Seit etwa zwei Jahrzehnten lässt sich ein Aufschwung der religionssoziologischen Arbeit in Deutschland beobachten. Der Artikel gibt einen Überblick über die Entwicklung der Religionssoziologie in Deutschland von 1945 bis zur Gegenwart, stellt Hauptströmungen der deutschen Religionssoziologie dar, identifiziert Grundprobleme, die in den religionssoziologischen Debatten immer wieder behandelt werden, und benennt Aufgaben für die zukünftige religionssoziologische Forschung. Die Entwicklung der Religionssoziologie wird in drei Perioden eingeteilt. Die kirchensoziologische Phase findet ihren Abschluss in der ersten Hälfte der 1960er Jahre durch die Kritik Thomas Luckmanns, Joachim Matthes' und Trutz Rendtorffs am reduktionistischen Ansatz der Kirchensoziologie. Nach der 'neoklassischen' Periode der 70er Jahre, in der theoretische Großentwürfe (Privatisierungsthese, Systemtheorie, Christentumssoziologie sowie Kritische Theorie) dominierten und empirische Forschungen ein Schattendasein fristeten, bemüht sich die Religionssoziologie seit den 1990er Jahren stärker um eine Verklammerung von Theorie und Empirie. In Aufnahme älterer religionssoziologischer Grundprobleme wie der Frage nach der Bestimmung des Religionsbegriffes oder der Abwägung der Bedeutung von Säkularisierungs- und Individualisierungsprozessen kommt sie seitdem mehr und mehr zu einer Neubewertung des Stellenwerts von Religion in modernen Gesellschaften, deren dynamisches Potential zunehmend wieder entdeckt wird. ; We can observe an upswing of the research work in the sociology of religion in Germany over the last two decades. The article provides an overview about the development of the German sociology of religion from 1945 upwards, describes its main tendencies, defines basic problems present in the debates of the discipline and identifies tasks to be dealt with in prospective research work. The article divides the development of the sociology of religion in Germany into three periods. The phase of the sociology of church starts in the fifties and ends in the first half of the 1960ties with Thomas Luckmann's, Joachim Matthes' and Trutz Rendtorff's criticism of the reductionism of the sociology of church. Theoretical grand narratives like the theory of privatization, system's theory, the sociology of Christendom and the Frankfurt school of Critical theory dominated in the 1970ties whereas empirical research work in that period remained rather unnoticed. Since the 1990ties sociology of religion more and more has been trying to combine theoretical considerations and empirical analyses. By taking up older basic problems such as defining religion or judging the significance of secularization and individualization the discipline is undergoing a reevaluation of the social relevance of religion in modern societies rediscovering its dynamic potential.
Sektion Arbeits und Industriesoziologie Sektion Kultursoziologie Sektionen Politische Soziologie und Rechtssoziologie Sektion Religionssoziologie Sektion Wissenssoziologie
Die Ringvorlesung "Rückkehr der Religion oder säkulare Kultur? Kultur- und Religionssoziologie heute" am Institut für Soziologie der Freien Universität Berlin (Sommersemester 2006) war Grundlage für den vorliegenden gleichnamigen Band. Die Autoren behandeln zunächst allgemeine soziologische Fragen in Bezug auf "Universalität und Territorialität", um sich dann spezifischer mit den Bereichen der Kultursoziologie, der Religionssoziologie und abschließend mit der Frage nach "Kultur und Religion – zu ihrem Sitz im Leben" zu beschäftigen. Trotz unterschiedlicher Themenschwerpunkte und Herangehensweisen ist allen Beiträgen die Fragestellung nach der Positionierung des Faches Soziologie in der Wissenschaft inhärent. Durch den Band wird es Studierenden der Kultur- und Religionssoziologie sowie Studierenden der Soziologie und Religionswissenschaften möglich, einen Überblick über die verschiedenen Themenfelder der Soziologie in Bezug auf Religion und Kultur zu bekommen, der bei Interesse anhand der ausführlichen Literaturangaben am Ende jedes Aufsatzes vertieft werden kann. ; This volume is based on the eponymous lecture series ("Come-back of Religion or Secular Culture? Sociology of Culture and Religion Today") that took place at the Freie Universität Berlin's Institute of Sociology in summer 2006. After laying out some general issues pertaining to 'universality' and 'territoriality', the authors focus on specific challenges confronting the sociologies of culture and religion. Finally, they analyse the place of culture and religion in our lives. The articles cover a variety of themes and methodologies, but each addresses the inherent question: What is the position of sociology in the sciences?This volume is recommended for students seeking an overview of current issues in the sociology of religion and culture, and includes bibliographies to guide more in-depth research.
