Die deutschsprachige rechtsextreme Szene ist auf YouTube aktiv. Rechtsextreme Influencerinnen und Influencer veröffentlichen regelmässig Videos, in denen sie politische Themen aufgreifen. Mit ihren Inhalten erreichen sie zum Teil hunderttausende Menschen. Dieser Beitrag analysiert anhand der Erkenntnisse der Framing-Theorie, die davon ausgeht, dass die Art, wie ein Ereignis beschrieben und dargestellt wird, Auswirkungen auf dessen Interpretation durch die Rezipierenden hat, fünf Videos von Produzierenden der rechtsextremen Identitären Bewegung mittels qualitativer Inhaltsanalyse. Dabei wird deutlich, dass sich die Produzierenden der gängigen Ästhetik der Plattform anpassen und dass die sich humoristischer Stilmittel bedienen, um ihre Inhalte weniger radikal wirken zu lassen. Ausserdem nutzen sie teilweise Ästhetiken und Strategien, die aus Nachrichtenformaten bekannt sind. So bedienen sie bekannte Sehgewohnheiten der Rezipierenden. Ausserdem erhalten die Videos so den Anschein, journalistisch recherchiert und belegt zu sein, obwohl dies nicht der Fall ist. Diese Ergebnisse bieten nicht nur einen Einblick in die Kommunikationsstrategien rechtsextremer Gruppierungen, sondern auch wichtige Anknüpfungspunkte für die praktische Arbeit gegen Rechts. ; The German-speaking right-wing extremist scene is active on YouTube. Right-wing extremist influencers regularly publish videos in which they address political issues. Some of them reach hundreds of thousands of people with their content. Based on the findings of the framing theory, which assumes that the way an event is described and presented has an impact on the interpretation of the event by the recipients, this study analyses five videos by influencers of the far-right movement ‹Identiäre Bewegung›, using qualitative content analysis. It is evident that the YouTubers adapt to the common aesthetics of the platform and that they use humorous stylistic devices to make their content seem less radical. In addition, they partly use aesthetics and strategies that are familiar from news formats. This way, they serve familiar viewing habits of the recipients. In addition, the videos appear to be journalistically researched and verified, although this is not the case. These results not only offer an insight into the communication strategies of right-wing extremist groups, but also important starting points for practical work against the far right.
Aufgrund steigender Zahlen rechtsextremer Jugendlicher wird es in der sozialarbeiterischen Praxis zunehmend notwendig, Handlungs- und Umgangsweisen zu entwickeln, um diesen Haltungen wirkungsvoll begegnen zu können. Konzepte der Sozialarbeit mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen ("akzeptierende" und "konfrontierende" Ansätze) fokussieren oft jeweils einseitig spezifische Bereiche des Problems und bleiben damit unzureichend. Die komplexen Wirkungszusammenhänge rechtsextremer Orientierungen, die sich sowohl aus biographischen Prozessen und der Familienvergangenheit als auch aus sozialen Rahmenbedingungen ergeben, werden weder erkannt, noch kann ihnen wirkungsvoll begegnet werden. In meinem Beitrag möchte ich anhand von Fallbeispielen aus meiner Untersuchung zur Gruppendynamik in rechten Jugendcliquen und der Zuwendung insbesondere von Mädchen und jungen Frauen zu diesem Spektrum (KÖTTIG 2004) die Begrenztheit der beiden häufig in der Sozialarbeit eingesetzten Konzepte diskutieren und aufzeigen, dass eine "ganzheitliche" – d.h. biographische – Perspektive zu tief greifenden Einsichten in rechtsextrem orientierte Haltungen und Aktivitäten führt. Auf der Basis des biographischen Fallverstehens können einerseits gezielte Ansatzpunkte für sozialarbeiterische Interventionen entwickelt und andererseits Selbstverstehensprozesse von weiblichen, aber auch männlichen Jugendlichen in Gang gesetzt werden. Solche Arten von Hilfestellungen unterstützen darin, politische Haltungen zu reflektieren, so dass ein Verbleiben in der rechten Szene unwichtig werden kann. Eine an der Biographie orientierte Herangehensweise ermöglicht dabei den Transfer zwischen sozialwissenschaftlichen Forschungsfragestellungen und der Einzelfallhilfe in der Sozialarbeit. URN: urn:nbn:de:0114-fqs080124 ; Because of the growing number of right wing extremist youths in Germany, it has become increasingly necessary in social work to develop forms of professional practice, which deal with the orientations of these adolescents in an effective way. Current ...
