Obwohl die baltischen Staaten mittlerweile der EU und der Nato angehören, sind ihre Beziehungen zu Russland immer noch weit entfernt von Sachlichkeit und Normalität. Das vorübergehende Veto Litauens gegen ein Mandat für Verhandlungen über ein neues Abkommen zwischen der EU und Russland oder die Auseinandersetzungen zwischen Estland und Russland über die Entfernung eines sowjetischen Soldatendenkmals aus dem Stadtzentrum von Tallinn belegen, wie konfliktanfällig das Verhältnis beider Seiten nach wie vor ist. Ungelöste Kontroversen aus der Vergangenheit, die Stellung der russischen Minderheiten, ein immenses energiewirtschaftliches Ungleichgewicht und das gegenläufige Streben nach Einfluss im postsowjetischen Raum sorgen immer wieder für Reibungen. Um diese zu dämpfen, sollten Deutschland und die Partner der baltischen Staaten in der EU den Dialog mit den drei Ländern über Russland intensivieren, aber auch mit Russland über die baltischen Staaten sprechen. Vorrangige Themen für die Kooperation mit Estland, Lettland und Litauen im Rahmen der EU sollten die Energiepolitik, die Europäische Nachbarschaftspolitik und die Ostseezusammenarbeit sein
VorwortDie Religionsfreiheit zählt zu den wichtigsten Grundrechten in einem modernen, demokratischen Staat. Jedoch ist die rechtliche Umsetzung der darin enthaltenen Garantien zuweilen sehr schwierig. Denn wie regelt man rechtlich einen Bereich, in welchem das Transzendente das Weltliche überragt? Jeder Staat regelt sein Religionsrecht in einem anderen Ausmaß. Die zugestandenen Garantien für Kirchen und Religionsgemeinschaften drücken das historisch gewachsene Verhältnis zw Staat und Religion aus. Denn Religion war immer schon Teil der Gesellschaft, auch als Staaten noch nicht existierten. Religion war auch immer ein Bereich, welcher großes Konfliktpotenzial mit sich brachte. Darum zeigen sich in kaum einer anderen Materie die geschichtlichen Wurzeln eines Staates so sehr, wie in seinem Religionsrecht.Doch die Zeiten werden moderner und entwickeln sich in neue Richtungen, dies macht auch vor der Religion nicht halt. Staaten müssen auf diese neuen Entwicklungen reagieren und sie in sein rechtliches System eingliedern. Auch das Recht der Kirchen und Religionsgemeinschaften verlangt Veränderung. Aber Erneuerungen in diesem Bereich sind meistens schwieriger umzusetzen, als in anderen Materien.Die folgende Arbeit befasst sich mit der Anerkennung von Kirchen und Religionsgemeinschaften in Österreich und der Schweiz. Zwei moderne europäische Staaten, welche in ihrem Anerkennungsrecht einige Gemeinsamkeiten haben, jedoch auch große rechtliche Unterschiede erkennen lassen. Dass die rechtliche Regelung in diesem Bereich eine große Herausforderung darstellt zeigt sich insb daran, dass beide Systeme einige verfassungsrechtliche Probleme aufweisen. Die Umsetzung der Religionsfreiheit, der Status von Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie die manchmal rechtlich bedenklichen Regelungen bilden den Inhalt dieser staatsvergleichenden Arbeit. ; AbstractReligious freedom is one of the most important fundamental rights in a modern democratic state. But the legal implementation of its included guarantees is sometimes very difficult. How can you legally regulate a topic in which transcendency overlaps secular authority?In the way how a state treats its churches and religious communities you can see which value theese institutions have in its national system. It is important to find a balance which shows the importantness of churches and religious communities for the society and which also keeps the govermental influence as low als possible.Every state regulates its religious law in a different dimension. The accorded guarantees for churches and religious communities express the historic grown relation between the state and the religion. This is because religion has always been a part of the society, even when states did?nt exist. Religion also always included a high potential of conflict. This is the reason why the religious law shows like no other topic the legal-historic roots of a state.But times are changing and developing in new dirctions, also in religious areas. States have to react and have to include this new trends in their legal system. Also the law of churches and religious communities needs transformation. But modernisations