Was ist Sozialverträglichkeit von Energiesystemen und wie mißt man sie? Uber zwei Jahre lang arbeitete ein Team von Natur- und Sozialwissenschaftlern der Kernforschungsanlage Jülich an dieser Fragestellung. Ein eigenes Modell wurde entwickelt und dabei wurden zum Teil völlig neuartige Verfahren der empirischen Sozialforschung eingesetzt, wie zum Beispiel die Wertbaumanalyse oder das Konzept der Planungszelle. Wichtigstes Ergebnis der Studie: Mit den vorherrschenden sozialen Werten und Strukturen unserer Gesellschaft ist sowohl eine energiepolitische Strategie mit einem moderaten Ausbau der Kernenergie als auch eine Strategie mit langsam auslaufender Kernenergie vereinbar.
Der Verfasser setzt sich zunächst mit Grundproblemen sozialverträglicher Verkehrssysteme auseinander. Hierbei geht es um den Flächenbedarf der Verkehrsteilnehmer, Energienutzung, ökologische, gesundheitliche und soziale Folgewirkungen, Lärmbelastung sowie die Gestaltung der Lebensverhältnisse im allgemeinen. Im folgenden wird gezeigt, daß das gegenwärtige Verkehrssystem das Ergebnis falscher verkehrspolitischer Hypothesen der vergangenen Jahrzehnte ist. Das Straßenverkehrsrecht wird als unsozial angesehen. Abschließend werden Kriterien für ein sozialverträgliches Verkehrssystem formuliert: Freiheit vor Angst vor Verkehrsmitteln, Freiheit der Bewegung Schwächerer, Recht auf Schlaf bei offenem Fenster, Recht auf gesunde Luft, Garantie von Nahversorgung und Kommunikation, Recht auf Überleben. Als zentral für die Realisierung eines sozialverträglichen Verkehrssystems wird die Förderung sozialen Verhaltens gesehen. (ICE)
Welche energiepolitische Strategie wird am ehesten der Gesellschaft und ihrer weiteren Entwicklung gerecht? Das Projekt "Sozialverträglichkeit von Energieversorgungssystemen" versucht zur Beantwortung dieser Frage beizutragen. Sozialverträglichkeit bedeutet die Übereinstimmung einer Entwicklung in einem gesellschaftlichen Bereich (etwa Technik, Wirtschaftsordnung oder auch Energiepolitik) mit den in der Gesellschaft vorfindbaren Wertvorstellungen und das Offenhalten mehrerer Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft. Am Beispiel der vier von der Enquete-Kommlssion des Deutschen Bundestages "zukünftige Kernenergie-Politik" ausgearbeiteten "Pfade", die denkbare künftige Energleszenarien - vom massiven Ausbau der Kernenergie bei geringen Energieeinsparungen (Pfad 1) bis zu drastischen Energieeinsparungen und Einsatz regenerativer Energiequellen bei Auslaufen der Kernenergie (Pfad 4) - beschreiben, wurden die Zielvorstellungen, Vorlieben und Bewertungen von über 400 Bürgern erfaßt. Diese Bürger waren nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und eingeladen worden, sich vier Tage lang in sog. "Planungs"zellen mit dem Energieproblem vertraut zu machen und schließlich energlepolltische Empfehlungen zu formulieren.
Die von Teilen der Gesellschaft getragene Opposition gegen Kernenergie hat deutlich gemacht, daß die Art der Versorgung mit Energie nicht mehr als rein technisches Problem angesehen wird, dessen Lösung Experten überlassen werden kann. Die Akzeptanzprobleme der Kernenergie, das Bewußtwerden der Endlichkeit fossiler Primärenergieträger, das Ansteigen des Ölprelses und die Umweltschäden aufgrund der EnergiegewInnung und des Energleverbrauchs haben die Energiefrage zu einem Zentralproblem des politischen Systems und der öffentlichen Diskussion werden lassen.
The following report contains all the material used for a policy evaluationprogram of energy scenarios. Within the context of a KFA-study on social impacts the model of the planning cell was used to incorporate participation into the process of policy formulation and evaluation and to gain information about intuitive preferences concerning the four basic energy seenarios constructed by the Enquete Garnmission of the German Federal Parliament. Planning Cells consist of groups of citizens who are selected by random process and are given paid leave from their workday obligations for a limited period of time to work out solutions for social problems. A total of 24 planning cells were organized throughout Germany to evaluate four energy seenarios and to formulate recommendations for the policy maker. All material regarding the information and education of the public panels as well as the questionnaires and discussion outlines are collected in this report and briefly commented. The results of the planning cell experiments are published in the Jül-Report-No 292.
