Alliierte Militärregierungen: Okkupation, militärische Verwaltung, Staatsgründung
In: Sozialwissenschaftliche Informationen für Unterricht und Studium: sowi, Band 6, Heft 3, S. 98-104
ISSN: 0340-2304
Unter den divergierenden wissenschaftlichen Schulen besteht Konsens darüber, daß das entscheidende Moment in der Vorphase der Gründung der beiden deutschen Staaten nicht die ideologische und politische Auseinandersetzung mit dem expandierenden Kommunismus war, sondern die wirtschaftspolitische Praxis der Alliierten. Für die Vorgeschichte der BRD hatte die Besatzungspolitik weitreichende Konsequenzen, da die Militärmächte sowohl in die Organisation des sozialen, öffentlichen und politischen Lebens eingriffen als auch auf den Aufbau des Wirtschaftssektors Einfluß nahmen. Das entscheidende Charakteristikum der Besatzungswirtschaft und der Besatzungspolitik in allen Zonen zwischen 1945 und 1947/48 war die strikte politische und wirtschaftliche Lenkung. Administrierte Wirtschaft und Politik dienten einem doppelten, teilweise widersprüchlichen Zweck: zum einen sollte durch politische Eingriffe, Regelungen und Hilfsmaßnahmen das wirtschaftliche und politische Leben in Gang gebracht werden; der andere Aspekt umfaßt den Gesamtkomplex der politischen und wirtschaftlichen Reformen und der Bestrafung, die nicht auseinanderdividiert werden können (Demilitarisierung, Reparationen, Demontage, Denazifizierung, politische Reform, Verwaltungsreform). Die Realisierung des Potsdamer Abkommens als interalliierter Grundlage der Politik und Administration war in allen Zonen den Zwängen der Besatzungspolitik und den Interessen der jeweiligen alliierten Militärregierungen untergeordnet. Aufgrund der unterschiedlichen Reformintentionen und der verschiedenen zonalen Interessen sowie der Übertragung regionaler und globaler Antagonismen auf die Deutschlandpolitik der Alliierten kam es zu einer schrittweisen Auseinanderentwicklung der Zonen. Diese Elemente kamen jedoch erst zum Durchbruch, als sich sowohl die Besatzungspolitik wie auch die Europa-Politik der USA 1946/47 krisenhaft zuspitzten und die USA mit einer neuen Europa-Strategie unter dem ideologischen Mantel des Antikommunismus antworteten. Diese Krise brachte endgültig die Entscheidung für die Gründung des Weststaates im Rahmen eines unter amerikanischer Vorherrschaft rekonsolidierten (West-) Europa. (HH)