Urteile über die Verteilung der Steuerlasten sind in der öffentlichen Diskussion beliebt. Auch in der Wissenschaft hat das Bemühen um Erkenntnisgewinnung über die Steuerbelastung eine lange Tradition. Die Lehre von der materiellen Steuerinzidenz befasst sich mit den Steuerwirkungen wogegen gemäss der formalen Steuerinzidenz die Steuern über ökonomische Variable schliesslich den Einkommensschichten zugeordnet werden. Die vorliegende Untersuchung analysiert Methodik und empirisch-statistische Probleme unter Rückgriff auf ausgewählte Länderstudien. Sie weist auf die teilweise gravierenden Mängel dieser Analysen hin und warnt vor Überinterpretationen und Trugschlüssen.
Urteile über die Verteilung der Steuerlasten sind in der öffentlichen Diskussion beliebt. Auch in der Wissenschaft hat das Bemühen um Erkenntnisgewinnung über die Steuerbelastung eine lange Tradition. Die Lehre von der materiellen Steuerinzidenz befasst sich mit den Steuerwirkungen wogegen gemäss der formalen Steuerinzidenz die Steuern über ökonomische Variable schliesslich den Einkommensschichten zugeordnet werden. Die vorliegende Untersuchung analysiert Methodik und empirisch-statistische Probleme unter Rückgriff auf ausgewählte Länderstudien. Sie weist auf die teilweise gravierenden Mängel dieser Analysen hin und warnt vor Überinterpretationen und Trugschlüssen.
Obwohl die Konzepte der Steuerinzidenz und des Steuerwettbewerbs in der finanzwissenschaftlichen Diskussion seit Mitte der 80er Jahre eine wichtige Rolle spielen, sind sie bislang in der deutschen wie angelsächsischen finanzhistorischen Forschung unbeachtet geblieben. Insbesondere die Einbeziehung dieser beiden Aspekte führt jedoch nach einer Untersuchung von Mark Spoerer zu einer differenzierteren und kritischeren Betrachtung der Verteilungswirkungen der Besteuerung im 19. Jahrhundert, die bislang als Erfolgsgeschichte dargestellt worden ist. Das Problem der Steuerinzidenz betrifft die Frage, ob derjenige, der die Steuer an die Finanzbehörden abführt, auch materiell die volle Steuerlast trägt, oder ob er sie ganz oder teilweise auf Kunden bzw. Lieferanten abwälzen kann. In Übereinstimmung mit der finanzwissenschaftlichen Literatur wird angenommen, dass die Gewerbesteuer und die Produktionssteuern (indirekte Steuern) weitgehend überwälzt werden können, die Grund-, Gebäude- und Einkommensteuer dagegen kaum. Steuerwettbewerb findet unter (meist) auf gleicher Ebene angesiedelten Gebietskörperschaften statt, die mittels von ihnen bestimmbaren Parametern der Besteuerung versuchen, mobile Faktoren (meist Kapital) zu halten oder anzuziehen. Nicht der Staat steht im Vordergrund der vorliegenden Untersuchung, sondern der Steuerzahler. Methodische Ausgangspunkte sind die Erschließung neuer Datenquellen, insbesondere aus Archiven, die Nutzung einfacher Verfahren der schließenden Statistik sowie die Ausweitung der Perspektive auf die Steuerinzidenz und die steuerinduzierte Migration mit Steuerwettbewerb als Folge. Angesichts der Vielzahl der deutschen Staatengebilde zwischen 1815 und 1871 war eine Auswahl zu treffen. Die Einbeziehung Preußens begründet Mark Spoerer aufgrund des politischen und wirtschaftlichen Übergewichts. Württemberg bildet das zweite Untersuchungsobjekt, da sein Steuersystem als das konsequenteste der süddeutschen Ertragssysteme angesehen wird und zudem die archivalische Überlieferung ebenso wie die publizierte württembergische Statistik relativ gut ist. In den vier Hauptkapiteln der Untersuchung wird der Blick weniger auf die formalen Aspekte der Besteuerung gelenkt als vielmehr auf ihre effektiven materiellen Auswirkungen und die dahinterstehenden Interessen. Der Schwerpunkt der Studie liegt auf der Entwicklung der