Sektionen Arbeits- und Industriesoziologie und Wissenschafts- und Technikforschung Sektion Land- und Agrarsoziologie Sektionen Politische Soziologie und Wirtschaftssoziologie Sektion Professionssoziologie Sektion Religionssoziologie Sektion Soziale Ungleichheit und Sozialstrukturanalyse Sektion Soziologie der Kindheit Sektionen Soziologie des Körpers und des Sports und Wissenssoziologie Sektion Umweltsoziologie Sektion Wirtschaftssoziologie
Rechtsstaatlichkeit, der Respekt vor der Meinung anderer und die Nichtanwendung von Gewalt zur Lösung gesellschaftlicher Probleme gehören zu den spezifischen Besonderheiten von zivilen und demokratischen Gesellschaften. Gehen wir demzufolge von Hannah Arendt' aus und nehmen wir ebenfalls an, dass das Leben in einem staatlichen Gemeinwesen und politisch zu sein bedeutet, sämtliche Fragen durch Dialog und Überzeugungsarbeit zu lösen anstatt durch Zwang und Gewalt, dann können wir das Fehlen von institutioneller und struktureller Gewalt als Bemühen zur Schaffung einer Demokratie anerkennen. Die Menschen waren stets daran interessiert, die unterschiedlichen Formen von Gewalt aus ihrer Gesellschaft zu verbannen und an deren Stelle Frieden, Recht und Gesetz, Gerechtigkeit und Freiheit zu setzen. Die Menschen greifen aus ganz unterschiedlichen Gründen zur Anwendung von Gewaltmitteln. Zahlreiche Faktoren üben dabei einen Einfluss aus, einer davon ist die Religion. Aufgrund ihrer bitteren Erfahrungen, die die Menschen im christlichen Abendland mit der Einmischung der Religion in die Politik sowie mit Gewalt und Repression vonseiten der Kirche gemacht hatten, sahen sie in der Renaissance die Lösung für die Ausmerzung von gesellschaftlichen repressiven Zwangsmaßnahmen in der Trennung von Religion und Politik sowie dem generellen Rückzug der Religion aus dem politischen Geschehen, woraufhin allmählich im Westen eine säkulare Gesellschaftsform etabliert worden ist. In der Geschichte der islamischen Welt hingegen übte die Religion immer wieder dann, wenn sie mit der Politik verschmolz, ganz unterschiedliche Einflüsse aus. Beispielsweise waren Staat und Religion in der Epoche der ersten islamischen Kalifen maßgeblich für die Befreiung des Volkes aus Stammesfehden, Gesetzlosigkeit und Ungerechtigkeit verantwortlich. Aus diesem Grund konnte der Islam auch innerhalb kürzester Zeit sowohl das Römische als auch das Persische Reich bezwingen. In den folgenden Jahrhunderten verlieh die Religion in der islamischen ebenso wie in der christlichen Welt den Staaten die nötige Legitimation und Stärke, die sie benötigten, um vor dem Volke zu bestehen. Dementsprechend haben wir es hier mit der Frage zu tun, welchen Standpunkt die Religionen zu Staat und Demokratie einnehmen und in welchem theoretischen Verhältnis sie zueinander stehen. Sind die historischen Erfahrungen von Islam und Christentum auf diesem Gebiet identisch? Im Gegensatz zur Trennung von Religion und Politik in der christlichen Tradition ist im Islam das Einssein'' von Religion und Politik eine unbestreitbare religiöse Tatsache; im Islam sind Politik und Religion miteinander verschmolzen, während die Unterscheidung in religiöse und weltliche Angelegenheiten im Christentum eine Verpflichtung zu doppelter Loyalität bildet. Die Trennung von Religion und Politik hatte daher in der christlichen Welt nicht immer das gleiche Ausmaß. Die Vertreter Gottes und diejenigen des Kaisers zeigten teilweise eine gegenseitige Annäherung, bisweilen wandten sie sich voneinander ab. In Anbetracht der Tatsache, dass es im Verhältnis von Religion und Politik unterschiedliche Ausprägungen gibt, sind auch differierende Ansichten über die Frage geäußert worden, in welchem Stadium ihrer Einheit Despotismus und Gewalt hervorgebracht werden. Die Beziehung zwischen Religion und Staat kann auf verschiedene Weise untersucht werden. Eine Möglichkeit besteht in der historischen Methode. Es handelt sich dabei um den Versuch, die wechselseitigen Beziehungen zwischen Religion und Regiment im Verlauf ihrer parallelen Entwicklung bei sämtlichen Völkern und Kulturen in den einzelnen Epochen aufzuzeigen. Ferner können die in einer solchen Beziehung herrschenden Prinzipien phänomenologisch analysiert werden. Die ausschließliche Anwendung jeder Methode hat ihre Grenzen. Aus der ersten Methode entstehen zahlreiche sich überschneidende Materialien, bei