Oliver GEDEN untersucht in seiner qualitativen Untersuchung das Männlichkeitsverständnis in der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Damit soll über die Kategorie Geschlecht eine zentrale lebensweltliche Dimension des Rechtsextremismus erschlossen werden. Während die geschlechtsspezifischen Affinitäten von Frauen zum Rechtsextremismus seit Beginn der 90er Jahre verstärkt untersucht wurden, fehlen bislang solche geschlechtertheoretisch angeleiteten Studien über Jungen und Männer im Rechtsextremismus. In der Studie werden Männlichkeitsdiskurse anhand zweier "freiheitlicher" Periodika und mittels der Interpretation von Gruppendiskussionen mit FPÖ-Funktionären analysiert. GEDENs Studie stellt eine Pionierarbeit im Bereich der geschlechtertheoretisch fundierten Rechtsextremismusforschung dar. URN: urn:nbn:de:0114-fqs0402132 ; Until now there has been a dearth of qualitative research on right-wing extremist organizations. We know little about the daily routines of "doing politics" in these specific life-worlds. There is also little research concerning the gendered substructure of right-wing extremist parties. Many of the studies that have been done focus on women's roles in such organizations, but the vast majority of its members and supporters, namely men, are seldom analyzed. In his excellent study, Oliver GEDEN explores a rather difficult field of research, examining in which way one of the most successful right-wing extremist parties in Europe, the Freedom Party of Austria, is constructing masculinity. GEDEN not only analyzes the masculinity discourse in two party periodicals, he also conducts group discussions with party officials in order to reconstruct what masculinity means to them in their everyday lives. Furthermore, he reflects about the specific conditions of doing qualitative research on right-wing extremist organizations, particularly on the handling of access restrictions and the requirements of research ethics. URN: urn:nbn:de:0114-fqs0402132 ; En la actualidad ha habido una falta de investigación ...
The discourse on right wing extremism and its origins entails some presumptions that have been reproduced for many years. Following these assumptions right wing extremism is a phenomenon of the margins which threatens the democratic centre of society. According to the discourse this democratic centre has nothing to do with right wing ideas. People who hold such ideas are constructed as individuals with problems or weaknesses and are thereby placed at the periphery as well. This specific view on right wing extremism and its protagonists influences the work of prevention too: especially the idea that young people with right wing ideas just need to be more educated on democratic principles shapes the contents of many prevention programs. Therefore young people should be trained in democratic thinking and supported to fulfill the developmental task of political socialization. Based on a biographical study with young right wing extremists this article discusses questions such as: Is right wing extremism a failed political socialization? And where is the connection between right wing extremism and society? ; Im Diskurs zum Rechtsextremismus und seinen Ursachen werden einige, scheinbar unerschütterliche Grundannahmen beständig reproduziert: Rechtsextremismus wird als ein bedrohliches aber auch marginales Phänomen verortet, welches mit der demokratischen Mitte der Gesellschaft wenig zu tun hat. Damit im Einklang werden Menschen mit rechtsextremen Überzeugungen ebenfalls an den Rand der Gesellschaft projiziert, die Ursachensuche verlässt selten die Ebene individualistischer Schuldzuweisungen. Diese Annahmen prägen auch die Ansätze zur Prävention von Rechtsextremismus: Insbesondere die Annahme, Rechtsextremist/innen seien hinsichtlich historischer oder politischer Zusammenhänge nicht gebildet oder aufgeklärt genug, liegt den Inhalten solcher Maßnahmen zu Grunde. Daher sollen Jugendliche die »richtige« Denkweise bezüglich gesellschaftlicher Strukturen, Zusammenhänge und Prozesse erlernen, um die Entwicklungsaufgabe der politischen Sozialisation erfolgreich bewältigen und gegenüber rechtsextremen Parolen widerständig sein zu können. Unter anderem auf der Basis von biografischen Interviews mit rechtsextremen Straftäter/innen wird in diesem Beitrag diskutiert, ob Rechtsextremist/innen wirklich nicht »richtig« denken können und was gesellschaftliches Denken eigentlich mit Rechtsextremismus zu tun hat.
