In seinem Handbuch und in seinen zahlreichen Beiträgen zur Geschichte des öffentlichen Rechts hat Michael Stolleis einen besonderen methodischen Ansatz entwickelt, den er ausdrücklich als einen "wissenschaftsgeschichtlichen" vorgestellt hat. Damit ist ein Ansatz gemeint, der die gelehrte Diskussion berücksichtigt, um die Wege zu rekonstruieren, auf denen Recht und Politik seit der Frühen Neuzeit in ihrem wechselseitigen Verhältnis bestimmt wurden, an dem Ausbau des modernen Staats teilnahmen und dem historischen Prozess die Mittel zur Selbstverständigung anboten. Wie würde es nun aussehen, wenn wir diesen methodischen Ansatz systematisch in der Geschichte der moralphilosophischen Lehren und besonders in der Geschichte des politischen Denkens anwendeten? Was könnte man sehen, wenn man die Frühe Neuzeit in der Perspektive einer radikalisierten wissenschaftsgeschichtlichen Methode betrachtet? .
Die Universität Vilnius wird im Jahr 1579 gegründet. Sie entsteht aus einem von Jesuiten geschaffenen Collegium, das König Stefan Batory mit Billigung des Papstes in die "Alma academia et universitas Vilnensis societatis Jesu" umgewandelt hat. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben als katholische Universität besteht unstrittig darin, das Gedankengut und das damit verbundene Programm der Reformation, als deren Zentrum die benachbarte Universität Königsberg gilt, abzuwehren und zurückzudrängen. Obwohl sie in der Hauptstadt des Großfürstentums Litauen gegründet wird, ist sie aufgrund der Polnisierung des litauischen Adels kulturell wie politisch polnisch geprägt. Später im 18. Jahrhundert ist sie zudem dem Expansionsstreben des russischen Nachbarn ausgesetzt. So gesehen gerät sie von Anfang an in das Spannungsfeld von Kirche, Staat und Nation. [.] ; Germanistikos istoriją Vilniaus universitete iki 1941 metų galima padalinti į du etapus: nuo 1795 m. iki 1832 m. Vilniaus Imperatoriškame universitete dirbo P. Albrichtas (Peter Albricht) ir B. Haušteinas (Benjamin Friedrich Haustein). Haušteinas buvo literatūros istorijos specialistas. Jo bandymas Imperatoriškuose universitetuose įvesti vokiečių literatūros dėstymą sužlugo po to, kai Rusijos caras, numalšinus lenkų ir lietuvių sukilimą, uždarė universitetą. Tik po 90 metų universitetas vėl pradėjo veikti Kaune kaip valstybinis Lietuvos universitetas.1922-1941 m. H. Engertas (Horst Engert) ir G. Studerus (Gottlieb Studerus) Kaune germanistiką įtvirtino kaip universiteto discipliną. H. Engertas sėkmingai vadovavo šiai mokslo sričiai, be to, jo teoriniai darbai buvo aukšto mokslinio lygio. 1940 m. Filologijos fakultetas, o kartu ir H. Engerto katedra, persikėlė į Vilnių. H. Engerto veiklą 1941 m. sustabdė įžengusi vokiečių armija. Katedrai toliau vadovavo A. Alminauskas.