der zweiten Methode könnte wiederum die Beschreibung mit normativen Gesichtspunkten verwischt werden. Daher ist es ratsam, die Mitte zwischen beiden Methoden zu wählen. Es sollen die Vorteile beider Methoden genutzt und die geeigneten Elemente in eine spezielle Methode der Religionssoziologie integriert werden. Die jeweilige gegenseitige Wechselwirkung zwischen der Theologie, welche die grundlegenden Begriffe der Interpretation eines religiösen Erlebnisses formuliert, der Religionsgeschichte, die dessen Manifestationen und Entwicklungen beschreibt, und der Religionssoziologie, die die gesellschaftlichen Wirkungen religiöser Phänomene und die Vielfalt der religiösen Institutionen untersucht, wird auf diese Weise illustriert? Die Besonderheit dieser Arbeit liegt jedoch in der in ihr angewandten komparativen und interdisziplinären Methode sowie der vergleichenden soziologischen Aspekte. Diese Forschungsarbeit begrenzt sich auf die beiden ReligiAnen Islam und Christentum. Zeitlich fixiert sich die Untersuchung auf die Epoche des Mittelalters. Es wird auf zeitgenössische Entwicklungen der Religion in islamischen Ländern und auf die säkulare Epoche in den westlichen Gebieten verwiesen. In Kapitel A und B dieser Arbeit wird versucht, die Themen Islam und Christentum jeweils in Bezug auf den Staat zu analysieren, in Kapitel C sollen Ähnlichkeiten und Unterschiede aufgezeigt werden. Die vorrangige Fragestellung ist, wie das Verhältnis zwischen Religion und Staat im Islam und im Christentum aussieht und welchen Einfluss die Religion in der Geschichte auf das demokratische Verhalten und Handeln der Staaten hatte? Die nachgeordneten Fragestellungen sind: • Welche Sicht nimmt der Islam in Bezug auf Politik ein, und wie gestaltete sich die Einheit von Religion und Politik zur Zeit des islamischen Kalifats zwischen dem 7. bis 13 . Jahrhundert? • Welche Sicht nimmt das Christentum in Bezug auf Politik ein, und wie gestaltete sich die Einheit von Religion und Politik während des Mittelalters? • Wo liegen die soziologischen Unterschiede und Ähnlichkeiten bei christlichen und islamischen Staaten im Mittelalter? • Lassen sich Islam und Christentum mit Demokratie vereinbaren? • Wie entstand der Säkularismus in Europa? Ist dieses gesellschaftliche Phänomen auch in islamischen Ländern möglich?
Der vorliegende Text besteht aus einer Sammlung von Aufsätzen, die zwischen 1976 und 2000 erschienen sind. Einige der Texte wurden für die Publikation eingehend überarbeitet. Das weit gefächerte Interessensgebiet des Autors reicht von der Religionssoziologie über australische Aborigines, Phänomenologie, Riten und Japan bis hin zu Anthropologiegeschichte und Kritischer Theorie. KÖPPINGs Ziel ist es, "die Wandlungs- und Transformationsprozesse [zu verdeutlichen], die aus unterschiedlichsten kommunikativen Begegnungen resultieren" (S.13). Der Autor sieht das Werk des deutschen Ethnologen Adolf BASTIAN (1826-1905) als frühe Form der Feldforschung, die von der Arbeit Johann Gottfried HERDERs und Alexander von HUMBOLDTs inspiriert gewesen sei. Er kritisiert die postmoderne Vergesslichkeit, indem er den Arbeiten vernachlässigter französischer Theoretiker wie Michel LEIRIS und George BATAILLE zu ihrem Recht verhelfen will. KÖPPING bemerkt sowohl im Bereich der eigentlichen Forschung als auch auf dem Gebiet der Anthropologie eine kulturelle Voreingenommenheit und "Krisen der Repräsentation", die sich u.a. darin zeigen, dass die ethnografische Anthropologie paradoxerweise nur in einem konservativen Sinne transgressiv ist. Mit anderen Worten sind unsere Krisen nicht politisch, sondern intellektuell; die kulturelle Voreingenommenheit wird am ehesten am Schreibtisch wahrgenommen, nicht im Feld. Der Autor erinnert an unsere spielerischen Impulse und an die transgressive Natur des Lebens gegen Tod, Unglück und andere Widerfahrnisse. Er scheint Theorie und Feldforschung gleichermaßen voranbringen zu wollen, indem er weniger moralisch bewertet oder verurteilt, sondern vielmehr dazu ermutigt, unser Potenzial auszuschöpfen. URN: urn:nbn:de:0114-fqs0403251 ; This interesting, sometimes difficult, text assembles essays originally published between 1976 and 2000, some of which were substantially revised for this publication. The author's interests range between sociology of religion, Australian aborigines, phenomenology, ritual, ...