Auf dieser Veranstaltung wurden neuere, vor allem empirische Forschungsarbeiten zu Rechtsextremismus in Deutschland vorgestellt und diskutiert. Während einige Beiträge politische Strategien und sich modernisierende Organisationsformen örtlicher Neo-Nazi-Szenen, politischer Eliten und der rechten Musikbranche fokussierten, stand bei anderen biographische Betrachtungen der individuellen Entwicklung rechtsextremer Jugendlichen im Vordergrund. Studien zu kommunalen Kontexten und Bedingungen von rechtsextremen Handlungen wurden ergänzt durch Umfrageergebnisse zu rechtextremen Einstellungen in der deutschen Bevölkerung. Neben inhaltlichen Diskussionen bot das Symposium die Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch über ethische und methodologische Herausforderungen des qualitativ-empirischen Forschens in einem gefährlichen Feld. URN: urn:nbn:de:0114-fqs0401215 ; During this workshop scholars presented new, mainly empirical studies which explored different aspects of right-wing extremism in Germany. While a number of talks focused on political strategies and modern forms of organization of local neo-Nazi scenes, political elites and the music industry, others had chosen a biographical view on the personal development of young right-wing extremists. Studies on the local context of and conditions for right-wing extremist actions were complemented by representative survey data on political attitudes of German citizens. Apart from discussions about the phenomenon of right-wing extremism itself, participants had the opportunity to exchange their experience of doing empirical qualitative research in a dangerous field. URN: urn:nbn:de:0114-fqs0401215 ; Durante el taller fueron presentados nuevos trabajos académicos, principalmente estudios empíricos que exploraron los diferentes aspectos del extremismo de derecha en Alemania. Mientras algunas conversaciones enfocaron las estrategias políticas y modernas formas de organización de los movimientos neo-nazis locales, las elites políticas y la industria de la música, otros escogieron ...
The perception of right-wing radicalism in society has changed in recent years and is mainly discussed nationwide. But how do local actors react to right-wing extremist events, groups or phenomena? What kind of interaction do they find with them? And do these negotiation modes influence recent radical right-wing formations? On selected case studies from Lower Saxony, the authors examine interactions of right-wing radical phenomena with the local cultural majority society, especially with local actors and institutions. In doing so, they also trace the historical developments in order to approach the depth dimensions of the conditions of formation and constitution of political right-wing radicalism in local contexts.
"Besorgte Bürger*innen" grenzen sich in ihrem Selbstverständnis davon ab, rechtsextreme Orientierungen aufzuweisen. Das Ziel der folgenden Analysen ist es, der Frage nach den tatsächlichen Motivlagen der "besorgten Bürger*innen" genauer nachzugehen und die Rolle verfestigter rechtsextremer Weltbilder im Vergleich zu Protestmotiven zu beleuchten. Dazu werden empirische Befunde des Sachsen-Monitors 2018, der Mitte-Studien von 2016 und 2018 sowie Ergebnisse teilnehmender Beobachtungen von Pegida-Demonstrationen herangezogen. Die empirischen Analysen weisen aus, dass es sich bei den "besorgten Bürger*innen" keineswegs um "normale Durchschnittsbürger*innen" handelt – ihr Einstellungs-profil weicht deutlich von dem der übrigen Bevölkerung ab. Der Beitrag schließt mit Überlegungen, ob "Zuhören" und "mit Rechten reden" geeignete Mittel in der politischen Auseinandersetzung sind. Ferner wird die Frage diskutiert, inwieweit im Kontext des vorgelegten Forschungsdesigns Prozesse des "Othering" die Ergebnisse beeinflussen könnten. ; "Concerned citizens" differentiate themselves in their self-image from right-wing extremist orientations. The aim of the following analysis is to investigate the actual motives of the "concerned citizens" more closely and to shed light on the role of solidified right-wing extremist worldviews in comparison to protest motives. For this purpose, empirical findings from the Sachsen-Monitor 2018, the Mitte Studies from 2016 and 2018 as well as the results of participating observations of Pegida demonstrations are used. The empirical analysis shows that the "concerned citizens" are by no means "normal, average citizens" - their attitude profile differs significantly from that of the rest of the population. The article closes with considerations as to whether "listening" to persons with right-wing worldviews is a suitable strategy in the political debate. Furthermore, the question of the extent to which processes of "othering" could influence the results in the context of the presented research design is discussed.
