Die Grundlage dieser Expertise waren gesellschaftliche Wandlungstendenzen der Organisation von Arbeit. Diese wurden im ersten Kapitel in den Kategorien "Entgrenzung" und "Subjektivierung von Arbeit" erfasst und in ihren Ursachen und Folgen diskutiert. Zentral für die weiteren Betrachtungen war die Feststellung, dass in immer mehr Arbeitszusammenhängen die Logik der Verwertung von Arbeitskraft auf eine 'produktive' Einbindung der Subjektivität von Arbeitspersonen zielt, anstatt Subjektivität, wie bislang üblich, als 'Störfaktor' für die Organisation von Arbeit anzusehen. Deutlich wurde dabei, dass die "Subjektivierung" von Arbeit von unterschiedlichen gesellschaftlichen Prozessen hervorgerufen wird: Neben einer vermehrten betrieblichen Nachfrage nach Subjektivität sind es auch wachsende Forderungen der Subjekte nach Entfaltung in der Sinnstiftung durch die Arbeit. Den betrieblichen 'Anforderungen' stehen also 'Einforderungen' der Subjekte gegenüber.
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 3952-3961
"Über den im engeren Sinne sozialisatorischen Stellenwert des Konsums hinaus, der den Ausgangspunkt von Hellmanns Vortrag bildet, stellt sich überdies die Frage nach dem Beitrag des Konsums für den Wandel von Subjektivitätsformen. Hier geht es weniger um die auf Sozialisationsinstanzen bezogene Identitätsbildung konkreter Individuen, sondern um die Einflüsse des modernen Massenkonsums auf die Entstehung nachbürgerlicher Subjektivitätsvorstellungen. Auch dieser Effekt des zunehmenden Massenkonsums ist bereits von der Konsumkritik seit den 1950er Jahren bemerkt und als 'Ich-Schwäche', 'Konformismus' u.ä. verurteilt worden. Gegenüber solchen normativen Kritiken geht Dominik Schrages Vortrag davon aus, dass auch die konsumvermittelte Vergesellschaftung auf einen in seiner Eigenlogik positiv bestimmbaren Typ von Subjektivität angewiesen ist, für den die Motivation zu einer über die Deckung primärer Bedürfnisse hinausgehenden Teilnahme am Konsum ein wesentliches Moment darstellt." (Autorenreferat)
Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Handlungsfeld der Beratung, eingelassen in wohlfahrtsstaatliche und sozialpolitische Rahmungen. Beratung auf dem Feld Sozialer Arbeit ist von Anfang an ein ambivalentes Phänomen, in dem staatliche Steuerung und individuelle Krisenintervention, affirmative Inklusionsforderungen und emanzipatorischer Widerstand ineinander greifen. Auch und gerade für Beratung ist damit die Doppelfunktion Sozialer Arbeit konstitutiv, zugleich 'Hilfe für Hilfsbedürftige' und 'Kontrolle abweichenden Verhaltens' zu sein. Dennoch unterscheidet sich diese 'Handlung auf Handlung' fundamental von anderen Weisen sozialarbeiterischen Einwirkens. Statt wie in Erziehung oder Betreuung greift Beratung nicht direkt auf die Lebensführung des Einzelnen zu und ein. Beratung kann lediglich die Selbstbeobachtung des Einzelnen irritieren und so dessen Bezug zu sich selbst und zu seiner (aktuellen) Lebenssituation modifizieren. Das Beratungsgeschehen ist somit als eine spezifische Form der Einwirkung auf Handlung zu verstehen, die auf indirekte Weise - über die Vermittlung und Verhandlung von Wissen - das Handeln und die Lebenssituation der Einzelnen zu affizieren sucht. Vor diesem Hintergrund wird im ersten Schritt Beratung als ein Ort der Wissensproduktion beschrieben. Im zweiten Schritt wird Beratung als ein Ort ausgewiesen, der (auf ganz bestimmte Weise) auf Handlung zielt. Dabei wird Beratung als ein Ort der Responsibilisierung und der Subjektivierung dargestellt. (ICG2)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 4818-4830