Der Artikel diskutiert oft verhandelte Probleme der Erstellung eines wissenschaftlich brauchbaren Religionsbegriffs und unterbreitet einen Vorschlag zur Lösung einiger dieser Probleme. In Abgrenzung von Positionen, die von der Entbehrlichkeit eines allgemeinen Religionsbegriffes ausgehen, trägt er zunächst Argumente zusammen, die für die Erarbeitung einer wissenschaftlich verwendbaren Religionsdefinition sprechen. Dann diskutiert er in Religionswissenschaft und Religionssoziologie gebräuchliche Ansätze zur Definition von Religion: substanzielle, funktionalistische und diskursive Ansätze. Schließlich entwirft er einen eigenen Vorschlag zur Religionsdefinition, der substanzielle und funktionalistische Argumente kombiniert und den Anspruch erhebt, definitorische Trennschärfe und Weite miteinander zu verbinden und sowohl an das Selbstverständnis der Religionsangehörigen anzuknüpfen als es auch zu überschreiten. ; This essay deals with often disputed problems concerning the definition of an academically suitable term of religion and presents a suggestion for the solution of some of these problems. In order to distinguish it from positions that presume the dispensability of a general term of religion it first compiles arguments in favour of the determination of an academically applicable term of religion: substantial, functional and discursive approaches. Finally it formulates an own suggestion for the definition of religion which combines substantial and functional arguments and claims to link the selectivity by definition with a wide spectrum and both to take up the self-conception of the affiliated with a religion and to go beyond it.
Das guatemaltekische Volk, nicht nur speziell Indigene, befindet sich in einer Phase des Wandels, im Prozess der Emanzipation von starren Institutionen und brüchig gewordenen Traditionen. Der Synkretismus als Phänomen der Gegenwart macht die Verschmelzung katholischen und indigenen Glaubenslebens seit dem 16. Jahrhundert sichtbar. Zugleich fallen ein neues Lebensverständnis und Veränderungen in der Mentalität auf: Forderungen an Staat, Gesellschaft und Religionen werden energischer und selbstbewusster vorgebracht. Die Religionsverhältnisse innerhalb Guatemalas sind einem Wandel unterworfen, was nicht nur am Monopolverlust der katholischen Kirche liegt, sondern auch der weitreichenden politischen Instabilität geschuldet ist, die wiederum die Gestaltung individueller Lebenskonzeptionen nicht unberührt lässt. Der Bedeutungsverlust der katholischen Kirche spielt eine wichtige Rolle, um die Verschiebungen zu den Pfingstkirchen zu verstehen, die sich in Guatemala rasch ausbreiteten. Eine Analyse von Religiosität ist unter Ausblendung der sozialen Veränderungen einer Gesellschaft nicht möglich. Das religiöse Leben wird von vielfältigen Faktoren beeinflusst: Von der Beziehung von Politik und Religion, von der gesellschaftliche Positionierung und dem individuellen Glaubensleben der Individuen, von der mangelnden staatlichen Eigenständigkeit, die Fortschritte behindern kann. In diesen Bezügen steht das Individuum mit seinen Erwartungen, seinen Traditionen, seiner Kultur. In dieser Phase der Selbstemanzipierung kann man fragen: Was können religiöse Systeme in einer Phase der Wiederentdeckung traditioneller Maya-Sprachen, der Aufarbeitung von Gewaltphasen und Unterdrückung ganzer Bevölkerungsgruppen und des Einflusses nordamerikanischer und europäischer Lebensstile dem Individuum bieten? ; The people of Guatemala, not just Indígenas in particular, are undergoing changes. They are emancipating theirselves from instransigent institutions and fragile traditions. Syncretism as a present phenomenon uncovers the conflation of Catholic and indigenous lives of faith. At the same time new understandings of life and changes of mentality are noticed. People now express their matters to state, society and religions stronger and more self-confident. Religious affairs within Guatemala are subject to change, which is not only caused by the loss of the Catholic monopoly but also by the extensive political instability that again influences the shaping of individual concepts of life. The notice of the loss of importance of the Catholic Church is crucial to understand the shifts to the rapidly spreading Pentecostal Churches in Guatemala. It is impossible to analyze religiousness without including social transformations. Religious life is defined by multiple factors: by the relationship between politics and religion, by the social positioning and the individual life of faith, by an insufficient state autonomy that may hamper progress. With its expectations, traditions and culture, the individual is embedded in these factors. In this process of self-emancipation one may ask: In a period of rediscovery of traditional mayan languages, of reconditioning of times of violence and oppression of entire populations, of influence of North American and European ways of life: What are religious systems able to offer to the individual?
