In: Kultur und Gesellschaft: gemeinsamer Kongreß der Deutschen, der Österreichischen und der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie, Zürich 1988 ; Beiträge der Forschungskomitees, Sektionen und Ad-hoc-Gruppen, S. 667-669
Mit [dem] Themenschwerpunkt versuch[t die Redaktion], nicht nur ein Bewußtsein der Bedeutung von Emigration und Remigration für die Disziplinentwicklung zu wecken, sondern auch einen weiteren Schritt in der Forschung zu tun, mit Fallstudien über lokale Entwicklungen, mit Analysen subdisziplinärer Kontinuitäts- und Diskontinuitätsmuster und mit personenbezogenen Studien über die Disziplinentwicklung nach 1945 in SBZ und DDR. Für die Pädagogik an der Frankfurter Universität (Feidel-Mertz/Lingelbach) wird eine paradigmatische Kontroverse zwischen eher gesellschaftskritischen und eher affirmativen Theorien sichtbar, die durch die politischen Ereignisse 1933 entschieden wird und einem gesellschaftskritischen Paradigma erst nach 1968/1970 wieder eine Chance einräumt (und eher nebenher werden auch die Differenzen zwischen nationalsozialistischer und nationalkonservativer Pädagogik am Exempel H. Weinstocks herausgearbeitet). An der Nachkriegsgeschichte von Besetzungsprozeduren an der Hamburger Universität kann Ch. Kersting nicht nur die unterschiedlichen Formen der Aufmerksamkeit für die Emigranten belegen (die man angesichts der Verdrängungs-These nicht erwartet hätte), sondern auch den Bedeutungswandel der Verdrängungsannahme selbst. […] Konzentriert auf eine Subdisziplin behandeln G. Miller-Kipp und M. Kipp - mit der Frage nach Theoriewandel bei Personenkontinuität […] die Theorie-Geschichte der Berufs- und Wirtschaftspädagogik […]. Die Beiträge von U. Wiegmann und G. Geissler erinnern schließlich daran, daß wir auch unsere bildungshistorischen Fragen an die Disziplin nicht mehr im Lichte der alten Ost-West-Trennung formulieren dürfen. Beide Beiträge zeigen aber, welche neuen Probleme und Schwierigkeiten sich damit stellen. (DIPF/Orig.)
Die Vertreibung von Tausenden von Wissenschaftlern durch das Dritte Reich bedeutete für die Universitäten und Technischen Hochschulen in Deutschland den Verlust eines beträchtlichen Teils ihres wissenschaftlichen Personals. Die Auswanderung und die Neuverwurzelung in Ländern, in denen die Vertriebenen trotz vieler Widerstände Aufnahme fanden, waren Teil des tiefen Unglücks, das 1933 Haß und Brutalität über die Welt brachte. Die Emigrationsgeschichte und die Exilforschung arbeiten seit Jahrzehnten daran, die Grundlagen für ein Verständnis dieser vielschichtigen Vorgänge zu schaffen.
'Die Vertreibung von Tausenden von Wissenschaftlern durch das Dritte Reich bedeutete für die Universitäten und Technischen Hochschulen in Deutschland den Verlust eines beträchtlichen Teils ihres wissenschaftlichen Personals. Die Auswanderung und die Neuverwurzelung in Ländern, in denen die Vertriebenen trotz vieler Widerstände Aufnahme fanden, waren Teil des tiefen Unglücks, das 1933 Haß und Brutalität über die Welt brachte. Die Emigrationsgeschichte und die Exilforschung arbeiten seit Jahrzehnten daran, die Grundlagen für ein Verständnis dieser vielschichtigen Vorgänge zu schaffen.' (Autorenreferat)
Anhand von vier deutsch-amerikanischen Politikwissenschaftlern werden Formen einer emigrationsspezifischen Wirkungsgeschichte vorgestellt. Dabei geht es um das Feld der internationalen Beziehungen in der politischen Wissenschaft. Für die Position und den Einfluß von H. Kelsen wird festgestellt, daß er über die nationalstaatliche Begrenzung des Rechts und der Staatstheorie hinausging und das Völkerrecht über das Staatsrecht setzte. Seine Arbeit fand keinen Eingang in die Politikwissenschaft. Person und Werk J. Morgenthaus werden als Gegentypus dargestellt. Ein konservatives Menschenbild, konkrete Analysen der internationalen Beziehungen und der politischen Kultur brachten in seinem Fall eine enge Verknüpfung von Politikwissenschaft und politischem System. Der Kelsen-Schüler und dezidierte Liberaldemokrat J. Herz hielt an einer sehr viel positiveren Einstellung zur normativ-kritischen Dimension der Politikwissenschaft fest und brachte es gleichwohl zu einer markanten Position im amerikanischen Wissenschaftssystem. Die vergleichende Regierungslehre wird am Beispiel von K. Deutsch erläutert. Wissenstransfer und Akkulturation werden als entscheidende Begriffe für die sozialwissenschaftliche Erforschung der Formen und Inhalte der politikwissenschaftlichen Emigration betrachtet. (HA)
The article concentrates on the most essential elements of a social science as research, whereby research is strictly interpreted as the verification of a theory in a particular field but neither as "theorie sans terrain" nor "terrain sans theorie". Yet even if this particular employment in the field of social science is explicitly conceived of as privileging the logic of discovery and the strictures of proof in opposite to all preconstructed themes, theories and traditions of different disciplines, it cannot simply be reduced to the standpoint of pure logic. Engagement for social science as reflexive research means to further its practical, political acceptance by using the results obtained from research, means fighting for her autonomisation in terms of contributing to the creation of appropriate forms of sociability for its activities and reception (such as the formation of a reading public, discussion forums, effective tools with which to combat social barriers to the attainment of knowledge, etc.). ; The article concentrates on the most essential elements of a social science as research, whereby research is strictly interpreted as the verification of a theory in a particular field but neither as "theorie sans terrain" nor "terrain sans theorie". Yet even if this particular employment in the field of social science is explicitly conceived of as privileging the logic of discovery and the strictures of proof in opposite to all preconstructed themes, theories and traditions of different disciplines, it cannot simply be reduced to the standpoint of pure logic. Engagement for social science as reflexive research means to further its practical, political acceptance by using the results obtained from research, means fighting for her autonomisation in terms of contributing to the creation of appropriate forms of sociability for its activities and reception (such as the formation of a reading public, discussion forums, effective tools with which to combat social barriers to the attainment of knowledge, etc.).