Der Rechtsextremismus ist sehr anpassungsfähig, rechtsextreme Ideen nehmen dadurch Einzug in die verschiedensten Lebensbereiche. Auch das Nibelungenlied, welches auf Grund seiner Struktur so viele Anknüpfungspunkte und Deutungsmöglichkeiten, Ausbau- wie auch Elidiermöglichkeiten bietet, kann leicht ideologisch genutzt werden. Die Masterarbeit beschäftigt sich mit dieser Vereinnahmung. In der ersten Hälfte der Arbeit wird der Begriff Rechtsextremismus analysiert, die Gründe für die Vielschichtigkeit des Nibelungenliedes werden dargelegt, die (nationalistische) Rezeptionsgeschichte des Werkes wird vorgestellt. In der zweiten Hälfte werden vier rechtsextreme Rezeptionen umfassender untersucht. Diese sind "Die Nibelungendichtung" von Fritz Stüber, "Die Nacht der Nibelungen" von Gerd Honsik, Auszüge der rechtsesoterischen Zeitschrift "Alldeutsches Jahrbuch" und Artikel der Online-Plattform "Metapedia". Anschließend werden weniger umfangreiche rechtsextreme Beschäftigungen angeschnitten wie Kleidungsaufdrucke, Musik, Veranstaltungen, Eigennamen etc. Methodisch wurde darauf Wert gelegt, eine überblicksmäßige Betrachtung mit einzelnen Schwerpunkten zu bieten und zugleich historische Entwicklungen zu berücksichtigen. Die Analysen zeigen, dass rechtsextreme Rezeptionen sehr heterogen ausfallen, dennoch gibt es Gemeinsamkeiten: Gerne werden (esoterische, politische, soziale etc.) Ansätze aus dem 19. und 20. Jahrhundert übernommen. Mitunter fließen auch nationalsozialistische Ideen in die jeweiligen Rezeptionen ein. Außerdem ist festzustellen, dass Hagen auf Grund seiner Treue, seines forschen Auftretens gegenüber Frauen und seiner heidnisch-germanischen Konnotationen eine Position als rechtsextreme Leitfigur einnimmt. Siegfried findet vor allem wegen seiner typisch heldischen Attribute sowie seines idealisierten Aussehens Anklang. Andere Figuren werden eher vernachlässigt. ; Right-wing extremism is very adaptable and likes to use (and abuse) literary texts like the "Nibelungenlied" as these texts offer a variety of ways to interpret them. This master thesis investigates how right-wing extremists use the "Nibelungenlied" for their propaganda. The thesis is divided into two parts: In the first part the term right-wing extremism is analyzed and the nationalistic reception of the epos is presented. The focus lies on the narrative tradition and genesis of the "Nibelungenlied" as well as on its nationalistic political reception. In the second part of the thesis four concrete examples of right-wing extremist receptions are given. Those are "Die Nibelungendichtung" by Fritz Stüber, "Die Nacht der Nibelungen" by Gerd Honsik, articles from the right-wing esoteric journal "Alldeutsches Jahrbuch" and articles that deal with the "Nibelungenlied" on the online platform "Metapedia". Furthermore, less extensive receptions are discussed which are in connection with the "Nibelungenlied" like music, events, clothing and names. The aim of the thesis is to offer a general overview of the various receptions on the basis of distinct examples. Additionally, relevant historical development is taken into account. The results show that the right-wing extremist interpretation of the "Nibelungenlied" is very heterogeneous. Nevertheless, it can be seen that many approaches (esoteric, political, social etc.) from the 19th and 20th centuries are adopted. Another common feature of many receptions is that the male figures Hagen and Siegfried enjoy great empathy. They are idealized for their loyalty, pagan connotations, heroic appearance as well as for their patriarchal and masculine behaviour. The female figures of the Nibelungenlied are rather neglected. ; vorgelegt von Matthias Krasser ; Zusammenfassungen in Deutsch und Englisch ; Abweichender Titel laut Übersetzung des Verfassers/der Verfasserin ; Karl-Franzens-Universität Graz, Masterarbeit, 2019 ; (VLID)4569406
In den letzten zehn Jahren ist ein Aufstieg rechtspopulistischer Parteien zu beobachten, der nicht nur Politik und Öffentlichkeit, sondern auch die Sozialwissenschaften und insbesondere die Soziologie beschäftigt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Fragen, wie der Rechtspopulismus zu beurteilen ist und was die gesellschaftlichen Ursachen für sein Erstarken sind. Einen Beitrag zu ihrer Beantwortung zu leisten, ist das Ziel dieses Dissertationsprojekts. Der erste Teil setzt sich dabei kritisch mit der aktuellen sozialwissenschaftlichen Debatte um den Rechtspopulismus auseinander. Zunächst werden die gängigsten Definitionen des Rechtspopulismus vorgestellt und kurz die zentralen Themen und Aspekte des rechtspopulistischen Diskurses skizziert. Anschließend werden ökonomische, politische und kulturelle Erklärungsansätze kritisch diskutiert. Dabei wird herausgestellt, dass insbesondere die rechtspopulistische Ablehnung von MigrantInnen und Minderheiten von den gängigen Deutungsansätzen nicht erklärt werden können. Der zweite Teil rekonstruiert