Im Zentrum der Arbeit steht die Verbindung von Politik und Wissenschaft im Leben des Durkheimschülers Robert Hertz (1881-1915). Beide Themenfelder werden in ihrer Genese und ihren theoretischen Grundzügen rekonstruiert, wobei großer Wert auf die Verortung seiner Überlegungen sowohl im zeitgenössischen kulturellen und politischen Kontext als auch im durkheimianischen Denken gelegt wird. Angelegt als Intellektuellenbiografie beleuchtet die Arbeit den Einfluss von Hertz' sozialistischer Haltung einerseits und Durkheims straffer organisatorischer und fachlicher Führung der 'Année sociologique' andererseits auf Hertz' wissenschaftliche Themenwahl. Dabei werden sowohl alle Rezensionen von Robert Hertz als auch seine wissenschaftlichen Aufsätze ('Contribution à une étude sur la représentation collective de la mort', 'La prééminence de la main droite, étude sur la polarité religieuse', 'Saint Besse, étude d'un culte alpestre', 'Le péché et l'expiation dans les sociétés primitives') ebenso wie sein politisches Schrifttum und umfangreiche Korrespondenzen ausgewertet.
Im Zentrum der Arbeit steht die Verbindung von Politik und Wissenschaft im Leben des Durkheimschülers Robert Hertz (1881-1915). Beide Themenfelder werden in ihrer Genese und ihren theoretischen Grundzügen rekonstruiert, wobei großer Wert auf die Verortung seiner Überlegungen sowohl im zeitgenössischen kulturellen und politischen Kontext als auch im durkheimianischen Denken gelegt wird. Angelegt als Intellektuellenbiografie beleuchtet die Arbeit den Einfluss von Hertz' sozialistischer Haltung einerseits und Durkheims straffer organisatorische und fachliche Führung der 'Année sociologique' andererseits auf Hertz' wissenschaftliche Themenwahl. Dabei werden sowohl alle Rezensionen von Robert Hertz als auch seine wissenschaftlichen Aufsätze ('Contribution à une étude sur la représentation collective de la mort', 'La prééminence de la main droite, étude sur la polarité religieuse', 'Saint Besse, étude d'un culte alpestre', 'Le péché et l'expiation dans les sociétés primitives') ebenso wie sein politisches Schrifttum und umfangreiche Korrespondenzen ausgewertet.
Vergleichen wir soziokulturelle, religiöse und gesellschaftliche Prozesse der Moderne mit denen der ersten Jahrhunderte nach Christus, so lassen sich strukturelle Ähnlichkeiten aufzeigen, die auf einem grundsätzlichen Plausibilitätsverlust der offiziell anerkannten Religion basieren. Für die Moderne wird dieser religiöse Wandel bzw. Rückgang im Säkularisierungsparadigma und in einer Vielzahl an soziologischen Thesen fassbar gemacht, die im Gefolge von Max Webers Arbeiten entstanden sind. Für die Spätantike ließe sich die Frage stellen, ob bzw. wie man dieses bereits bestehende Instrumentarium auch für weitergehende soziologische Einsichten über die Spätantike nutzbar machen kann. Um die Vergleichbarkeit beider Epochen theoretisch zu ermöglichen und zugleich inhaltlich einzugrenzen, soll zunächst eine modifizierte, rein funktional verstandene Säkularisierungsthese erarbeitet werden. Aufbauend auf dieser Grundthese können dann moderne religionssoziologische Fragestellungen zum Wandel des Religiösen, die sich mit Säkularisierungsphänomenen auseinandersetzen, auf die ersten Jahrhunderte n. Chr. verlängert werden, um diese für eine weiterführende Analyse zu nutzen. Im analytischen Hauptteil werden Thesen von Soziologen wie Max Weber, Emile Durkheim oder Niklas Luhmann als hermeneutische Schlüssel zu frühchristlicher Literatur, Epigraphik und Archäologie in dem Sinne ausgeweitet, als dass strukturelle Beobachtungen, die den religiösen Wandel und dessen Folgen für die moderne Gesellschaft