Steuerlast, auf der Beurteilung der distributiven Effekte der Steuerpolitik und auf den Ausweichreaktionen der Zensiten. Im zweiten Kapitel werden die Steuerreformen in Preußen und Württemberg diskutiert. Im dritten Kapitel wird die Gesamtsteuerlast in Preußen und Württemberg vorgestellt. In zwei Tabellenübersichten wird die Steuerlast in Preußen für den Zeitraum 1857 – 1913 und für Württemberg für den Zeitraum 1819 – 1913 rekonstruiert, wobei stets auch Steuern der Kommunen und Kommunalverbände mit einbezogen sind, deren quantitative Bedeutung die die ersten beiden Abschnitte der Untersuchung angedeutet wurden . Die Auswahl der Stichjahre richtete sich nach den wenigen Jahren, für die weitgehend vollständige Daten der Kommunalfinanzstatistik vorliegen. Die verhältnismäßig gute Datenlage für die Kommunalsteuern in Württemberg erlaubt, einen wesentlich längeren Zeitraum zu betrachten. Drei Aspekte der Entwicklung der Gesamtsteuerlast werden eingehender diskutiert: die Abgabenlast pro Kopf und im Verhältnis zum Volkseinkommen, die Anteile der drei Gebietskörperschaften Zollverein (bzw. Reich), Staat und Kommunen einschließlich Kommunalverbände und der Anteil der indirekten Steuern an der Gesamtsteuerlast. Im vierten Abschnitt wird die Inzidenz indirekter Steuern diskutiert, wobei insbesondere auf die Rolle der preußischen Mahl- und Schlachtsteuer im preußischen Steuersystem eingegangen wird. Im fünften Abschnitt wird die steuerinduzierte Migration und der Steuerwettbewerb behandelt.
Datentabellen in HISTAT: A.01 Steuereinnahmen und pro-Kopf-Belastung im Deutschen Reich im Jahr 1913 (1913-1913) A.02 Gesamtsteuerlast in Preußen (1857-1913) A.03 Gesamtsteuerlast in Württemberg (1819-1913) Weitere Datentabellen mit Querschnittvergleichen sind auf Anfrage unter der Archiv-Nummer ZA8445 im GESIS Datenarchiv verfügbar.
Intro -- Inhaltsverzeichnis -- Vorwort -- 1. Einleitung -- 1.1 Einführung -- 1.2 Staatliche und kommunale Besteuerung in Preußen und Württemberg im Überblick -- 1.3 Forschungsstand -- 1.4 Kritische Würdigung und Problemstellung -- 2. Steuerreformen und Steuerlastverteilung -- 2.1 Problemstellung -- 2.2 Preußen -- 2.2.1 Die Vereinheitlichung des Steuersystems 1818 bis 1822 -- 2.2.2 Die Reform der Personensteuer 1851 -- 2.2.3 Die Reform der Grundsteuer 1861 -- 2.2.4 Die Umgestaltung der Personensteuern und die Abschaffung der Mahl- und Schlachtsteuer 1873 -- 2.2.5 Die Miquelschen Steuerreformen 1891/1893 -- 2.2.6 Ergebnisse -- 2.3 Württemberg -- 2.3.1 Die Vereinheitlichung des Steuersystems 1821/23 -- 2.3.2 Die Katasterrevision 1873 -- 2.3.3 Der Übergang zur Einkommensteuer 1903 -- 2.3.4 Der Wettlauf zwischen wirtschaftlichem Strukturwandel und steuerlicher Belastung -- 2.3.5 Ergebnisse -- 3. Die Entwicklung der Gesamtsteuerlast -- 3.1 Problemstellung -- 3.2 Die Gesamtsteuerlast im Überblick -- 3.3 Pro-Kopf-Belastung und Steuerquote -- 3.4 Die Anteile der Gebietskörperschaften -- 3.5 Die Anteile der Steuerarten -- 3.6 Ergebnisse -- 4. Die Inzidenz indirekter Steuern -- 4.1 Problemstellung -- 4.2 Steuerinzidenz in der zeitgenössischen Diskussion -- 4.3 Die preußische Mahl- und Schlachtsteuer und Laspeyres' Paradox -- 4.3.1 Die Rolle der Mahl- und Schlachtsteuer im preußischen Steuersystem -- 4.3.2 Die Erhebungspraxis der Mahl- und Schlachtsteuer -- 4.3.3 Die Ergebnisse der Inzidenzanalyse von Laspeyres -- 4.4 Overshifting in der ökonomischen Theorie -- 4.5 Empirische Überprüfung -- 4.5.1 Die preußische Mahl- und Schlachtsteuer 1874 -- 4.5.2 Die württembergische Fleischsteuer 1906 -- 4.6 Ergebnisse -- 5. Steuerinduzierte Migration und Steuerwettbewerb -- 5.1 Problemstellung -- 5.2 Fiskalinduzierte Migration in der zeitgenössischen Diskussion.