auf Grundlage der verfügbaren empirischen Literatur den Kern des rechtspopulistischen Weltbildes: den Diskurs über die Fremden und den Diskurs über die Elite. Die Fremden werden im Rechtspopulismus als eine "barbarische" Gemeinschaft beschrieben, die mit dem Eigenen, das als zivilisierte Gesellschaft gedacht wird, nicht vereinbar ist. Daneben existiert jedoch ein zweites Selbstbild, in dem nun das Eigene als Gemeinschaft erscheint, die fundamental bedroht scheint. Im Gegensatz zu vielen anderen AutorInnen, die die Ablehnung der Fremden als Migrations- oder Islamfeindlichkeit beschreiben, argumentiere ich, dass es sich bei dem Bild der Fremden und dem doppelten Selbstbild (Gesellschaft, Gemeinschaft) um eine aktualisierte Form von Rassismus handelt. Anschließend untersuche ich das rechtspopulistische Bild der Elite. Der Elite wird zugeschrieben gegen die Interessen und Werte des Eigenen zu handeln. Imaginiert wird ein Niedergang des Eigenen, für den die Eliten verantwortlich gemacht werden. Das von der Elite gezeichnete Bild trägt zum Teil konspirationistische Züge und weist Übereinstimmungen mit antisemitischen Stereotypen auf. Ich spreche daher von einem strukturellen Antisemitismus und vertrete die These, dass das rechtspopulistische Elitenbild eine Ersatzbildung für den offenen Antisemitismus darstellt. Im dritten Teil entwickele ich einen eigenen Deutungsansatz. Meine zentrale These lautet, dass der Kern des rechtspopulistischen Weltbildes als eine mythologische Form der Krisendeutung und Krisenverarbeitung verstanden werden muss. Der Rechtspopulismus reagiert auf die gesellschaftlichen Krisenentwicklungen der letzten Dekaden. Er hat polit-ökonomische Ursachen, folgt jedoch keiner polit-ökonomischen Logik, sondern deutet die Krise als Handeln von Kollektivsubjekten. Um die These auszuführen, erläutere ich zunächst den Begriff des Mythos. Im Anschluss an Adorno und Horkheimer gehe ich davon aus, dass mythologisches Denken nicht nur in vormodernen Gesellschaften existiert, sondern auch die moderne bürgerliche Gesellschaft eigene Mythen hervorbringt. Das zentrale Merkmal von Mythen besteht darin, dass sie die Ereignisse in der Welt auf Geist und Intentionalität zurückführen und auf diese Weise in der Logik der Handlung interpretieren und mit subjektivem Sinn versehen. Der Grund dafür liegt darin, dass die bürgerliche Gesellschaft zum einen Freiheit und Aufklärung hervorbringt, zum anderen aber auf heteronomen Strukturen basiert. Individuen müssen in ihnen als autonome Subjekte handeln. Die bürgerlichen Mythen tragen zur Reproduktion dieser Strukturen bei, indem sie sie als ewige Substanzen symbolisieren. Im Falle einer ökonomischen Krise können mythologische Denkformen an die Stelle rationalen Wissens treten. Abschließend wird der Rechtspopulismus als mythologische Krisendeutung analysiert. Die Vorstellung vom Niedergang des Eigenen stellt eine Form dar, den Krisenprozess in substantialistischen Kategorien wahrzunehmen. Die Feindbilder liefern zum einen eine Erklärung für Krisenprozesse, indem sie deren Ursachen personifizierend im bösen Willen der Elite und der Fremden verorten. Zugleich erfüllen sie die sozialpsychologische Funktion, das Krisenpotential moderner Gesellschaften zu veräußerlichen. ; The past decade has seen a rise of right-wing populist parties, which not only concerns politics and the public, but also social sciences and sociology in particular. The main questions are how right-wing populism can be assessed and what kind of social mechanisms are responsible for its rise. This dissertation project is intended to provide a valuable contribution to answering these questions. The first section critically examines the current social science debate about right-wing populism. First, the most common definitions of right-wing populism as well as the central topics and aspects of the right-wing populist discourse are described. This is followed by the demonstration of three types of explanatory approaches for right-wing populism: Economic, political and cultural explanations. It is emphasized that the right-wing populist rejection of migrants and minorities cannot be explained by these approaches. The second part reconstructs the core of the right-wing populist world view based on the available empirical literature: the discourse on the others and the discourse on the elite. In right-wing populism the others are described as a "barbaric" community that is not compatible with the own society, presumed to be civilized. In addition, however, there is a second self-image whereas right-wing populists see themselves as a community that seems to be fundamentally threatened. In contrast to many other authors who describe the rejection of others as migration hostile or islamophobic, I argue that the image of the others and the double self-image (society, community) is a renewed form of racism. After that I examine the right-wing populist image of the elite. The elite is