betreffen, als Frage formuliert auch an frühchristliches Quellenmaterial gerichtet werden. Da sich die Thesen auf moderne Transformationsprozesse beziehen, wird auch in der Spätantike nur der Zeitraum der Anfechtung der bisher öffentlich anerkannten (römischen) Religion bis zur Etablierung der neuen (christlichen) Religion betrachtet. Die Konstantinische Wende, mit der das Christentum zur öffentlich anerkannten Religion avanciert, soll als Endpunkt für die Quellenarbeit gelten. Anliegen der Arbeit ist die Sichtbarmachung gesellschaftlicher Transformationsprozesse in der Spätantike, die durch eine sukzessive Abkehr vom Römischen Kult und der Hinwendung zum Christentum provoziert wurden; soziologische Thesen zum modernen Religionsverlust bzw. -wandel bieten dafür neue Perspektiven und Fragen, die auch rückwirkend auf die Moderne fruchtbringend sein können. Ein erwartetes Ergebnis dieses strukturellen Vergleichs ist ein Katalog soziologischer Kategorien, mit denen sich soziokulturelle, religiöse und gesellschaftliche Prozesse auch in der Spätantike benennen lassen.:I. Einleitung 1 II. Theoretische Grundlegung 1. Säkularisierung als analytisches Grundkonzept 5 1.1. Säkularisierungstheorie 5 1.2. Begriffliche Anmerkungen 10 1.2.1. Der Begriff Säkularisierung 10 1.2.2. Der Begriff Religion 14 1.2.3. Möglichkeiten einer Definition von Religion 15 1.3. Zwischenbemerkungen 19 1.3.1. Charakteristika der antiken religio 19 1.3.2. Theologisch-politisches Problem 22 1.4. Schlussfolgerungen für eine modifizierte Säkularisierungsthese 24 III. Methodische Grundlegung 2. Weiteres Vorgehen 27 2.1. Feingliederung der Kapitel 28 2.1.1. Émile Durkheims funktionale Religion 28 2.1.2. Max Webers Gemeinschaftskult und Kult des Einzelnen 31 2.1.3. Michel Foucaults Heterotopien 33 2.1.4. Niklas Luhmanns Verständnis des Symbols 35 IV. Hauptteil 3. (A) Émile Durkheims funktionale Religion 38 3.1. Die antike nichtchristliche und christliche religio 38 3.1.1. Forschungsgeschichtliche Vorbemerkungen 38 3.1.2. Methodische Vorbemerkungen 40 3.1.3. Vorgehen 41 3.2. Funktionen der antiken nichtchristlichen religio 42 3.2.1. Religio und antike polis 42 3.2.2. Kultus, Fest und Riten 45 3.2.3. Antikes Recht 47 3.2.4. Herrscher und Beamte 52 3.2.5. Heiligtümer und Priesterschaften 55 3.3. Funktionen der frühchristlichen religio 59 3.3.1. Vorbemerkungen 59 3.3.2. Poleis und christliche Gemeinden 61 3.3.3. Taufe und Sittlichkeit 63 3.3.4. Kult, Riten und Feste 67 3.3.5. Rechtsverständnis 72 3.3.6. Herrschaftsverständnis 76 3.3.7. Tempelkritik und Kirchen 81 3.3.8. Christliches Priestertum 85 3.4. Zusammenfassender Vergleich 90 4. (B) Max Webers Gemeinschaftskult und Kult des Einzelnen 93 4.1. Vorbemerkungen 93 4.1.1. Etymologische Hinweise 93 4.1.2. Forschungsgeschichtliche Hinweise 94 4.2. Kollektive und individuelle Anteile der antiken nichtchristlichen religio 96 4.2.1. Kollektiver Kult in der antiken religio 96 4.2.2. Individueller Kult in der antiken religio 100 4.3. Kollektiv und Individuum im Frühchristentum 107 4.3.1. Kollektiv und Individuum im Frühchristentum als Forschungsthema 107 4.3.2. Kollektive Anteile der frühchristlichen religio 114 4.3.3. Individuelle Anteile in der frühchristlichen religio 119 4.3.3.1. Frühchristliche Taufe 121 4.3.3.2. Frühchristliches Martyrium 123 4.3.3.3. Askese im frühen Christentum 127 4.3.3.4. Frühchristliche Wandermissionare 131 4.4. Zusammenfassender Vergleich 134 5. (C) Michel Foucaults Heterotopien 137 5.1. Vorbemerkungen 137 IV 5.1.1. Inhaltliche Hinweise 137 5.1.2. Etymologische Hinweise 137 5.1.3. Methodische Hinweise 139 5.2. Heterotopien und antike Gesellschaften 141 5.2.1. Mögliche