"In der Diskussion um 'Subjektivierung der Arbeit' wird eine verstärkte Aktivierung und Einbeziehung der Subjektivität der Arbeitskraft diagnostiziert, doch sind die Implikationen dieses Wandels ungeklärt. Ist 'Subjektivierung' als ein Übergang von Fremd- zur Selbstbestimmung zu verstehen, der aber zugleich mit einer erweiterten Verobjektivierung des 'Anderen' des Subjekts, seiner inneren Natur einhergeht? Oder aber bedeutet Subjektivierung auch die Emanzipation lebendiger Potentiale des Menschen? Um hierauf eine Antwort zu geben, muss zunächst die Frage nach dem 'Wesen' des Subjekts geklärt werden. In Anknüpfung an dialektische Subjektkonzeptionen wird im Vortrag argumentiert, dass neben dem gesellschaftlich geformten 'Vernunftsubjekt' auch ein inneres 'Natursubjekt', ein Subjekt des Lebens im Menschen postuliert werden muss. Erst durch Prozesse der Abgrenzung wie auch der Vermittlung zwischen diesen beiden Subjekten konstituiert sich das humane Subjekt. Die gegenwärtigen Tendenzen einer Subjektivierung der Arbeit sind als neue Stufe der Aktivierung dieser beiden Anteile des Subjekts und eine Neuordnung ihrer Interdependenzen anzusehen. Die hiermit verbundene zunehmende 'Entgrenzung von Arbeit' bedeutet vor allem eine Neubestimmung des 'Grenzlandes' zwischen den beiden Subjektpolen und es bilden sich hybride Subjekte (Reckwitz) wie etwa der 'Arbeitskraftunternehmer' (Voss) heraus. Damit werden in der Arbeitswelt ähnliche Tendenzen erkennbar, wie sie gegenwärtig auch auf anderen Ebenen unter den Begriffen der 'hybriden Kulturen', der 'Hybriden, Mischwesen aus Natur und Kultur' (Latour), der 'kosmopolitischen Hybride' (Wehling) usw. diskutiert werden. Paradigmatisch für den Hybridisierungsdiskurs war u.a. die Auseinandersetzung mit dem mexikanisch-amerikanischen Grenzraum. In dem Vortrag wird eine Spiegelung der dort erkennbaren Prozesse von Grenzziehung, Grenzöffnung und Vermischung in das Innere der Subjekte hinein vollzogen. Hinsichtlich MexAmericas ist umstritten, inwieweit die Hybridisierung als gelungene Synthese oder als weitere Verschiebung der 'Frontier' in der Tradition der Landnahme durch die 'Frontiersmen' (Turner) zu betrachten ist. So ist auch bezüglich der Phänomene einer Subjektivierung und Entgrenzung von Arbeit zu fragen, ob diese als Versöhnung der Gegensätze oder als eine neue Stufe der Kolonisierung der Natur des Subjekts durch ein inneres Frontiersubjekt zu begreifen sind." (Autorenreferat)
In: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2, S. 4802-4809
"Subjektivität der Beschäftigten ist nicht eindimensional als Reaktion auf unternehmerische Vorgaben und Anforderungen, oder als marktliche Einverleibung von Kreativitätspotentialen zu fassen, sondern sie weist als 'Eigensinn' der Subjekte darüber hinaus. Sie hat eine emanzipatorische, auf das 'ganze Leben' bezogene Dimension. Das Phänomen der Subjektivierung verstanden als Eigensinn der arbeitenden Subjekte ist nicht etwas komplett Neues. Zum einen war Eigensinn (Selbständigkeit/ Selbstorganisation) der Subjekte immer notwendig, damit Arbeitsprozesse im Sinne der Kapitalverwertung überhaupt funktionieren konnten; zum anderen sind die Arbeitenden den Widersprüchen, die aus dem Produktionsprozess erwachsen, nie passiv ausgesetzt, sondern sie führen im Arbeitsalltag immer auch einen impliziten Kampf um die Aneignung ihrer Arbeit und ihrer Selbsttätigkeit. Neu ist, dass die Subjektivität der Beschäftigten zum Produktivitätsfaktor des unternehmerischen Handelns wird. Es gibt eine breite soziologische Debatte zur Subjektivierung, die allerdings einige markante Leerstellen enthält, die im Referat herausgearbeitet werden sollen. Es sind beispielsweise: a) die unterschiedlichen Ebenen, Triebkräfte und Formen der Subjektivierung von Arbeit empirisch weitgehend ungeklärt, b) die Kriterien des 'Eigensinns' der Subjekte und der eigensinnigen Subjektivierungsleistungen der Subjekte offen und c) die emanzipatorische, auf die Aneignung des 'ganzen Lebens' bezogene Dimension von Subjektivierungsprozessen ist mehr als unscharf. In arbeitspolitischer Perspektive stellt sich die Frage, ob die durch Vermarktlichungsprozesse in den Unternehmen induzierte Subjektivierung dem Selbständigkeitsbedürfnis der ArbeitnehmerInnen entgegenkommt und ob darin auf das 'ganze Leben' bezogene Aneignungschancen enthalten sind. Insbesondere die geschlechtersoziologische Perspektive macht Paradoxien deutlich, die im Referat diskutiert werden sollen." (Autorenreferat)