In dem Beitrag wird ein Überblick über die aus Österreich vertriebenen Soziologen gegeben. Dabei stehen vor allem die Schwierigkeiten der Aufarbeitung der Geschichte der Soziologenemigration im Mittelpunkt. Es wird problematisiert, daß es bisher zu wenig Informationen über die konkreten Umstände und die individuellen Motive der Emigranten bekannt sind. Dabei wird deutlich gemacht, daß die Behandlung der Emigration von Soziologen schwierig ist, will man nicht den Ausweg wählen, daß man das gegenwärtige (Selbst-)Verständnis über dieses Fach und seine Tradition in die Geschichte projiziert. Deshalb begnügt sich der Überblick damit, über die personelle und institutionelle Ebene zu berichten. Die politischen Hintergründe für die Emigration werden skizziert. Verschiedene Gruppen von Emigranten (Soziologen, wissenschaftliche Mitarbeiter, Studenten u.a.) werden charakterisiert. Die Zerstörung der Forschungsinstitutionen wird beschrieben. (ICA)
Die politische Emigration aus dem Dritten Reich in die USA wurde bis 1937 durch eine sehr restriktive Handhabung der die amerikanische Einwanderungspolitik bestimmenden Quotengesetze behindert. Die Anzahl der "quotenunabhängigen Einwanderer" wie Künstler und Akademiker war jedoch in den dreißiger Jahren relativ hoch. Nach 1937 wurden Einwanderungserleichterungen für Flüchtlinge aus Europa vorgenommen; die Möglichkeit zur Einwanderung endete mit dem amerikanischen Kriegseintritt 1941. Wissenschaftler, Forscher, Künstler und Schriftsteller bestimmten das Bild der Emigration, obwohl sie nur eine kleine Minderheit der Emigranten bildeten. Im Gegensatz zu dieser relativ privilegierten Gruppe muß die wirtschaftliche und soziale Situation der grossen Mehrheit der Emigranten, vor allem der deutsch-jüdischen Auswanderer, als sehr schwierig bezeichnet werden. Auch die Grupppe der emigrierten Intellektuellen muß jedoch differenziert betrachtet werden. Während Wissenschaftler gute Arbeitsmöglichkeiten vorfanden, litten vor allem Schriftsteller unter Isolation und fehlenden Erfolgschancen. Entsprechend differenziert sind die Auswirkungen der Emigration in den USA zu bewerten. (WZ)
Der Beitrag stellt die Planungsversuche jüdischer Organisationen zwischen 1933 und 1939 dar, die jüdische Auswanderung aus Deutschland in geregelte Bahnen zu lenken, und gibt eine Einschätzung ihres Erfolges. Verschiedene Organisationen waren mit teilweise unterschiedlicher Zielsetzung bemüht, die überstürtzten Auswanderungswellen nach 1933 einzudämmen und eine planmäßig vorbereitete Emigration durchzuführen. Hauptzielländer waren erst Palästina, das vor allem die zionistischen Verbände proklamierten, danach die Überseeländer. Die Hauptstütze der jüdischen Auswanderung wurde ab 1936 der in London gegründete Council for German Jewry. Die ab 1938 von den Nationalsozialisten betriebene Massenvertreibung erforderte eine Umorientierung der Organisationen, die einen langsameren Verlauf der Emigration und ein Aufenthaltsrecht für die nicht auswanderungsfähigen Juden in Deutschland erhofft hatten. Die zu bewältigenden Aufgaben konnten teilweise nicht erfüllt werden; dennoch beurteilt der Autor die Leistungen der Organisationen angesichts der nationalsozialistischen Vertreibungsstrategie und der Unbeständigkeit der Einwanderungsbedingungen der verschiedenen Zielländer als nicht unbeträchtlich. (BF)