Heterotopien in der Antike 141 5.2.1.1. Fest 142 5.2.1.2. Theater und Spiele 143 5.2.1.3. Tempel und Heiligtümer 144 5.2.1.4. Krieg und Feldzüge 145 5.2.1.5. Symposien 146 5.2.1.6. Nekropolen 148 5.3. Heterotopien und christliche Gemeinschaften 149 5.3.1. Mögliche Heterotopien im frühen Christentum 149 5.3.1.1. Eucharistie als Kultmahl 150 5.3.1.2. Hausgemeinde und Hauskirche 153 5.3.1.3. Frühchristliche Grabstätten 155 5.4. Zusammenfassender Vergleich 157 6. (D) Niklas Luhmanns Verständnis des Symbols 160 6.1. Vorbemerkungen 160 6.1.1. Etymologische Hinweise 160 6.1.2. Hinweise zu Luhmanns Symbolbegriff 164 6.2. Symbole in der nichtchristlichen Antike 169 6.2.1. Ringe als antike Symbole 169 6.2.2. Antike Strahlenkronen 172 6.2.3. Symbolischer Wert antiker Münzen 174 6.2.4. Nahrungsmittel als Symbole 177 6.2.5. Antike Tiersymbolik 180 6.3. Symbole im Frühchristentum 183 6.3.1. Frühchristliche Tiersymbolik 186 6.3.1.1. Fisch als frühchristliches Symbol 187 6.3.1.2. Tauben als Symbole 191 6.3.1.3. Maritime Symbole 194 6.3.1.4. Anker als frühchristliches Symbol 195 6.3.1.5. Schiffe als frühchristliche Symbole 198 6.3.1.6. Kreuz als frühchristliches Symbol 201 6.4. Zusammenfassender Vergleich 207 V. Schlussteil 7.1. Auswertung des Hauptteils und Ergebnisse 210 7.1.1. Summarische Zusammenschau des Hauptteils 211 7.1.1.1. Émile Durkheims funktionale Religion 211 7.1.1.2. Max Webers Gemeinschaftskult und Kult des Einzelnen 212 7.1.1.3. Michel Foucaults Heterotopien 214 7.1.1.4. Niklas Luhmanns Verständnis des Symbols 215 7.2. Mögliche Thesen 216 7.3. Weiterführende Fragen 218 Literaturverzeichnis 220 1. Monographien, Aufsätze, Onlinequellen 220 2. Artikel in Lexika und Nachschlagewerken 242 3. Quellen und Übersetzungen 244 3.1. Quellensammlungen 248 3.2. Editions- und Übersetzungsreihen 248 Anhang Selbstständigkeitserklärung 250 Lebenslauf der Verfasserin 251
Überarbeitete und durch Fotos ergänzte Fassung des Exkurses "Der Caodaismus und seine Konfuzianismus-Rezeption" ; in: Karl-Fritz Daiber ; Konfuzianische Transformationen – Eine religiöse Tradition in der Moderne Indonesiens ; der Philippinen ; Vietnams und Südkoreas ; Berlin 2010 ; LIT-Verlag ; 185-212. Der Caodaismus entstand in den 1920er Jahren. Er war zunächst eine religiöse Bewegung unter französisch gebildeten Vietnamesen ; die zum Teil in den Diensten der Kolonialmacht standen. Bald entwickelte er sich aber zu einer Massenbewegung unter der ländlichen Bevölkerung Südvietnams ; die nicht nur religiöse ; sondern auch politische Bedeutung gewann ; ähnlich den Bauernbewegungen in China oder auch in Korea während des 19. Jahrhunderts. Die Studie stellt in erster Linie den Caodaismus als Neureligion dar ; basierend auf Berufungserfahrungen des Gründers. Die Selbstoffenbarung Gottes als Gott Cao Dai ist die letzte und höchste Offenbarung in der Menschheitsgeschichte. Sie schließt synkretistisch alle Religionen und humanistischen Glaubensrichtungen zu einer Einheit zusammen. Den Kern dieser Einheit bilden die drei Lehren der chinesisch geprägten Kulturen ; nämlich Taoismus ; Buddhismus und Konfuzianismus. Alle anderen Religionen werden als Zweige der Drei Lehren verstanden. Der Ahnenverehrung wird hohe Bedeutung zuerkannt. Dier Kontakt zur göttlichen Welt vollzieht sich durch Rituale ; aber auch über spiritistische Praktiken. Durch sie gewonnene Lehren gelten als rational überprüfbar. Die Praktiken schließen an den französischen Spiritismus an. Die Kulthandlungen und ihre Symbolik sind ebenso wie die Architektur und die Sozialordnung der Gemeinschaft rational konstruiert. Der Haupttempel steht in Tay Ninh ; von Saigon aus gut erreichbar.
