Europäisierung der öffentlichen Verwaltung - oder europäische Verwaltung?
In: Politische Vierteljahresschrift: PVS : German political science quarterly, Heft 37, S. 472-490
ISSN: 0032-3470
"Der Einfluss der EU-Integration auf die institutionelle Verfassung der nationalen Verwaltungssysteme wurde bislang in erster Linie unter vier Gesichtspunkten problematisiert: die Stellung der Exekutive innerhalb der Staatsorganisation; die Beziehungen zwischen Politik und Verwaltung innerhalb der zentralstaatlichen Regierungsorganisation; interministerielle Machtverteilung; und intergouvermentale Beziehungen. Die materiellen Folgen des EU-Integrationsprozesses sind umstritten. Belege für die Konzentrationsthese - also horizontale und vertikale Machtverlagerung auf die zentralstaatliche Exekutive und insbesondere eine privilegierte administrative 'Kernexekutive' - sind weniger eindeutig, als ihre Verfechter glauben machen wollen. Im Einklang mit den Erklärungsansätzen der politikwissenschaftlichen Europäisierungsforschung lassen sich empirisch vier unterschiedliche Logiken der Europäisierung nachweisen, die am Beispiel Mittel- und Osteuropas illustriert werden. Dabei kann zum einen zwischen rationalen Ansätzen und solchen Erklärungsversuchen, die soziologisch-historischen Varianten des Neoinstitutionalismus zuzuordnen sind, unterschieden werden; zum anderen ist von Bedeutung, ob Europäisierung primär als das Ergebnis von 'Anpassung' - gleich ob im Sinne 'folgenorientierten' oder 'angemessenen' Verhaltens - oder des 'Gebrauchs von Europa' verstanden wird. Die zahlreichen Untersuchungen zu den Europäisierungserfahrungen der Verwaltungssysteme der EU-25 liefern vielfältige Belege für die weit reichenden Folgen der EU-Integration. Mit ihrer Ausrichtung auf binnenstaatliche Reaktionsmuster läuft die Europäisierungsforschung allerdings Gefahr, zwischen- und transnationale administrative Verflechtungstatbestände zu vernachlässigen." (Autorenreferat)