Der Artikel ist frei verfügbar; anstelle eines Abstract wird hier zunächst der Anfang wiedergegeben: Wer zwischen 1950 und 1965 das Fach Deutsch studiert hat, dem ist "der Körner" ein fester Begriff: Josef Körners "Bibliographisches Handbuch des Deutschen Schrifttums", 1949 bei Francke in Bern erschienen, ein solide gebundener, dunkelbrauner Band, Kompendium aller zitierbaren Textausgaben und wichtigen Sekundärliteratur der Germanistik von den Anfängen bis 1848. Zum letzten Mal hatte hier ein einzelner Gelehrter das gesamte Fach bibliographisch erfaßt und mit kluger Auswahl und großer Zuverlässigkeit und unentbehrliches Hilfsmittel für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen. Auch heute noch ist "der Körner" für historische Recherchen unentbehrlich. Doch uns Studierende und spätere Assistenten faszinierte damals am "Körner" nicht nur seine bibliographische Kompetenz. "Wertvoll" stand da plötzlich in einer der endlosen Titellisten, oder "anspruchsvoll", aber auch "überspitzt-geistreich", "kitschig" oder "wissenschaftlich wertlos", gelegentlich sogar "nazistisch". Hier war kein trockener Titelabschreiber am Werk, hier breitete ein wacher, denkender Kopf das Ergebnis einer Lebensarbeit vor uns aus, selbstbewußt und selbstständig genug, seiner sachkundigen Subjektivität auch im nüchternen bibliographischen Genre einen Platz zu verschaffen. Und seine offen politischen Urteile über Schriften, die sich in den Dienst des Nationalsozialismus gestellt hatten, bedeuteten ein einsames, befreiendes Signal in jenen Fünfziger Jahren, in denen auch die Germanistik verdruckst und verschleiernd mit ihrer braunen Vergangenheit umging. Erst allmählich nahmen wir wahr, daß der Autor, ein Prager Jude, selbst unmittelbar betroffen war von dieser Vergangenheit, daß er 1938 beim Einmarsch der deutschen Truppen aus seinem Professorenamt verjagt, im Frühjahr 1845 nach Theresienstadt deportiert worden war, von den Russen befreit wurde, aber bereits 1950 mit 62 Jahren gestorben war, ohne wieder eine Stelle an einer deutschen Universität erhalten zu haben. Noch langsamer begriffen wir, über sein Einzelschicksal hinaus, welchen Verlust auch die Germanistik sich zugefügt hatte, als sie nach 1933 die Vertreibung und Ermordung ihrer jüdischen Kollegen und (wenigen) Kolleginnen hinnahm und es nach 1945 versäumte, die übrig Gebliebenen zurückzuholen. Erst das soeben erschienene "Internationalen Germanistenlexikon 1800-1950" dokumentiert das ganze Ausmaß dieses Verlustes; und der neuerliche Streit um die Bedeutung von NSDAP-Parteimitgliedschaften führender Germanisten wie Walter Jens, Peter Wapnewski und anderer verdeutlicht einmal mehr, wie wenig "bewältigt " die NS-Vergangenheit in unserem öffentlichen Leben bisher ist. In diesen politischen, und in einen immer noch aktuellen wissenschaftlichen Kontext gehört das Buch, das hier anzuzeigen ist.
Rezension von: Burkhard Dietz (Hrsg.): Fritz Helling, Aufklärer und "politischer Pädagoge" im 20. Jahrhundert. Interdisziplinäre Beiträge zur intellektuellen Biographie, Wissenschaftsgeschichte und Pädagogik. Frankfurt/M. u.a.: Peter Lang 2003 (487 S.; ISBN 3-631-51546-4; 69,00 EUR).
Annotation zu: Andreas Malycha: Die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR 1970 – 1990. Zur Geschichte einer Wissenschaftsinstitution im Kontext staatlicher Bildungspolitik (Beiträge zur DDR-Wissenschaftsgeschichte; Reihe C, Studien, Band 1). Leipzig: Akademische Verlagsanstalt 2008 (394 S.; ISBN 978-3-931982-55-3; 39,00 EUR).
Whatever the significance of the postmodern state of mind, recent views concerning philosophical eclecticism are largely the product of researches into the history of philosophy. There is an obvious inclination of today''s intellectual historians to investigate background figures of European modernity. The increasing willingness of historians to enlarge the notion of philosophy in both its disciplinary and historical definition seems to be in agreement with a similar disposition of contemporary philosophers. As we can learn from Michael Albrecht''s and Patrice Vermeren''s books, a critical appreciation of eclecticism throws light both on the conditions of contemporary philosophizing and on the politics of philosophy in the modern age.