Abstrakt und Zusammenfassung Islamisches Recht und sozialer Wandel: Eine vergleichende Studie der Institutionalisierung und Kodifizierung des islamischen Familienrechtes in Ägypten und Indonesien (1950-1995) Ägypten und Indonesien sind Nationalstaaten mit einer sunnitischen-muslimischen Mehrheit. Beide Staaten weisen daher Traditionen und soziale Werte auf, die vom Islam geprägt sind. Sie deklarieren sich allerdings nicht offiziell als "islamische Staaten". Es ist bekannt, daß die vier sunnitischen Rechtstraditionen (Malikiten, Hanafiten, Syafiiten und Hanbaliten) von muslimischen Rechtsgelehrten abstammen, die vor ungefähr eintausend Jahren lebten. Ihre Gedanken, Schriften und rechtlichen Ausführungen wurden zwangsläufig durch ihre historische Umwelt maßgeblich beeinflußt. Die Zurückverfolgung der in diesen Schriften dargelegten Gesetze und ihre Kodifizierung und Institutionalisierung durch die ägyptische und indonesische Regierung in der heutigen Zeit ist eine schwierige Aufgabe; die sprachliche Logik, das soziokulturelle Umfeld, die expliziten und impliziten juristischen Indikationen in den Schriften dieser vier sunnitischen Rechtsschulen weisen große Unterschiede auf im Vergleich zum zeitgenössischen juristisch-administrativen Diskurs. Es ist daher davon auszugehen, daß die ägyptischen und indonesischen muslimischen Juristen auf Schwierigkeiten stoßen, wenn sie diese Texte in die heutige Zeit eines rapiden soziokulturellen Wandels zu übersetzen versuchen. Anliegen der vorliegenden Dissertation ist es, die Geschichte des islamischen Rechts und des islamischen Familienrechts im besonderen anhand der Fallbeispiele nachzuzeichnen. Der Denkweise der muslimischen Rechtgelehrten im komparativen Kontext sowie der Rechtspolitik und den Dynamiken des soziostrukturellen Wandels in den Nationalstaaten Ägypten und Indonesien wird dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Eingegangen wird auch auf die Frage, auf welche Weise die klassischen islamischen Rechtstexte in einer Gesellschaft rapiden sozialen Wandels reinterpretiert werden. Der Vergleich des Prozesses von Institutionalisierung und Kodifizierung des islamischen Familienrechts zeigt, dass die indonesische Konzeption des Nationalstaates die Auslegungspraxis so beeinflusst, dass hier - insbesondere in Bereich des Rechts der Frau - eine liberalere Orientierung gegeben ist als in Ägypten. ; Islamic Law and Social Change: A Comparative Study of the Institutionalization and Codification of Islamic Family Law in the Nation-States Egypt and Indonesia (1950-1995) Abstracts and Summary Egypt and Indonesia are nation-states with a Sunnite Muslim majority. As a consequence, both Egypt and Indonesia have traditions, customs and social values which are influenced by Islamic religion. Even though, it is necessary to note that both states do not formally declare themselves as Islamic states. It has been welknown already that the four Sunnite schools of thought (Malikite, Hanafite, Syafiite and Hanbalite) come from Muslim jurist who lived approximately ten centuries ago. Their thoughts, writings and legal assumptions inevitably were influenced by the trends and tendencies of their eras. Derivating the laws of these writings and then to be codified and institutionalized by the Egyptian and Indonesian governments in this era is difficult and hard work; the logic of the language, socio-cultural setting, the explicit and implicit juridical indication of the writing of those four Sunnite schools of thought seem to be different from todays legal-administrative discourse. Therefore, it can be assumed that the Egyptian and Indonesian Muslim jurists find some difficulties to translate those legal texts within the rapid socio-cultural changes. This dissertation tries to trace and identify the history of Islamic law in general and Islamic family law in particular, the way of thinking of Muslim jurists in a comparative fashion as well as the politics of law and the dynamics of socio-structural changing in the nation-states Egypt and Indonesia. It also includes to what extent the classical Islamic legal texts within the rapid changes of society are reinterpreted. The data gathered in the research shows that the concept of nation-state in Indonesia had influenced the practical implementation and evolution of Islamic family law. It is especially the case regarding the rights of women in the family that the Indonesian law tends to present a more liberal outlook than the Egyptian one.