Der Verfasser vergleicht die Sozialverträglichkeitsprüfung mit bereits bestehenden ethischen Prüfverfahren und unterscheidet dabei eine individuelle Ebene, eine Ebene der Unternehmen und Institutionen und eine gemeinschaftliche gesellschaftliche Ebene, auf der derartige Prüfverfahren angewendet werden können. Dabei wird gezeigt, dass ethische Prüfverfahren stark auf die moralische Urteilskraft angewiesen sind. Diese ist wiederum mit der Vorstellungskraft verbunden, die der theoretischen Fundierung bedarf. Nach einer Betrachtung von ethischen Prüfverfahren werden besondere Urteilsverfahren aus der philosophischen Ethik vorgestellt und die Bedeutung der Urteilskraft analysiert. Der Begriff der Sozialverträglichkeit ruft, so der Autor, nach einem normativen Begriff von Gesellschaft und menschlichem Zusammenleben. Eine Sozialverträglichkeitsprüfung ist auf einen Bezug zu einem Normzustand angewiesen, als Prüfung der Kompatibilität eines Ist-Zustandes mit eines Soll-Zustands; dabei kann dieser Soll-Zustand als Ideal oder als Minimum (Schadensminimierung) angesehen werden; der Begriff der Verträglichkeit lässt eine starke Lesart (Soll-Zustand wird erreicht) oder eine schwache Lesart (dem Soll-Zustand wird nicht widersprochen) zu, ähnlich wie in der Erkenntnistheorie Kohärenztheorien der Wahrheit "Kohärenz" in einem starken Sinne als "Bestätigung" bzw. in einem schwachen Sinne als "Nichtwiderspruch" ansehen können. Wir haben es hier, so die These, mit einem normativen Begriff zu tun, der seine normative Kraft aus der Anerkennung eines Soll-Zustandes oder Sollens gewinnt. Vor jeder Anwendungsproblematik stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Begründbarkeit eines zum Soll-Zustand deklarierten Status. Daraus folgt, dass Überlegungen über Sozialverträglichkeit nicht ohne metaethische Überlegungen auskommen. Selbst wenn es nur darum gehen soll, einzelne Gesetzesentwürfe auf ihre Auswirkungen hin zu prüfen, kann die Frage nach den normativen Grundlagen des Zusammenlebens nicht einfach ausgeklammert werden. In welcher Gesellschaft wollen wir leben? (ICF2)
Bd. 8: Meyer-Abich, Klaus Michael ; Schefold, Bertram: Die Grenzen der Atomwirtschaft. - 1986. - 230 S., 4 graph. Darst., 10 Tab., Lit. S. 225-230. - ISBN 3-406-31317-5
In: Zeitschrift für Umweltpolitik & Umweltrecht: ZfU ; Beiträge zur rechts-, wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Umweltforschung = Journal of environmental law and policy = Revue de la politique et du droit d'environnement, Band 9, Heft 2, S. 181-202
Ein Forschungsteam der Kernforschungsanlage Jülich untersuchte die vier Energiepfade der Enquete-Kommission "Zukünftige Energiepolitik" auf die Sozialverträglichkeit, d. h. "auf Ausmaß und Intensität empfundener Wertverletzungen" in der Bevölkerung. Befragt wurden Vertreter aus zehn Organisationen, um aus ihren "individuellen Wertbäumen" Kriterien und Indikatoren zu entwickeln, mit denen alle Anliegen der unterschiedlichen sozialen Gruppen systematisch erfaßt werden konnten. Durch Experten und zufällig ausgewählte Bürger (Modell Planungszelle) wurden die Energiepfade anhand der Kriterien bewertet. Als Ergebnis wurden sowohl "ein moderater Kernenergieausbau" als auch nach Ablauf der Lebensdauer der Kernkraftwerke diese Art von Energieerzeugung nicht weiter zu verfolgen als sozialverträglich eingestuft. (FS)
Die vier Pfade der Enquete-Kommission "Zukünftige Kernenergiepolitik", die 1979 als technisch mögliche Versorgungssysteme für die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland entwickelt worden sind, wurden durch ein Forschungsteam der Kernforschungsanlage Jülich auf ihre soziale Verträglichkeit hin untersucht. Sozialverträglichkeit wurde dabei als Ausmaß und Intensität empfundener Wertverletzungen durch gesellschaftliche Gruppen verstanden. Mit Hilfe eines dreigliedrigen Ansatzes wurden zunächst Kriterien zur Bewertung von Energiesystemen durch Befragung von Interessengruppen erhoben, diese Kriterien zu Indikatoren operationalisiert und schließlich anhand der Indikatoren die Energiepfade durch Experten und zufällig ausgewählte Bürger (Modell der Planungszelle) bewertet. Als Ergebnis zeigte sich eine relative Überlegenheit der beiden mittleren Pfade 2 und 3, wobei in beiden Fällen jeweils bei unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen Wertverletzungen auftreten, die politische Kompensationsmaßnahmen notwendig machen. ; The project team of the Nuclear Research Center Jülich conducted a study on the social compatibility of four energy scenarios constructed by a parliamentary Enquete Comrnission in 1979. The scenarios represent four technically feasible energy options supported by different value groups in society. The study is structured into three steps: first, the values and criteria for evaluating energy scenarios were elicited by interviewing the representatives of leading stake-holder groups in Germany, second these criteria were operatlonalized in indicators, and third, the energy scenarios were evaluated on each criteria by experts and randomly chosen citizens (planning cell model). As a result most citizens favoured the more moderate scenarios (two and three), but were almost equally devided in their preference distribution with respect to the pro-nuclear and non-nuclear scenario.