in this topic are more difficult to implement than in other areas. The following thesis deals with the legal acceptance of churches and religious communities in Austria and Swizerland. Two modern european states which have many similarities in their acceptential law but also huge legal differences. The system of both states has several constitutional problems which shows that the legal regulation of this topic is a huge challenge .The implementation of religious freedom, the status of churches and religious communities and their sometimes questionable legal regulations are the core of this thesis. ; vorgelegt von Döpper Gloria Rosina ; Abweichender Titel laut Übersetzung der Verfasserin/des Verfassers ; Graz, Univ., Dipl.-Arb., 2012 ; (VLID)224179
Industrialization as a federal responsibility Industrialization in legal history has hitherto often been regarded as part of the history of private law and economic legal history. However, the role of the state in this process is still unclear: What concrete measures were taken by the state in order to promote industry and trade? What kind of normative and legal instruments did the state apply in order to encourage economic growth? The following article tries to find answers to these questions in the sources of general public law between 1815 and 1848. Taking the kingdom of Saxony as an example, it can be observed that the models developed in public law theory were also widely implemented in public practice before 1848. ; 1832 schrieb der Heidelberger Rechtsprofessor Karl Salomo Zachariä im fünften Band seiner Vierzig Bücher vom Staat: "Der Staatsmann, der mit der […] Wirtschaftslehre unbekannt ist, gleicht einem Schiffer, der sich ohne Kompass auf die hohe See wagt." Für den Gießener Staatsrechtslehrer Friedrich Schmitthenner waren ökonomische Kenntnisse "vollends für den Staatsmann unentbehrlich". Als Verfassungshistoriker neigt man dazu, solche oder ähnliche Aussagen im Staatsrecht des Vormärz zu relativieren: Zum einen waren staatsphilosophische Aussagen über Ökonomie und Staatswirtschaft schon lange vor dem 19. Jahrhundert üblich, zum anderen geht es in der Verfassungsgeschichte ohnehin – wie es Dietmar Willoweit3 formuliert hat – um die rechtlichen Regeln und Strukturen, die die politische Ordnung prägen. Staatliche Maßnahmen auf dem Gebiet der Wirtschaft scheinen für die politische Ordnung dagegen nur eine Nebenrolle zu spielen, zumal das Staatsrecht im Vormärz für die Ausbildung des modernen Rechts- und Verfassungsstaates ohnehin zentrale Bedeutung hatte. .
Mit der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten 1933 vollzog sich nicht allein ein Systemwandel von der ersten demokratischen Republik des Deutschen Reiches zum totalitären Führerstaat, sie markierte zugleich die, auch im internationalen Kontext, einzigartige Ausrichtung der Politik am Konstrukt "Rasse". "Rasse", "Volkszugehörigkeit" und damit biologische Abstammung des Einzelnen bildeten die Termini, die Ausgangspunkt, aber auch Zielvorgabe aller Politikfelder im "Dritten Reich" prägten. Staatlich sanktioniert, entschieden "Erbgesundheit" und "Rassereinheit" über eine Förderung der als "wertvoll" Erachteten und, im Falle von diagnostizierter "Minderwertigkeit", über Diskriminierung, Verfolgung und Vernichtung unerwünschter Bevölkerungsgruppen. Zur Legitimation dieser staatlichen Ausgrenzungspolitik verwiesen die Nationalsozialisten auf die "gesicherten Erkenntnisse" einer bereits bestehenden Wissenschaft: der Rassenhygiene. Diese sich in den 1890ern als naturwissenschaftliche Lehre und sozialpolitische Bewegung formierende Disziplin zielte auf eine nach wissenschaftlichen Erkenntnissen praktizierte staatliche Kontrolle über das generative Verhalten überindividueller Sozialstrukturen, in diesem Fall der Rasse, ab. Mit Berufung auf die Erkenntnisse der Vererbungswissenschaft (Genetik), stellten Rassenhygieniker die "Züchtung" bestimmter körperlicher und seelischer, als auf dem Weg der Fortpflanzung vererbbar betrachteter Eigenschaften – im Dienste einer umfassenden Optimierung des genetischen Bevölkerungsstandards – in das Zentrum ihrer Programmatik. Ziel der vorliegenden Dissertation ist weder eine Analyse der Genese der Rassenhygiene im "Dritten Reich" noch eine isolierte Darstellung der Rassenpolitik der Nationalsozialisten, sondern die