Das derzeitige Wahlsystem zum Deutschen Bundestag weist einen schwerwiegenden Defekt auf: Mehr Stimmen für eine Partei können dazu führen, dass diese weniger Sitze erhält - das sogenannte negative Stimmgewicht. Das Bundesverfassungsgericht hat den Bundestag aufgefordert, bis Ende Juni 2011 diesen Fehler durch eine Änderung des Wahlrechts zu beseitigen. Hierzu gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Dieser Artikel unternimmt den Versuch, mögliche Änderungen aus Sicht der Social Choice-Theorie zu beurteilen. Hierzu wird ein einfaches System von Bedingungen an Wahlen vorgestellt, anhand dessen die bisherigen Lösungsvorschläge systematisiert werden. Dabei stellt sich heraus, dass es kein Wahlsystem geben kann, das gleichzeitig all diesen Bedingungen genügt. Dennoch lassen sich unter den existierenden Änderungsvorschlägen solche identifizieren, die mehr wünschenswerte Bedingungen erfüllen als andere.
Die Rational-Choice-Theorie nimmt in vielerlei Hinsicht – etwa mit Blick auf ihre formalisierte Theoriearchitektur und ihre Fruchtbarkeit in der angewandten Sozialforschung – eine besondere Stellung in den Sozialwissenschaften ein. Zugleich wird der Ansatz gerade in der Soziologie häufig als grundlegend defizitär dargestellt und vor allem für sein implizites Menschenbild kritisiert. Diesem Band liegt das Ziel zugrunde, weitverbreitete Missverständnisse über die Rational-Choice-Theorie aufzuklären. Essentiell ist dabei der Gedanke, scharf zwischen dem zugrundeliegenden Formalismus und speziellen Anwendungen zu unterscheiden. Neben den methodologischen Grundlagen der Theorie und den Grundzügen des Formalismus werden insbesondere auch zentrale Anwendungsgebiete, etwa soziale Dilemmata, Vertrauen, kollektives Handeln und soziale Normen, behandelt. Schließlich wird auch auf die tatsächlichen Schwächen der Rational-Choice-Theorie und Möglichkeiten zu ihrer Fortentwicklung eingegangen
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In: Discussion Papers / Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Forschungsschwerpunkt Organisationen und Wissen, Abteilung Innovation und Organisation, Band 2005-101
"Der vorliegende Bericht untersucht Praktiken und Probleme anwendungsorientierter Forschung in den Sozialwissenschaften am Fallbeispiel eines radikal anwendungsorientierten Forschungsprojekts, der sozialwissenschaftlichen Ausgründung 'choice mobilitätsproviding GmbH'. Gefragt wird nach der methodisch-theoretischen Bilanz anwendungsorientierter Forschungspraktiken, wie sie sich im Fallbeispiel der choice manifestierten. Der Bericht gliedert sich in drei Teile. Die Einleitung untersucht, wie anwendungsorientierte sozialwissenschaftliche Ansätze in der soziologischen Theoriedebatte beurteilt werden. Dabei werden verschiedene Deutungsmodelle für intervenierende und anwendungsbezogene Forschungspraktiken diskutiert, die in der neueren Soziologie, insbesondere der Industrie- und der Wissenschaftssoziologie, von Bedeutung sind. Im zweiten Teil wird das empirische Fallbeispiel der choice vorgestellt. Der dritte Teil zieht eine methodisch-theoretische Bilanz der dargestellten Forschungspraktiken. Dabei werden das Ausmaß des Wissenstransfers beleuchtet und die damit verbundenen strukturellen Probleme anwendungsorientierter Forschung diskutiert. Das Schlusswort beleuchtet zusammenfassend die methodisch-theoretischen Chancen und Risiken sozialwissenschaftlicher Ausgründungen." (Autorenreferat)
Die vorliegende Arbeit untersucht ausgewählte Theorien der Politikwissenschaft, Ökonomie, Soziologie und Psychologie in unterschiedlichen Anwendungsfeldern mit methodischen Instrumenten der experimentellen Spieltheorie und der empirischen Sozialforschung. Dabei ist die leitende Frage, ob die der Rational-Choice-Theorie (RCT) zugrunde liegende Annahme der Selektion der nutzenmaximalen Handlungsoption durch eine zentrale Exekutive eine ausreichend große Erklärungskraft für menschliches Entscheidungsverhalten hat. In den fünf Studien des Buches zeigt sich teils massive empirische Evidenz, die nicht im Einklang mit der RCT steht. Die Abweichungen von den durch die RCT prognostizierten Ergebnissen sind hierbei nicht zufällig, sondern systematisch. Die Befunde widersprechen den Prognosen der RCT umso mehr, je umfassender und kleingranularer Individuen im sozialen Feld betrachtet werden, je uneindeutiger und vom ökonomischen Kontext ferner eine Situation ist, je geringer die individuellen (finanziellen) Kosten sind (Low-Cost-Hypothese) und je stärker heuristische Informationsverarbeitungsprozesse beobachtbar sind. Daneben lassen sich in den Studien aber immer wieder auch eigennutzmaximierende Motive und rationales Handeln erkennen. Insbesondere im ökonomischen Kontext und auf Aggregatebene zeigt sich die große Leistungsfähigkeit der RCT und des ökonomischen Verhaltensparadigmas. Vor diesem Hintergrund wird gezeigt, dass Rahmentheorien und alternative Selektionsmechanismen diese zunächst so gegensätzlich scheinenden Befunde in einer neuen, höheren Einheit aufzuheben vermögen. In der Gesamtschau ermöglicht die methodische und theoretische Breite der Arbeit die Schlussfolgerung, die RCT als Spezialfall von Rahmentheorien zu konzeptualisieren und pragmatisch sowie anwendungsfall-spezifisch weiterhin zu nutzen. ; This book examines selected theories from political science, economics, sociology, and psychology in different fields of applications using methodological tools from experimental game theory and empirical social research. The leading research question is whether the assumption of the underlying rational choice theory (RCT), for instance the selection of the utility-maximizing option by a central executive, has sufficient explanatory power for human decision behavior. Some of the five studies in this book reveal significant empirical evidence that is inconsistent with the RCT. Here, the deviations from the results predicted by the RCT are not random but systematic. The findings contradict the predictions of RCT more significantly, the more comprehensive and detailed individuals in the social field are observed, the more ambiguous and distant the situation from the economic context is, the lower the individual (financial) costs are (low-cost hypothesis), and the more heuristic information processes are observable. Furthermore, self-interest-maximizing motives and rational action can be identified recurrently. In the economic context and at the aggregate level, the great power of RCT and the economic behavioral paradigm becomes apparent. Against this background, it is shown that framing theories and alternative selection mechanisms can resolve these initially seemingly contradictory findings in a new, higher unity. Overall, the methodological and theoretical range of this research work allows the conclusion to conceptualize RCT as a special case of framing theories and to continue to use it pragmatically as well as context-specific.
