"Dass einige Menschen mit 70 Jahren noch innovativ und produktiv, andere - zumindest in den Augen ihrer Vorgesetzten schon mit 45 zu alt sind, lässt sich mit den biologisch fassbaren Wandlungen der menschlichen Leistungsfähigkeit nicht ausreichend erklären. Im Beitrag wird gezeigt, dass die Art der Tätigkeit und insbesondere der Erwerbsverlauf, der zu dieser führte, viel relevanter sind. Der Erwerbsverlauf ermöglicht oder versperrt neue Kombinationen von Tätigkeiten. Die Ungleichheit der Chancen, länger produktiv zu sein, hat daher weniger mit ungleicher biologischer Ausstattung zu tun. Sie scheint vielmehr reproduziert zu werden durch den Zuschnitt von Tätigkeiten, die sich als qualifikatorische und gesundheitliche Sackgassen erweisen." (Autorenreferat, IAB-Doku)
In: Baustelle Sozialstaat: Umbauten und veränderte Grundrisse ; Jahrestagung der Sektion "Sozialpolitik" der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 4./ 5. Mai 2001 Hannover, S. 101-131
Der Autor setzt sich mit den grundsätzlichen Dimensionen und den daraus folgenden strategischen Optionen für eine Politik der Rationierung gesundheitspolitischer Güter im Rahmen gegenwärtiger Reformbestrebungen des Gesundheitswesens kritisch auseinander. Er identifiziert zunächst vier Merkmale einer Strategie der Rationierung bzw. vier "Einfallstore" für die Umdeutung von Rationierung in mangelnden Bedarf: (1) Nur Bereitstellbares kann rationiert werden; (2) Rationierung ist kein Verzicht auf bestimmte Dienstleistungen; (3) Rationierung setzt einen objektiven oder latenten Bedarf, d.h. einen erreichbaren Netto-Nutzen voraus; (4) der objektiv Bedürftige muss auch subjektiv nachfragen. Der Autor diskutiert vor diesem Hintergrund professionsgesteuerte Rationierungsstrategien am Beispiel der Schweizer Ärztenetze und zieht daraus allgemeine Schlussfolgerungen für eine an den Bedürfnissen und Anforderungen der Patienten orientierte Rationierungspolitik. Da es bei den Schweizer Ärztenetze vor allem um eine gleichzeitige Qualitätssteigerung und Kostensenkung geht, hebt der Autor hier einige Aspekte von professioneller Bedarfsfeststellung und Steuerung hervor. Seine abschließenden Anmerkungen beziehen sich auf das Verhältnis von Wettbewerb im Gesundheitswesen, auf die Agenturen des Verbraucherschutzes sowie auf Entscheidungen im individuellen Arbeitsbündnis zwischen Klienten und Professionen. (ICI2)
Der Beitrag untersucht Anpassungsprozesse am Beispiel ethnisch gemischter Arbeitsteams und grenzüberschreitender Berufstätigkeit in internationalen Organisationen. Der Autor wirft erneut die schon von Alfred Schütz gestellte Frage auf: Werden Fremde einander fremder, je näher sie sich kommen? Oder interpretieren Organisationen und Berufe Fremde durch eine Traditionsbildung, die von unterschiedlichen Herkünften absehen kann? Informationsquellen der empirischen Untersuchung sind biographische Interviews mit Organisationsnovizen, langjährigen Berufserfahrenen und Pensionären. Die langjährige gemeinsame Arbeit in internationalen Organisationen erweist sich zwar in gewissem Sinne als Medium wechselseitiger Anerkennung, aber dies bewahrte nicht vor der jederzeitigen Aktualisierbarkeit nationalistischer, selbst rassistischer Vorurteile. (pre)
In der DDR waren viele Funktionen, die in Westdeutschland über Kommunen, spezialisierte freie Träger und Versicherungen erfüllt werden, Gegenstand betrieblicher Sozialpolitik, z.B. Kindergärten, Mittagstische für Rentner, medizinische Versorgung, Ferienheime und anderes mehr. Eineinhalb Jahre nach Beitritt zur Bundesrepublik haben die Betriebe fast alle diese Funktionen verloren. Der erste Teil des vorliegenden Beitrags interpretiert den beobachteten Abbau betrieblicher Sozialpolitik hinsichtlich der zukünftigen Entwicklungen. Nach einem Hinweis auf Indikator- und auf Datenprobleme werden dann Untersuchungsergebnisse referiert, und zwar von Fallstudien in sieben Betrieben der ehemaligen DDR und von statistischen Erhebungen in der alten BRD. (pmb)