Entwicklung der wechselseitigen Beeinflussung von Rassenhygiene und Rassenpolitik, um so eine Antwort auf die Frage nach den Ursachen der Radikalisierung der Rassenpolitik geben zu können. Zugleich impliziert die genannte Zielsetzung, Akteure und Inhalte der Rassenhygiene in ihrer Beziehung zur staatlichen Rassenpolitik des "Dritten Reiches" zu untersuchen, Divergenzen und Parallelen aufzuzeigen sowie Art und Umfang der Funktionalität der Rassenhygiene für die nationalsozialistische Rassenpolitik zu analysieren. Ergänzend geht es darum, die Veränderungen der Rassenhygiene unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Politik, d.h. die Aufwertung dieser Disziplin und ihre Radikalisierung bzw. Ideologisierung einer systematischen Betrachtung zu unterziehen. Der Studie liegt der Anspruch zugrunde, die gegenseitige Instrumentalisierung von Rassenhygiene und Rassenpolitik zu beleuchten, um einen Beitrag sowohl zur Aufhellung der nationalsozialistischen Durchdringung der Wissenschaft wie zur Analyse der Gefährdung durch Inhumanität im Gewande scheinbarer Wissenschaftlichkeit zu leisten. Darüber hinaus soll mit dieser Dissertation ein Beitrag zur Kontroverse um die Zielgerichtetheit des Weges zu "Euthanasie" und "Endlösung der Judenfrage" geleistet werden.
Mit der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten 1933 vollzog sich nicht allein ein Systemwandel von der ersten demokratischen Republik des Deutschen Reiches zum totalitären Führerstaat, sie markierte zugleich die, auch im internationalen Kontext, einzigartige Ausrichtung der Politik am Konstrukt "Rasse". "Rasse", "Volkszugehörigkeit" und damit biologische Abstammung des Einzelnen bildeten die Termini, die Ausgangspunkt, aber auch Zielvorgabe aller Politikfelder im "Dritten Reich" prägten. Staatlich sanktioniert, entschieden "Erbgesundheit" und "Rassereinheit" über eine Förderung der als "wertvoll" Erachteten und, im Falle von diagnostizierter "Minderwertigkeit", über Diskriminierung, Verfolgung und Vernichtung unerwünschter Bevölkerungsgruppen. Zur Legitimation dieser staatlichen Ausgrenzungspolitik verwiesen die Nationalsozialisten auf die "gesicherten Erkenntnisse" einer bereits bestehenden Wissenschaft: der Rassenhygiene. Diese sich in den 1890ern als naturwissenschaftliche Lehre und sozialpolitische Bewegung formierende Disziplin zielte auf eine nach wissenschaftlichen Erkenntnissen praktizierte staatliche Kontrolle über das generative Verhalten überindividueller Sozialstrukturen, in diesem Fall der Rasse, ab. Mit Berufung auf die Erkenntnisse der Vererbungswissenschaft (Genetik), stellten Rassenhygieniker die "Züchtung" bestimmter körperlicher und seelischer, als auf dem Weg der Fortpflanzung vererbbar betrachteter Eigenschaften – im Dienste einer umfassenden Optimierung des genetischen Bevölkerungsstandards – in das Zentrum ihrer Programmatik. Ziel der vorliegenden Dissertation ist weder eine Analyse der Genese der Rassenhygiene im "Dritten Reich" noch eine isolierte Darstellung der Rassenpolitik der Nationalsozialisten, sondern die Entwicklung der wechselseitigen Beeinflussung von Rassenhygiene und Rassenpolitik, um so eine Antwort auf die Frage nach den Ursachen der Radikalisierung der Rassenpolitik geben zu können. Zugleich impliziert die genannte Zielsetzung, Akteure und Inhalte der Rassenhygiene in ihrer Beziehung zur staatlichen Rassenpolitik des "Dritten Reiches" zu untersuchen, Divergenzen und Parallelen aufzuzeigen sowie Art und Umfang der Funktionalität der Rassenhygiene für die nationalsozialistische Rassenpolitik zu analysieren. Ergänzend geht es darum, die Veränderungen der Rassenhygiene unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Politik, d.h. die Aufwertung dieser Disziplin und ihre Radikalisierung bzw. Ideologisierung einer systematischen Betrachtung zu unterziehen. Der Studie liegt der Anspruch zugrunde, die gegenseitige Instrumentalisierung von Rassenhygiene und Rassenpolitik zu beleuchten, um einen Beitrag sowohl zur Aufhellung der nationalsozialistischen Durchdringung der Wissenschaft wie zur Analyse der Gefährdung durch Inhumanität im Gewande scheinbarer Wissenschaftlichkeit zu leisten. Darüber hinaus soll mit dieser Dissertation ein Beitrag zur Kontroverse um die Zielgerichtetheit des Weges zu "Euthanasie" und "Endlösung der Judenfrage" geleistet werden.