In: Technikfolgen und sozialer Wandel: zur politischen Steuerbarkeit der Technik; Symposion des Fachbereichs Sozialwissenschaften der Hochschule der Bundeswehr München, S. 41-56
Am Beispiel der Energieversorgungssysteme wird das Problem der Sozialverträglichkeit von Technologien erörtert. Im Gegensatz zur empirisch ermittelbaren Größe "soziale Akzeptanz" zielt "Sozialverträglichkeit" auf "Verträglichkeit mit der gesellschaftlichen Ordnung und Entwicklung". Dies wird konkretisiert durch drei Zielebenen: die "verfassungsmäßige Ordnung", politische Ziele innerhalb dieses Rahmens und exogene Entwicklungen. Die Beurteilung der Sozialverträglichkeit einer Technologie ist vorstellbar durch "Disaggregation der sozialen Voraussetzungen und Folgen" auf diese Ebenen. Die Problematik der Zielebenen ist auch Schwerpunkt der anschließenden Diskussion. (IB)
Die Verfasser zeigen, dass das Thema Sozialverträglichkeit im vergangenen Jahrzehnt in der gesellschaftspolitischen Diskussion in Österreich einigermaßen kontinuierlich eine Rolle gespielt hat. Dies lässt sich für den zivilgesellschaftlichen Bereich, vor allem für den kirchlichen Bereich nachweisen. Hier tauchen bis in die jüngste Zeit hinein Forderungen nach einem 'Solidarrat' und einer 'Sozialverträglichkeitsprüfung' wie vertraute Versatzstücke auf. Anhand der Ergebnisse einer aktuellen Umfrage in der oberösterreichischen Landespolitik wird argumentiert, dass politische Verantwortungsträger einer Sozialverträglichkeitsprüfung keineswegs distanziert gegenüber stehen. Über die Parteigrenzen hinweg ist der Begriff positiv besetzt, und niemand will eine politische Umsetzung verhindern. Bleibt die Frage, warum bei so viel Wohlwollen keine konkreten Schritte dazu erfolgen. Liegt es an der Tatsache, dass es im Unterschied zur Umweltverträglichkeitsprüfung keine mit naturwissenschaftlichen Methoden feststellbaren Grenzwerte für soziale Unverträglichkeit gibt, sondern diese im politischen Prozess ausgehandelt werden müssen? Liegt es daran, dass Politiker die Definitionsmacht darüber, was soziale Politik ist, nicht an Expertengremien abgeben wollen, sondern sie als zentrales Instrument des politischen Geschäfts für sich selbst reklamieren? Viele Akteure im zivilgesellschaftlichen Bereich, insbesondere Verantwortliche und Fachkräfte in den Wohlfahrtsorganisationen haben ihre Zweifel daran, ob die Politik immer den Blick für die realen Ängste und Sorgen der Menschen hat, insbesondere jener aus benachteiligten Gruppen der Gesellschaft. Wenn zivilgesellschaftliche Kräfte nicht weiterhin hartnäckig eine sozial verträgliche Politik einfordern, wird sich in der Praxis nichts ändern. (ICF2)
Vor dem Hintergrund der energie- und klimapolitisch motivierten Energieeffizienzziele in der Hauptstudie soll diese Teilstudie einen spezifischen Beitrag zum Problemverständnis sowie Ansätze und Empfehlungen zur Zielerreichung der "Sozialverträglichkeit" bei der Durchführung "energetischer Modernisierungen" aufzeigen.