Was leisten Indizes staatlicher Fragilität?
In: DIE - Analysen und Stellungnahmen 2010,5
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In: DIE - Analysen und Stellungnahmen 2010,5
In: Friedensgutachten, Band 24, S. 376-388
ISSN: 0932-7983
World Affairs Online
Die Messung staatlicher Fragilität scheint auf den ersten Blick eine rein akademische Übung zu sein. Jedoch ist sie eine grundlegende Voraussetzung, um überhaupt angemessen mit fragilen Staaten umgehen zu können. Politik und Durchführungsorganisationen haben erkannt, dass es nicht möglich ist, Armut effektiv zu reduzieren, ohne fragile Staaten zu "reparieren". Fragilen Staaten fehlen grundlegende Staatsfunktionen. Vor allem sind sie nicht in der Lage, Sicherheit zu gewährleisten und eine Verwaltung aufrechtzuerhalten. Unter diesen Umständen fehlen Gebern handlungsfähige Regierungen als wichtigste Partner zur Umsetzung entwicklungsorientierter Reformen. Es wird auch vermutet, dass übliche Entwicklungsansätze in fragilen Staaten nicht funktionieren. Für die Entwicklungszusammenarbeit können Fragilitätsindizes zu verschiedenen Zwecken nützlich sein: • zur Identifizierung von Ländern, die einen anderen Entwicklungsansatz benötigen; • zur Evaluierung der Entwicklungszusammenarbeit; • zur Beobachtung globaler Fragilitätstrends; • und zur Untersuchung von staatlicher Fragilität. All diese Verwendungen könnten die Hilfe für fragile Staaten effektiver machen. Unser Wissen über staatliche Fragilität beruht heute weitgehend auf Fallstudien. Dahingegen würden quantitative Studien besser generalisierbare Politikempfehlungen zulassen. Solche Studien, die sich auf Ursachen und Folgen von Fragilität beziehen, setzen jedoch sehr genaue Messinstrumente voraus. Was leisten also aktuelle Fragilitätsindizes? Sie versuchen alle, die fragilsten Staaten zu identifizieren und stimmen dabei in vielen Fällen überein, wie etwa bezüglich Somalia, Irak und Afghanistan. Die Nennung dieser Länder überrascht allerdings nicht. Indizes müssten weitere Leistungen erbringen – insbesondere eine hohe Genauigkeit bei der Unterscheidung von weniger eindeutigen Fällen – um einen Mehrwert gegenüber spontanen und weniger systematischen Klassifizierungen zu erbringen. Demgegenüber wird eine Vielzahl weiterer Länder unterschiedlich bewertet. So stimmen die Indizes in der Bewertung von Ländern wie Kuba und Nordkorea nicht überein – beides autoritäre, aber verhältnismäßig handlungsfähige Staaten. Dies wirft eine Frage über die Natur autoritärer Systeme auf: Müssen repressive aber stabile Regime als fragil eingestuft werden, nur weil angenommen wird, dass sie auf lange Sicht nicht in der Lage sein werden, gesellschaftliche Bedürfnisse ähnlich gut befriedigen zu können wie Demokratien? Wir argumentieren, dass eine solche Klassifizierung unzulässig ist und dass sich "fragil" nur auf Staaten beziehen sollte, deren Regierungen weitgehend handlungsunfähig sind. Diese Analyse fasst die Botschaft aktueller Fragilitätsindizes zusammen, beschreibt ihre Schwächen und zeigt, wie das Potential der Indizes besser genutzt werden kann. Es wir erläutert, was derzeitige Indizes leisten und wie Praktiker und Forscher dazu beitragen können, bessere Indizes zu erstellen, die für die Bildung von Strategien zur Reduzierung staatlicher Fragilität genutzt werden können.
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Weltweit stehen westliche Geber in der Demokratieförderung vor einem Dilemma. Demokratie ist zwar ein wichtiges politisches Ziel, aber sie fürchten, dass der Weg dorthin ein ebenso wertvolles Ziel – politische Stabilität – unterminieren und in den Empfängerstaaten vermehrt Gewalt auslösen könnte. Wir gehen hier der Frage nach, ob es für diese Befürchtungen empirische Belege gibt, und wie Geber bei potenziellen Zielkonflikten zwischen Demokratisierung und Stabilität abwägen können. Jüngste Forschungsarbeiten des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) zeigen, dass es für die Sorge, Demokratisierung könne destabilisierend wirken, tatsächlich gewisse empirische Belege gibt (Leininger et al. 2012; Ziaja 2013). Diese Befürchtungen sollten allerdings nicht vom größeren Problem ablenken, "auf halber Strecke stehen zu bleiben". Hybride Regime mit autoritären Merkmalen, die sich hinter einer Fassade formal-demokratischer Institutionen verstecken, stellen auf lange Sicht ein größeres Sicherheitsrisiko dar als Versuche, in hybriden Regimen Demokratie zu fördern. Demokratieförderung ist also wünschenswert, aber häufig ein Risiko. Laut einer neuen Studie des DIE, die 47 afrikanische Staaten einbezieht, führt Demokratieförderung zwar kurzfristig zu mehr Demonstrationen und Ausschreitungen, nicht aber zu Bürgerkriegen. Somit deutet stärkere Mobilisierung der Bevölkerung eher auf die Wirksamkeit von Hilfe hin, als dass sie ein Grund zur Besorgnis wäre. Damit Demokratieförderung langfristig wirken und die Forderungen der Bevölkerung kanalisieren kann, muss sie lokalen Akteuren beim Aufbau von bedarfsgerechten Institutionen helfen. Häufig ließen sich Eliten aus Angst vor möglichen destabilisierenden Folgen von Bürgerbeteiligung zur Beschneidung des Wettbewerbs in jungen Demokratien verleiten. Dies ist keine gute Idee: Elitäre Transitionen führen laut unserer Forschung zu weniger nachhaltigen politischen Konstellationen als offener Wettbewerb. Externe Förderung gelingt am besten, wenn Geber mar¬ginalisierte Gruppen darin unterstützen, sich am Institutionenaufbau zu beteiligen. Das wird am besten durch gleichzeitiges Engagement vieler Geber erreicht. Diversität auf der Geberseite erhöht die Chancen, eine kontextgemäße institutionelle Struktur zu finden, anstatt dem Partnerland eine solche überzustülpen. Daraus ergibt sich, dass es für die Notwendigkeit eines Sequenzierungsansatzes in der Demokratieförderung - d. h. erst Stabilität, dann Demokratie – kaum empirische Belege gibt. Die meisten Länder haben bereits vor über zwei Jahrzehnten (formal) den Weg zur Demokratie einge¬schlagen. Ein gradualistischer Ansatz mit gleichzeitigem Aufbau von staatlichen Institutionen und der Förderung breiter Beteiligung ist darum der vielversprechendere Weg. Unsere Empfehlungen lauten daher in Kürze: Die Demokratieförderung diversifizieren. Endogene, inklusive politische Entwicklung fördern. Beim Aufbau politischer Institutionen durch den Einsatz von Konditionalität auf Konfliktlösungsmechanismen bestehen. Zielkonflikte in Phasen demokratischer Transition abwägen.
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In: DIE - Analysen und Stellungnahmen, 2009, 4
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