Heinrich Theodor Rötscher kondensiert seine staatstheatertheoretischen Überlegungen in seinem in Rotteck und Welckers liberalem Staats-Lexikon 1843 erschienenen Artikel 'Theater und dramatische Poesie'; die Ausrichtung seines Ansatzes auf ein staatliches Gemeinwesen ist hier deutlich. Drama und Theater gehören mit zur Entwicklung eines modernen Staatswesens, sie bedingen seine Herausbildung im dialektischen Prozeß einer organisch operierenden Entwicklung. Dass in dieser Konzeption "der Staat die Idee der Freiheit ist", genügt Rötschers idealistischem Postulat genauso wie es der realen politischen Semantisierung nicht gerecht werden kann (und will). Die uneingeschränkt positive Besprechung der griechischen Demokratie fixiert das Theater als Medium der Darstellung eines "freien Staates". Die Übertragung der antiken demokratischen Verhältnisse auf das Deutschland des Vormärz kommt für Rötscher zunächst nicht in Frage; allein die Kritik am Absolutismus der Monarchie, am Prinzip der "absoluten Monarchie" und ihrem Pendant, dem Hoftheater, findet im Text ihren pejorativen Ausdruck.
Erleben wir in der Pandemie eine veritable Neuordnung der Zeit? Erlaubt die Krise gar eine Abkehr vom kapitalistischen Zeitregime? Der Beitrag betrachtet Covid-19 und die einhergehenden staatlichen Maßnahmen aus einer zeit- und wirtschaftssoziologischen Perspektive. Er macht deutlich, dass sich die sozialen und ökonomischen Verwerfungen der Pandemie auch als Ergebnis einer Kollision entgegengesetzter zeitlicher Logiken verstehen lassen. Staatliche Maßnahmen der Pandemiebekämpfung erzwangen zunächst einen Umgang mit Zeit, der dem kapitalistischen Zeitregime und dessen Prinzipien - Kommodifizierung und rationale Verwertung von Zeit, Beschleunigung sowie Aneignung der Zukunft - zuwiderläuft. Diese 'Rückkehr des Staates' als zeitpolitische Ordnungsmacht impliziert jedoch keineswegs schon eine 'Neuordnung der Zeit', die über den Ausnahmezustand Bestand hat. Der Beitrag zeigt, dass jene staatlichen Interventionen, die über die reine Pandemiebekämpfung hinausgehen, als Vermittlungsversuche zwischen unterschiedlichen zeitlichen Logiken zu verstehen sind, die die Kollision entgegengesetzter zeitlicher Logiken abfedern. Dabei erleichtern sie jedoch im Kern ein 'Zurück' zum kapitalistischen Zeitregime und schreiben zeitbezogene Ungleichheiten unbeirrt fort. ; Does the pandemic foreshadow a more sustainable order of time? Can the crisis allow for a departure from the capitalist time regime? This article looks at the Covid-19 pandemic and respective state interventions from a perspective inspired by the sociology of time and economic sociology. It shows that the social and economic disruptions attributed to the pandemic can be understood as the result of a collision of opposing temporal logics. In order to contain the pandemic, the state initially enforced ways of dealing with time that contradict the capitalist time regime and its major principles - commodification and rational use of time, acceleration, and appropriation of the future. This 'return of the state' as a power governing its citizens' time does not, however, in itself imply a 'new temporal order' that goes beyond the current state of emergency. The article shows that those state interventions intended not to contain the virus but to mitigate its social and economic consequences can often be understood as attempts to mediate between different temporal logics and cushion their collision. They essentially facilitate a 'return' to the capitalist time regime and thus perpetuate time-related inequalities.