accused for acting against the interests and values of the society, which will lead into collective breakdown. Conspiratorial stereotypes about the elite circulate which are very similar to anti-Semitic ones: The "cosmopolitan elites" are attributed with excessive political, media, and financial power. They are accused of operating secretly and worldwide with the overall goal to destroy societies which are imagined as harmonious communities. I am therefore speaking of a structural anti-Semitism and I argue that the right-wing populist image of the elite is a substitute for an open anti-Semitism. In the third part, I develop my own approach, which is based on considerations from the social-theoretical tradition from Marx to the Critical Theory. My central thesis is that the essence of the right-wing populist world view must be seen as a mythological form of crisis interpretation. Right-wing populism reacts to the social crisis of recent decades. It has political-economic causes but does not follow any political-economic logic. In support of this theory, I first explain the concept of myth. Following Adorno and Horkheimer, I assume that mythological thinking does not only exist in pre-modern societies but that modern societies still create their own myths. The central characteristic of myths is that they see all events in the world as intentional and therefore provide them with a subjective meaning. Even if the bourgeois society creates freedom and truth, it is still based on heteronomous structures; individuals must act within them as autonomous subjects. Bourgeois myths contribute to the reproduction of these structures by symbolizing them as eternal substances. Examples of bourgeois myths are economic myths, gender myths, and national myths. In the event of an economic crisis, mythological ways of thinking can take the place of rational knowledge. In conclusion, right-wing populism is analyzed as a mythological interpretation of crisis. The idea of the decline of the society is a way of perceiving the process of a crisis in substantialist categories. On the one hand, concepts of the enemy provide an explanation for crisis by finding their causes in the evil will of the elite and the others. On the other hand, concepts of the enemy fulfil the socio-psychological function to deny the crisis potential of modern society. The right-wing populist crisis myth declares: if the invasion of the others is repelled and the elite is eliminated, the good order will not be lost forever – it can be restored.
Aufgrund des rasanten Aufstiegs der AfD wird der NPD sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Forschung mittlerweile nur noch selten Aufmerksamkeit zuteil. Häufig vernachlässigt wird allerdings, dass die NPD auf Gemeindeebene nach wie vor vertreten und auch elektoral erfolgreich ist. Jedoch nicht überall gleichermaßen. Auf Basis eines most-similar-case-designs untersucht der Beitrag daher die Erfolgsbedingungen der NPD in sächsischen Gemeinden zur Bundestagwahl 2013. Unter Verwendung von Aggregatdaten von 438 sächsischen Gemeinden und mittels räumlicher Fehlermodelle werden insgesamt 14 Hypothesen getestet, die drei Gruppen von Erklärungsfaktoren entstammen: kulturelle demand-side, materialistische demand-side sowie interne supply-side-Faktoren. Die empirischen Analysen zeigen, dass kulturelle Erklärungsfaktoren den Stimmenanteil der NPD am stärksten beeinflussen, wohingegen die Wirkung materialistischer Gemeindefaktoren durch Drittvariablen konditioniert wird. Insgesamt verdeutlichen die Ergebnisse, dass die NPD im Wesentlichen von günstigen kommunalen Rahmenbedingungen profitiert und nur im begrenzten Maße Einfluss auf den eigenen Wahlerfolg nehmen kann. ; Owing to the rapid rise of the Alternative for Germany (AfD), the public and academia seldom turn their attention to the National Democratic Party of Germany (NPD) anymore. The fact that the NPD has maintained its electoral support and continues to be represented at the municipal level is frequently neglected, however. This does not apply to the same extent to all municipalities, though. Based on a most-similar-case-design, the article analyzes the conditions of the NPD's electoral success in Saxon municipalities in the 2013 German federal elections. Using macro data on 438 Saxon municipalities and applying spatial errors models, the analysis tests 14 hypotheses. These hypotheses were derived from three groups of factors: cultural demand-side, materialistic demand-side and internal supply-side variables. The results indicate that cultural factors have the strongest impact on the NPD's electoral success in Saxon municipalities, whereas the effect size of materialistic factors is conditioned by other variables. Overall, the findings illustrate that the NPD largely benefits from favorable contextual conditions at the municipal level. The party's ability to influence its electoral success itself are limited, however.