Am Beispiel philologisch reflektierter Editionsarbeit wird gezeigt, wie eine gehaltvolle kulturgeschichtlich orientierte Wissenschaftsgeschichte zu konzipieren ist. Im Zentrum steht eine durch Kommentar, Register und vier teils publizierte, teils ungedruckte Aufsätze erschlossene ,Hauschronik' des Berliner Germanisten Richard M. Meyer (1860-1914). Die systematischen Aufsätze behandeln verschiedene Aspekte von Institution, Fach, Person, Werk und historischem Kontext und sollen dazu anzuregen, theoretische Konzepte der Literaturwissenschaft, einander beeinflussende Wissenschaften und disziplinär-semantische Felder auf eine Art herausfordernd zu denken. Sie sind mit der Edition in einen allgemeinen Texthorizont eingebettet, für den die Hauschronik eine Art Hypertext-Status in Anspruch nehmen kann. Die zusammengestellten Proben demonstrieren in der Verschränkung der verschiedenen literaturwissenschaftlichen Formate das ,interaktive' Konzept und die Reichweite dieses Editionsprojekts; die aus der editorischen Arbeit hervorgegangenen biographischen, germanistischen, kultur- und wissenschaftshistorischen Schriften werden in einer Art unaufhörlicher Spiralbewegung gleichsam wiederum Grundlage zur Erschließung des Chronik-Textes durch den Kommentar und die umfangreichen Sachregister, die detailliert einzelne Themenkomplexe aufschlüsseln. Die systematische Bündelung dieser aus dem Lebenskontext gewonnenen Daten zu den zwischen 1889 und 1914 dokumentierten akademischen Veranstaltungen, Reisen und Aufenthaltsorten, Kunstwerken, Theater- und Spielplänen sowie nicht zuletzt zu den über 2000 Personen versteht sich als eine über den konkreten Nutzen für die Quelle hinausgehende Service-Leistung für noch nicht absehbare Fragestellungen und Recherchen. Der Arbeit geht es insbesondere um die Annäherung an eine schwer zu greifende Ebene, in der Wissenschaft als Lebensform und Leben als vergesellschaftete Wissenschaft aufgesucht werden können. Dabei ist bemerkenswert, wie viel niedrigschwellige Daten aus der alltäglichen Lebenswelt einer gelehrten Persönlichkeit über die Praxis und Theorie vom Forschen, Lesen, Lehren, Publizieren preisgeben. In den Blick geraten nebenbei Formen von Geselligkeit und Mäzenatentum, des Sammelns und entsprechender Ordnungsversuche ebenso wie etwa eine wachsende Resignation aufgrund von Antisemitismus und politischer Entwicklungen, einer stagnierenden Karriere, gesundheitlicher oder familiärer Probleme. Ein auf diese Weise ermöglichter mehrdimensionaler Zugang offenbart erst Resonanzraum und Wert einer solchen autobiographischen Quelle – sowohl für die Welt der Wissenschaft(en) als auch für weiterführende Arbeiten zur Gattungsforschung, zur Literatur-, Stadt-, Sozial-, Kultur- und Bildungsgeschichte der Berliner jüdischen Intelligenz im Deutschen Kaiserreich. Hier lässt sich zeigen, wie Wissenschaftsgeschichte zugleich auch immer Kulturgeschichte ist und macht, und dasselbe auch umgekehrt. ; The annotated and indexed edition of the 'Hauschronik' of Richard M. Meyer (1860-1914), German philologist from Berlin, represents a philologically reflected endeavor of editorial work. It contains useful informations for the urban, social, cultural or educational history of Berlin's Jewish intellectual elite around the turn of the 19th century. The four essays grant exemplary insight into the wealth that the 'estate chronicle' of Meyer will provide the academic disciplines with.
Die Frage des Neubeginns pädagogischer Wissenschaft in Deutschland wird hier im Blick auf die gesellschaftliche Funktion von Wissenschaft gestellt und am Beispiel einer Teildisziplin, der Berufs- und Wirtschaftspädagogik (BWP), vorläufig beantwortet. Basis dafür sind die Berufsbiographien sowie die Theorie- und Wissensproduktion samt der Diskursform von 23 Hochschullehrern der BWP, dem vermutlich vollständigen Personenkorpus dieser Disziplin und der ersten Generation ihrer Vertreter in Westdeutschland nach 1945. Danach zeichnet sich die BWP durch personale Kontinuität, theoretische Homogenität und diskursive Selbstreferentialität aus und zeigt sich dieser Konstanz nach als ein geschlossener Wissenschaftsprozeß seit 1930 bis 1960. Der war freilich politisch offen; gesellschaftlich gesehen war und verhielt sich die Disziplin funktional. (DIPF/Orig.) ; The question of a new beginning of pedagogical science in Germany is considered from the perspective of the social function of science and is provisionally answered for one example, that of a subdiscipline-vocational pedagogics. The study is based on the professional biographies as well as the theory and knowledge production including the discourse form of 23 university teachers of vocational pedagogics, of probably the entire corpus of staff working in this discipline, and of the first generation of its representatives in West Germany after 1945. According to this material, vocational pedagogics is characterized by a continuity in personnel, theoretical homogeneity, and discursive self-referentiality, and it appears - due to this continuity - as a closed scientific process from 1930 to 1960. This was of course a politically open process; from the social perspective, the discipline was and acted functionally. (DIPF/Orig.)