"This paper argues that the contemporary job market is subject to a segmented subjectivization of labour. While the middle third of qualified industrial workers continues to benefit from the attendant institutions of industrial society (like the time-honoured social security systems, professional job markets, employment protection) - called for some 120 years ago and having proved effective in the long term, the less qualified as well as the highly qualified increasingly have to fall back on a diversity of insecure arrangements. Subjectively, the latter two groups however deal with these insecurities in strikingly different ways. While the vanguard of highly qualified employees experience work as the core of modern man's identity, work, for the less qualified and increasingly marginalised, has commonly turned into a source of income barely providing for the most basic needs. The outcome of this is a paradoxical situation of increasing isolation and psychiatric disorders due to overwork for the one group, and due to the lack of participation in the social sphere of work for the other." (Author's abstract, IAB-Doku) ((en))
"This paper argues that the contemporary job market is subject to a segmented subjectivization of labour. While the middle third of qualified industrial workers continues to benefit from the attendant institutions of industrial society (like the time-honoured social security systems, professional job markets, employment protection) - called for some 120 years ago and having proved effective in the long term, the less qualified as well as the highly qualified increasingly have to fall back on a diversity of insecure arrangements. Subjectively, the latter two groups however deal with these insecurities in strikingly different ways. While the vanguard of highly qualified employees experience work as the core of modern man's identity, work, for the less qualified and increasingly marginalised, has commonly turned into a source of income barely providing for the most basic needs. The outcome of this is a paradoxical situation of increasing isolation and psychiatric disorders due to overwork for the one group, and due to the lack of participation in the social sphere of work for the other." (author's abstract)
Die Träger der Freien Wohlfahrtspflege gehören mittlerweile zu den beschäftigungsstärksten Organisationen in Deutschland. Während industrielle Organisationen unter wissenschaftlicher Dauerbeobachtung stehen, vollzieht sich der organisatorische Wandel der Wohlfahrt vom Verband zum Unternehmen weitestgehend ohne kritisch begleitende Forschung. Die vorliegende interdisziplinäre Studie untersucht, wie sich der Reorganisationsprozess eines bedeutenden Trägers der Freien Wohlfahrtspflege auf das Produktions- und Geschlechterverhältnis der Sozialen Arbeit auswirkt und in welcher Weise die Veränderungen und Umbauten die typischen Subjektivierungsweisen der Professionellen tangieren. Der Autor beleuchtet einen über achtjährigen Organisationsumbau im Kontext der sozialpolitischen Transformation und erforscht die Anforderungen, die eine dabei hervorgebrachte hegemoniale Effizienzordnung an die Arbeitskraft von Frauen und Männern stellt. An der analytischen Schnittstelle von Organisation und arbeitender Person ? so ein Resultat der Studie ? zeigen sich erhebliche Konfliktlagen, die zumeist in der innerbetrieblichen Arena eskalieren, obwohl der Auseinandersetzungsrahmen maßgeblich durch das Politische bestimmt ist.
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