Gedruckt erschienen im Universitätsverlag der TU Berlin, ISBN 978-3-7983-2971-3 ; Die Zahl rechter Tötungsdelikte in Deutschland ist seit den 1990er Jahren umstritten. Den Statistiken der Sicherheitsbehörden stehen die systematisch höheren Fallzahlen gegenüber, die von Journalisten und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren recherchiert werden. Der Konflikt um die richtigen Zahlen ist zugleich ein Konflikt um die angemessene Einschätzung der Gefahr des militanten Rechtsradikalismus und ein Konflikt um die Monitoringkompetenz von Behörden und zivilgesellschaftlichen Beobachtern. Auf Basis der Prozessakten werden die zwölf Berliner Fälle detailliert untersucht, die zwischen 1990 und 2008 von der Polizei oder von zivilgesellschaftlichen Akteuren als politisch rechts klassifiziert wurden: Wie ist das seit 2001 geltende polizeiliche Erfassungssystem für politische Kriminalität, der "Kriminalpolizeiliche Meldedienst – Politisch motivierte Kriminalität" (KPMD-PMK) strukturiert? Wo bestehen Probleme dieses Systems bei der Definition rechter Tötungsdelikte? Wie lassen sich diese Probleme beheben? Wie lassen sich die unterschiedlichen Fallzahlen von Polizei und Journalisten erklären? Welche Altfälle sollten aus sozialwissenschaftlicher Sicht heute als politisch rechte Fälle klassifiziert werden? ; The number of cases of right-wing motivated homicide in Germany has been controversial since the 1990s. The security authorities' statistics stand facing the systematically higher numbers recorded by journalists and civilian society actors. The conflict about the correct statistics is simultaneously a conflict about the appropriate assessment of the danger posed by militant right-wing radicalism and a conflict about the respective monitoring competence of the authorities and civilian observers. The twelve Berlin cases from 1990 to 2008 that either the police or civilian society actors classified as right-wing politically motivated were studied using the corresponding trial records: what is the design of the police collection system for political crime – the "Criminal Police Reporting Service – Politically Motivated Crime" (CPRS–PMC)(German: "Kriminalpolizeilicher Meldedienst – Politisch motivierte Kriminalität" (KPMD-PMK)), that has been used since 2001? Where do problems exist in this system concerning the definition of right-wing homicides? How can these problems be rectified? How can the difference in the police and journalists' case numbers be explained? Which old cases should from a social sciences point of view be reclassified as right-wing politically motivated cases?
Die Masterarbeit befasst sich mit dem Thema Frauen in der rechten Szene. Insbesondere sollen die Bedeutung und die Funktion von Geschlecht, die Involviertheit und Beteiligung von Frauen, sowie Weiblichkeitskonstruktionen im "Rechtsextremismus" und der dazugehörigen Szene im Fokus der Betrachtung stehen. Die Bearbeitung der Thematik erfolgt anhand einer umfangreichen Literaturrecherche und –analyse.
Michaela KÖTTIGs Buch schließt zwei Lücken der bisherigen Rechtsextremismusforschung. Sie beschäftigt sich 1. mit rechtsextrem orientierten Mädchen, die in der Forschung wenig Beachtung fanden bzw. als Mitläuferinnen ohne eigene Handlungsmotivationen dargestellt wurden, und arbeitet 2. durchgängig mit qualitativen Verfahren der Biografieforschung, genauer: mit narrativ-biografischen Interviews und Fallrekonstruktionen. Dabei wird auch die dreigenerationale Familiengeschichte berücksichtigt, das Feld der Psychotraumatologie mit einbezogen und bis in den Erfahrungsraum der frühesten Kindheit zurückgeblickt. Der kontrastive Vergleich der Fallstudien zeigt verschiedene Übereinstimmungen und Varianzen in den Erfahrungsdimensionen der Interviewten, die in der jeweiligen Lebensgeschichte und den gewählten Formen der Lebensbewältigung zum Tragen kommen. Rekurrent wiederkehrende Befunde dabei sind: desolate Beziehungserfahrungen mit den Eltern, die starke Bedeutung mindestens eines Großelternteils und Reflexe der unbewussten transgenerationellen Übertragungen von Affekt- und Gedankenmustern infolge von (De-) Thematisierung der Familienvergangenheit im Dritten Reich seitens der Eltern und Großeltern. In ihrem je unterschiedlichen Zusammenwirken erweisen sich diese und andere Faktoren als spezifisch ausschlaggebend für die Herausbildung von rechtsextremen Handlungs- und Orientierungsmustern. Die erkenntnisreiche Arbeit macht deutlich, wie wichtig Forschung mit qualitativ-biografischen Verfahren in diesem Sozialbereich ist, um ein angemessen komplexes Bild der Bedingungsfaktoren rechtsextremer Biografieverläufe zu gewinnen. URN: urn:nbn:de:0114-fqs080281 ; Michaela KÖTTIG's book closes two gaps in research on right-wing political extremism. First, she deals with young women in the right-wing scene. This is a group that has been subject to little research, having generally been taken to be on the fringe of activity and with little political activity of its own. Second, KÖTTIG works exclusively with qualitative research ...