Die Zeitschriften MEINE WELT und SÜDASIEN haben eine engere Zusammenarbeit vereinbart. Beide Publikationen widmen sich der Region Südasien und versuchen über die dortigen Gesellschaften, Politik, Wirtschaft und Alltag nicht nur zu informieren, sondern Verständnis auch für das Besondere zu wecken. Als erstes Element der Kooperation werden wir in absehbarer Zukunft jeweils einen Artikel aus dem anderen Journal veröffentlichen. Den Anfang macht der nachfolgende Text von Rainer Hörig über die Parsi in Indien. Rainer Hörig ist verantwortlicher Redakteur bei MEINE WELT.
Diese elektronische Veröffentlichung basiert auf einem bereits 1995 veröffentlichten Artikel aus dem Buch "Religion: Grundlage oder Hindernis des Friedens?", welches im Kindt Verlag (München) erschienen ist und auf eine Fachtagung zurückgeht. Der Autor befasst sich mit der Koexistenz zweier sehr unterschiedlicher Religionen in Indien und untersucht das Spannungsverhältnis zwischen beiden anhand des Konfliktes um die Babur-Moschee in Ayodhya. Trotz der Spannungen zwischen der "hinduistischen" Religionsgemeinschaft und der muslimischen sieht der Autor nicht, dass die indische Politik dauerhaft eine hindu-nationalistische Ausprägung annimmt. Daher ist ein Ausgleich zwischen Hindus und Muslime durchaus möglich. Der Beitrag enthält auch die Zusammenfassung einer Diskussion, die im Anschluss an den Vortrag von Clemens Jürgenmeyer stattfand.
Fragen zum Verhältnis von Staat und Religion sind wieder wichtiger geworden, unter anderem im Hinblick auf den Islam. Eine zentrale Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Grundsatz der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates. Er bildet Gegenstand der vorliegenden Habilitationsschrift. Sie untersucht neben der religiösen auch die ethische Neutralität im Sinne einer staatlichen Neutralität gegenüber verschiedenen Lebensformen. Der erste Teil der Arbeit beleuchtet theoretische Hintergründe der Neutralitätsforderung. Im zweiten Teil wird eine Neutralitätskonzeption entfaltet, in deren Zentrum ein Gebot neutraler Begründungen und ein Gebot hinreichender Distanz zwischen Staat und Religionsgemeinschaften stehen. Drei Bereiche staatlichen Handelns werden unter diesen Aspekten analysiert: die öffentlich-rechtliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften, das staatliche Bildungswesen und die staatliche Regelung von Lebensgemeinschaften, insbesondere die Ehe. Der dritte Teil der Arbeit behandelt sieben Einzelfragen: Kreuze in Schulräumen, die Gottesanrufung in der Bundesverfassung, das Tragen eines Kopftuches durch Lehrerinnen oder Schülerinnen, der Sonntag und die Feiertage, Dispensationen vom Schwimmunterricht, das Minarettverbot sowie die Schaffung separater muslimischer Grabfelder.