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 4986-4996
"In seinem Aufsatz über das Wählen zwischen Handlungsentwürfen entwickelt Alfred Schütz eine Konzeption von Entscheidung, die auch den Akt der gedanklichen Vorwegnahme, das Entwerfen einer Handlung im potentialis umfasst. Der Wahlakt bezieht sich dabei auf den aktuell im Bewusstseinsstrom präsenten Entwurf. Dieser wird permanent und das heißt: bei jedem Darüber-Nachdenken modifiziert. Trotz 'objektiv' hoher Komplexität von Entscheidungsproblemen entwickelt das Individuum eine begrenzte Anzahl alternativer und zugleich instabiler Handlungsstrategien, die seine als 'biographische' Grundlage von Entscheidungen nur bedingt reflexiv zugänglichen Weil-Motive ergänzen. Auch vermeintlich intentionale oder intuitive Entscheidungen werden einerseits in Abhängigkeit bereits vorhandener Entwürfe und andererseits mit Blick auf die als unhinterfragter Wissensvorrat gespeicherten kulturellen Muster getroffen. Daraus leitet sich ab, dass Entscheidungsprozesse entwurfs- und damit verlaufsbezogen erforscht werden sollten. Dies steht nicht im Widerspruch zu der Annahme, dass Entscheidungen auch retrospektiv konstruiert werden (Luhmann). Zugleich bestehen jedoch Entscheidungsprobleme ex ante als institutionell objektivierte Entscheidungszumutungen (Beck'sche Individualisierungsthese). Wenn dann die moderne Gesellschaft rationale Begründungen fordert, verwundert es nicht, wenn die Einzelnen sich Rationalitätsfiktionen 'basteln'. Der hier angekündigte Vortrag bezieht sich auf Ergebnisse einer empirisch begründeten Verlaufstypisierung von Entscheidungsprozessen der Berufswahl an der ersten Schwelle ins Erwerbsleben. Als institutionalisierte Entscheidung ist dieser moderne Entscheidungszusammenhang mit besonderen Zumutungen versehen, da sie die Einzelnen nicht nur mit einem Wahlzwang im Gewand der Chance konfrontiert (Foucault), sondern auch vor dem Hintergrund begrenzter Informationen eine eigenverantwortliche Wahlhandlung fordert, für deren Folgen das individualisierte Individuum einzustehen gewärtigen muss. Es entwirft damit nicht nur im Schützschen potentialis, sondern auch im Modus einer Antizipation der Retrospektive." (Autorenreferat)
Die vorliegende Arbeit untersucht ausgewählte Theorien der Politikwissenschaft, Ökonomie, Soziologie und Psychologie in unterschiedlichen Anwendungsfeldern mit methodischen Instrumenten der experimentellen Spieltheorie und der empirischen Sozialforschung. Dabei ist die leitende Frage, ob die der Rational-Choice-Theorie (RCT) zugrunde liegende Annahme der Selektion der nutzenmaximalen Handlungsoption durch eine zentrale Exekutive eine ausreichend große Erklärungskraft für menschliches Entscheidungsverhalten hat. In den fünf Studien des Buches zeigt sich teils massive empirische Evidenz, die nicht im Einklang mit der RCT steht. Die Abweichungen von den durch die RCT prognostizierten Ergebnissen sind hierbei nicht zufällig, sondern systematisch. Die Befunde widersprechen den Prognosen der RCT umso mehr, je umfassender und kleingranularer Individuen im sozialen Feld betrachtet werden, je uneindeutiger und vom ökonomischen Kontext ferner eine Situation ist, je geringer die individuellen (finanziellen) Kosten sind (Low-Cost-Hypothese) und je stärker heuristische Informationsverarbeitungsprozesse beobachtbar sind. Daneben lassen sich in den Studien aber immer wieder auch eigennutzmaximierende Motive und rationales Handeln erkennen. Insbesondere im ökonomischen Kontext und auf Aggregatebene zeigt sich die große Leistungsfähigkeit der RCT und des ökonomischen Verhaltensparadigmas. Vor diesem Hintergrund wird gezeigt, dass Rahmentheorien und alternative Selektionsmechanismen diese zunächst so gegensätzlich scheinenden Befunde in einer neuen, höheren Einheit aufzuheben vermögen. In der Gesamtschau ermöglicht die methodische und theoretische Breite der Arbeit die Schlussfolgerung, die RCT als Spezialfall von Rahmentheorien zu konzeptualisieren und pragmatisch sowie anwendungsfall-spezifisch weiterhin zu nutzen.