Die Autoren geben eine Einführung in die Thematik des Sammelbandes, welche sich auf die kritischen Übergänge im individuellen Lebensverlauf bezieht und neuere Forschungsergebnisse aus der Verbindung von Sozialpolitik und Lebenslauf- bzw. Biographieforschung vorstellt. Es werden insbesondere drei Perspektivenwechsel beschrieben, die sich aus der Annäherung der theoretischen Konzeptionen beider Forschungsrichtungen ergeben. Die Autoren interpretieren erstens die Entwicklung des Sozialpolitik-Verständnisses als eine 'nachträgliche Kompensation' der These sozialpolitischer 'Primärprägung'. Sie weisen zweitens auf den Wandel der Untersuchung von 'Normalbiographien' zu gegenwärtigen Konzepten sozialstaatlicher 'Normalitätsunterstellungen' hin, welche für die betroffenen Individuen handlungsanleitend sind. Die Autoren werfen drittens die Frage nach der Integration von Handlungs- und Strukturtheorie bzw. von Mikro- und Makrosoziologie in den neueren Untersuchungen auf. Im letzten Teil ihres Beitrags erläutern die Autoren die Konzeption des Sammelbandes und geben eine kurze Einführung in die einzelnen Beiträge. (ICI)
Im Mittelpunkt der empirischen Untersuchung steht die Frage, unter welchen Bedingungen die Krankschreibungen von Arbeitnehmern zum Auslöser von beruflichen 'Abstiegskarrieren' werden können. Auf der anderen Seite wird nach möglichen 'Auffangpositionen' oder Restabilisierungen von Beschäftigten nach 'auffälliger Arbeitsunfähigkeit' gefragt. Die Autoren gehen im folgenden von der allgemeinen 'Überbrückungsthese' aus, wonach die Krankschreibung als 'sozialpolitische Institutionalisierung der Statussicherung' die Arbeitnehmer vor gesundheitlichen Krisen und somit vor unsicheren Erwerbsverläufen schützen soll. Anhand von Versichertendaten der Gesetzlichen Krankenkasse 'GKV Küstenstadt' beleuchten die Autoren das soziale Schicksal von auffällig arbeitsunfähig gewordenen Arbeitnehmern und vergleichen die Ergebnisse mit einer Zufallsauswahl aller versicherungspflichtig Beschäftigten im Jahre 1975. Insgesamt lassen sich nur bivariate Zusammenhänge zwischen auffälliger Arbeitsunfähigkeit und Abstiegskarrieren im Erwerbsverlauf erkennen, welche zudem nur für einige Subpopulationen und bestimmte Krankheitsmerkmale gelten. (ICI)
Die Autoren "gehen der Frage nach, inwieweit Krankschreibung einen 'Labilisierungsprozeß' des Erwerbsverlaufs auslöst, der zu einem Übergang in einen minderen sozialen Status führt. Überproportionale Krankschreibungen und langfristige Arbeitsunfähigkeit ziehen im allgemeinen aber nicht nur finanzielle Einbußen und eine 'soziale Schlechterstellung' nach sich, sondern könnten für einige Beschäftigungsgruppen auf Grund betrieblicher Selektionsprozesse einen beruflichen Abstieg einleiten, sofern die Betroffenen keine Auffangpositionen inne haben oder erreichen können. Bestimmte Gruppen häufig Arbeitsunfähiger sind offensichtlich weitaus stärker von Abstiegskarrieren bedroht, was darauf hindeutet, daß Krenkschreibung nicht durchweg eine Statussicherung gewährleistet. Während sie im Kernbereich des Arbeitsmarktes und bei durch Unfall verursachter Krankschreibung wirksam ist, kann sie in anderen Bereichen und Ursachen den sozialen Status nicht mehr in gleicher Weise absichern. Ein einmal eingeleiteter Abstiegsprozeß kann offensichtlich auch nur begrenzt durch Übernahme von Auffangpositionen gestoppt werden." (Autorenreferat, IAB-Doku)