Mit der Gründung der Vereinten Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg hat die internationale Staatengemeinschaft, nach dem Scheitern des Völkerbundes, erneut einen Versuch unternommen, diesem Ziel auf einer universellen Ebene gerecht zu werden. Von Anfang an bestanden aber Tendenzen, die Aufgabe der Sicherung des Weltfriedens nicht allein mit Hilfe einer Universalorganisation wahrzunehmen, sondern auch kleineren Staatengemeinschaften zu übertragen. Dieser Gedanke der Arbeitsteilung zwischen universeller und regionaler Organisation wurde in Kapitel VIII SVN berücksichtigt. Die internationalen Umbrüche nach dem Ende des Ost-West-Konflikts machten eine Neubewertung der bestehenden Konzepte zur internationalen Friedenssicherung und damit auch eine Neubewertung der Beziehungen zwischen den Vereinten Nationen und den Regionalorganisationen notwendig. Als Folge kam es zu einer Neubelebung der Diskussionen um die Rolle der Regionalorganisationen im politikwissenschaftlichen und völkerrechtlichen Schrifttum. Lag in der Vergangenheit der Hauptaugenmerk der wissenschaftlichen Auseinandersetzung auf der Diskussion der Effektivität der universellen und regionalen Mechanismen zur Sicherung des Friedens und der internationalen Sicherheit, so steht nach dem Ende des Ost-West-Konflikts das Verhältnis der Vereinten Nationen und Regionalorganisationen zueinander und die Frage nach den Modalitäten einer Zusammenarbeit im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses. Zusätzlich stellt sich die Frage, ob und inwieweit sich die bestehenden Regionalorganisationen vor dem Hintergrund des sich wandelnden internationalen politischen Umfelds ihrer Verantwortung gerecht werden können. Die Liga der Arabischen Staaten ist bei der Diskussion um die Stellung von Regionalorganisationen im System der Vereinten Nationen im politikwissenschaftlichen und völkerrechtlichen Schrifttum des Westens weitestgehend unberücksichtigt geblieben. Allerdings scheint eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Arabischen Liga unabdingbar. Dies liegt nicht zuletzt an der Tatsache, dass sich insbesondere im Zuge der Neubewertung des Verhältnisses zwischen den Vereinten Nationen und den Regionalorganisation die Frage stellt, wie die drei klassischen Regionalorganisationen auf das neue internationale politische Umfeld reagieren. Dabei erscheint insbesondere eine Bewertung der Rolle der Arabischen Liga, der Ältesten heute noch bestehende Regionalorganisation im System der Vereinten Nationen erforderlich. Die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Arabischen Liga liegt aber auch in der Bedeutung der Region des Nahen Ostens für die internationale Politik. Ziel der folgenden Arbeit ist es deshalb, aus der Perspektive der Arabischen Liga, die praktischen Auswirkungen des Verhältnisses einer Regionalorganisation zu den Vereinten Nationen bei Fragen des Friedens und der Internationalen Sicherheit zu untersuchen. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht dabei die Frage, ob und inwieweit beide Organisationen dem von Kapitel VIII SVN verfolgten Sinn und Zweck in tatsächlicher Hinsicht gerecht geworden sind, sowie die Frage, ob die Arabische Liga in der Lage ist, sich auf das neue politische Umfeld einzustellen. Das erste Kapitel der vorliegenden Arbeit stellt den Problemkreis der Beziehung zwischen Regionalismus und Universalismus vor. Ausgangspunkt ist die theoretischen Konzeptionen des Universalismus und des Regionalismus, sowie deren praktische Ausgestaltung im Rahmen des Völkerbundes und deren Einfluss auf die Gründung der Vereinten Nationen. Danach folgt in Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit eine Analyse der in Kapitel VIII der Satzung der Vereinten Nationen festgelegten Vorschriften bezüglich der Regionalorganisationen. Zusätzlich zur Analyse der Vorschriften des Kapitels VIII SVN wird in diesem Kapitel abschließend die Weiterentwicklung des Konzepts der Regionalorganisationen im System der Vereinten Nationen im Sinne der "Agenda für den Frieden" des ehemaligen Generalsekretärs der Vereinten Nationen Boutros-Ghali berücksichtigt werden. Im Anschluss daran wird in Kapitel 3. eine Analyse der Arabischen Liga vorgenommen und in Kapitel 4 die Arabische Liga, als Beispiel einer Regionalorganisation im Sinne des Kapitel VIII SVN, in das universelle System der Vereinten Nationen eingeordnet. In Kapitel 5 werden die Ergebnisse der vorausgegangenen Kapitel aufgegriffen und anhand ausgewählter Konfliktbeispiele überprüft. Die Auswahl dieser Fallbeispiele beschränkt sich dabei. Um die generelle Praxis der Beziehungen zwischen der Arabischen Liga und den Vereinten Nationen auf dem Gebiet des Friedens und der internationalen Sicherheit zu untersuchen, wurden ausschließlich inner-arabische Konflikte, die ein gleichzeitiges Engagement der Arabischen Liga und der Vereinten Nationen nach sich zogen, in die Analyse einbezogen.