Die Bewegungsforschung ist durch die strikte Trennung von Biografie und Politik an ihre Grenzen gestoßen. Eine produktive Verbindung von Biografie und Politik, Privat und Öffentlichkeit lässt sich durch die biografische Perspektive in die Bewegungsforschung einbringen. Individueller und kollektiver Wandel sind immer in Bezug zueinander zu sehen. Nur so können Bedingungen politischen Handelns adäquat dargestellt werden. Die wissenschaftliche Vielfältigkeit und Notwendigkeit dieses Forschungsansatzes wird in diesem Band anhand von Fallstudien zu Transformationsprozessen in Deutschland, Polen, Russland, China und den USA dargestellt. Die Fallstudien umfassen Friedens-, Frauen-, Bürgerrechts-, Exil-, Gewerkschafts- und rechtsextreme Bewegungen. Thematisiert werden das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit im Kontext politischer Aktivität, Zusammenhänge von sozialem und familialem Wandel, politische Generationenverhältnisse sowie Motivationsprozesse für die Teilnahme an sozialen Bewegungen. Der Band will damit zu einem Paradigmenwechsel in der Bewegungsforschung beitragen. Ingrid MIETHE und Silke ROTH gelingt dies durch die gut ausgewählte Kombination theoretischer und empirischer Beiträge in diesem Band, mit denen die Grenzen bisheriger Bewegungsforschung überschritten werden. URN: urn:nbn:de:0114-fqs0204488 ; Because of the strict separation between biography and politics, the research of social movements has reached its limits. The biographical perspective can introduce a productive combination of biography and politics, private and public space into the research of social movements. Individual and collective change always have to be seen in correlation with each other. The volume describes scientific flexibility and the need for this scientific approach, presenting case studies of transformation processes in Germany, Poland, Russia, China and the USA. The case studies include a variety of pressure groups such as the peace movement, women's rights, exiles, trade unions and right-wing extremists. The issues ...
Das Gedenken an Opfer rechter Gewalt ist umkämpft. Dennoch gelingt es immer mehr Initiativen bundesweit, durch lokalpolitische Bündnisse und in Zusammenarbeit mit Künstler*innen und Kommunalpolitiker*innen im öffentlichen Raum Orte der Erinnerung zu schaffen. In Koblenz und Hachenburg erinnern Initiativen auf unterschiedliche Weise an Todesopfer rechter und rassistischer Gewalt aus den 1990er Jahren. Die Gedenkorte, die hier entstanden sind, stehen beispielhafte für viele unterschiedliche Versuche, die tödliche Dimension von Rassismus und Rechtsextremismus im öffentlichen Raum sichtbar zu machen. Vielerorts gehören dazu auch lokalpolitische Auseinandersetzungen. Dies zeigt sich aktuell unter anderem beim Streit um den Standort eines Mahnmals für die Opfer der rassistischen Bombenanschläge des NSU in Köln zwischen den Überlebenden des NSU-Nagelbombenanschlags und der Initiative "Keupstraße ist überall" auf der einen und der Stadt Köln und einer Investorengruppe auf der anderen Seite. ; There is an ongoing debate about the number and the commemoration of victims of right-wing violence. However, a number of initiatives have managed to initiate places of commemoration in the public sphere. Often, these initiatives have been collaborating with local politicians and artists. Initiatives in the cities of Koblenz and Hachenburg have successfully initiated places of commemoration for victims of right-wing and racist violence in the early 1990ies. These sites serve as examples for a number of other places which serve to make the deadly Dimension of right-wing violence and racism visible in the public sphere. Often times these Prozesses are highly controversial. One example for a controversy is the ongoing dispute in Cologne. Here, a commemorative site for the victims and survivors of the racist nail bombings of the National Socialist Underground is currently under way.