Die Begriffsgeschichte befindet sich seit einigen Jahren in der Phase einer grundlegenden Transformation, die sich vor allem in ihrer zunehmenden Internationalisierung und Interdisziplinarisierung sowie in ihrer Verbindung mit der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte dokumentiert. Eine besondere Herausforderung bildet dabei die Erschließung der naturwissenschaftlichen Semantik. Referenzpunkte für die gegenwärtige inhaltliche und methodische Neuausrichtung bilden unter anderem die Ansätze zu einer Historischen Epistemologie (Gaston Bachelard, Ludwik Fleck) sowie Georges Canguilhems methodische Fundierung der Wissenschaftsgeschichte in der Begriffsgeschichte. In diesem Aufsatz möchte ich einige Aspekte einer interdisziplinären Begriffs- und Wissenschaftsgeschichte anhand der Analyse der Entstehungsphase des Konzepts vom 'Survival of the fittest' diskutieren. Dieses Konzept hat sich im Zeitraum der 1860er bis 1870er Jahre zu einem Deutungsmuster entwickelt, das mit eminent politischen Folgen im Spannungsfeld biologischer, philosophischer, soziologischer, ethnologischer und ökonomischer Theoriebildung sowie zwischen verschiedenen nationalen Wissenschaftskulturen zirkulierte. Ich möchte betonen, dass die von mir fokussierte wissenshistorische Konstellation nur einen kleinen Ausschnitt aus der komplexen und weit verzweigten Geschichte des Überlebensbegriffs bildet. Insbesondere seit den 1970er Jahren im Zusammenhang der ökologischen Krise und als Effekt der Diskursmacht der von Foucault entwickelten Konzepte der Biopolitik bzw. Biomacht lässt sich eine neue Konjunktur des Überlebensbegriffs ausmachen, die bis in unsere Gegenwart reicht und die überhaupt die Voraussetzung für das Bedürfnis bildet, die Bedeutungs- und Gebrauchsgeschichte des Überlebensbegriffs, oder einzelne Etappen und Knotenpunkte derselben, zu rekonstruieren.
Der Vortrag geht der Frage nach, wie Grammatiken (und Wörterbücher) des Deutschen in den gesellschaftlichen Kontext der Zeit eingelassen sind. Drei Stationen auf dem Weg in die linguistische Moderne werden aufgezeigt: die kritische Sprachlehre Adelungs, die historische Grammatik Jacob Grimms und die prinzipiengeleitete Sprachwissenschaft Hermann Pauls.Abschließend wird der Zusammenhang von Werk und Person thematisiert. Wissenschaftsgeschichte muß diesen Zusammenhang herausarbeiten und das sprachpolitische und sprachkritische Konzept, das hinter dem Werk steht, bloßlegen.
Weyer verteidigt seine "Thesen zur Politikwissenschaft im Faschismus" gegen die Kritik Lenks mit der Erläuterung seines Anliegens, Klarheit darüber gewinnen zu wollen, "wozu Wissenschaft (auch die vermeintlich so aufklärerische Sozialwissenschaft) in der Lage ist und was die - möglicherweise katastrophalen - Folgen der Interaktion von Wissenschaft und Politik sind. Die Forschungen zur Wissenschaftsgeschichte des Faschismus sind eindrucksvoller Beleg dafür, daß die Zweckorientierung von Forschung deren Wissenschaftlichkeit keineswegs beeinträchtigt."
