiträgen von Staatskirchenrechtlern enthält das Buch Stellungnahmen von Vertretern der evangelisch-reformierten Kirche (R. Reich), der römisch-katholischen Kirche (R.-B. Trauffer und A. Odermatt), der christkatholischen Kirche (M. Weyermann) und der jüdischen Gemeinschaften (R. Bloch), sodann der evangelisch-methodistischen Kirche (Th. Schaad), der Baptistengemeinden (P. Deutsch), der Pilgermission St. Chrischona (M. Müller) und der Islamischen Ortganisation in Zürich (I. Amin)