In der Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts hat man den Glauben verloren, in scheinbar ewigen Begriffen zeitlose objektive Wahrheiten gespeichert zu finden. Die Bedeutung von Begriffen wie von Worten überhaupt ergibt sich aus wandelbaren Regeln ihrer Verwendung in konkreten Kontexten, die ihrerseits sprachlich erfasst und verstanden sein wollen. Die hiermit betonte Kontextbindung unterstreicht die kantische Erkenntnis, dass wir durch "sehr abstrakte" Begriffe "an vielen Dingen wenig" und durch "sehr konkrete" Begriffe "an wenigen Dingen viel" erkennen. Dabei hängt für Kant nicht nur das "Maximum der Erkenntnis" an der richtigen Austarierung der Abstraktionshöhe, sondern besteht hierin zugleich die "Kunst der Popularität". Die Wahl des Abstraktionsgrades und der Vergleichsebenen stellt Anforderungen auch an die Geschichtsschreibung, namentlich an die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus, der nicht einfach "Der Faschismus in seiner Epoche" gewesen ist. In Besonderheit zeigt der Holocaust, dass sich transnationale Vergleichsbildungen geradezu verbieten können. Sofern sich die Wissenschaftsgeschichte mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzt, ist sie gut beraten, mit Michael Stolleis bei den zeitgenössischen Wortverwendungen ihren Ausgangspunkt zu nehmen. Da die zentralen Wörter, traditionell die "Grundbegriffe" der Wissenschaft des öffentlichen Rechts, immer wieder die Aufmerksamkeit auch anderer Disziplinen gefunden haben, insbesondere der politischen Theorie, Philosophie, Geschichtswissenschaft und später zudem der Sozialwissenschaften, geben bereits die zu gewärtigenden gegenseitigen Beeinflussungen zu entsprechenden Seitenblicken in der Geschichte des öffentlichen Rechts Anlass. .
Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte nach 1945 sind ein integraler Bestandteil deutscher Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert. Der populäre Mythos vom universitären Elfenbeinturm suggeriert den Eindruck, dass Wissenschaft losgelöst von gesellschaftlichen Entwicklungen, gewissermaßen "außen vor", als Selbstzweck und gelenkt vom idealistischen Erkenntnisinteresse der Forschenden betrieben würde. Eine solche esoterisch anmutende Gesellschaftsferne als herausragendes Merkmal von Universität und Wissenschaft zu bezeichnen, verkennt die Verhältnisse.
Der Autor stellt Nachträge zur Bibliographie zusammen, die den Erscheinungszeitraum 1990- 1998 betreffen und ergänzt dies durch aktuelle Publikationen und unveröffentlichte Graduierungsarbeiten. Die Bibliographie dokumentiert über 50 Jahre Hochschul- und Wissenschaftsgeschichte in Ostdeutschland, soweit sich diese in Publikationen, die seit dem Umbruch 1989/90 erschienen sind, widerspiegelt. Sie erfasst selbständige Publikationen: Monographien, Sammelbände, Broschüren, ggf. auch komplette Zeitschriften-Nummern und weist z.T. die betreffenden Internet-Adressen nach. (HoF/Bo)
Glasbilder, auch Glasdias, Glaspositive, Laternbilder und Lichtbilder genannt, wurden zwischen 1880 und 1950 in Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen massenhaft eingesetzt, um Lehrveranstaltungen, öffentliche Vorträge und Lesungen zu illustrieren. Glasbilder sind in beinahe allen universitären Sammlungen erhalten, wurden jedoch bislang kaum in Bezug auf ihre visuellen Strategien, ihren epistemischen Status und ihre Verwendung innerhalb der jeweiligen Fachgeschichte aufgearbeitet. Im Rahmen eines geplanten Forschungsprojekts zu illustrierten Publikumsvorträgen von Wissenschaftler_innen analysiere ich eine Glasbildserie des Utrechter Botanikers August Adriaan Pulle (1878–1955) und zeige verschiedene methodische und theoretische Fragen auf, die sich im Laufe meiner Arbeit mit dieser Objektgattung ergaben. Durch das Zusammenfügen von Herangehensweisen, die traditionell entweder der Medienwissenschaft oder der Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte zugeschrieben werden, rekonstruiert dieser Artikel die Bedeutung und den Einsatz dieser Objekte. Pulles Glasbildserie wurde nicht nur innerhalb der Universität, sondern auch für Publikumsvorträge eingesetzt, in denen Pulle seine wissenschaftliche Arbeit zur surinamischen Flora mit einer Stellungnahme zum (niederländischen) Kolonialismus verband. Die Beschäftigung mit Glasbildern bietet einen Zugang für noch kaum erforschte Aspekte der Mediengeschichte sowie der Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Vor allem die durch Wissenschaftler_innen selbst hergestellten Glasbilder, so das Fazit, geben Aufschluss über ihr professionelles Selbstverständnis. Mit ihnen lassen sich die politische Verortung von Forschenden, die historischen Formen des Wissenstransfers mit den dazugehörigen Medien und Medienpraktiken sowie Netzwerke universitärer und außeruniversitärer Organisationen besser verstehen. Im Fall von Pulle sind die Objekte aufschlussreicher für eine Rekonstruktion seiner politischen Positionierung als seine publizierten fachlichen Arbeiten.