Die Formel von der "souveränen Demokratie" entstand als Konzept der Abwehr gegen eine mögliche "bunte Revolution" in Russland. Inhaltlich versteht es sich als selbstbewusste Abgrenzung des nationalen Demokratiemodells – und das heißt faktisch eines autoritären Systems – vom Typus der "westlichen Demokratie", die man sich nicht überstülpen lassen will. Im Kern geht es also um den Anspruch auf einen historischen Sonderweg mit eigenen Institutionen, um die Stärkung der Rolle Russlands in der Welt und um die Abwehr jedweder Kritik des Auslands an den innenpolitischen Verhältnissen Russlands. Nach der jüngst erfolgten Entzauberung des Begriffs durch Präsident Putin selbst scheint allerdings nicht sicher, ob der Terminus "souveräne Demokratie" weiter eine zentrale Rolle in der politischen Selbstdarstellung spielen wird.
Putins Botschaft an das Parlament hat drei Schwerpunkte: Einen neuen sozialökonomischen Kurs zur Verbesserung des Lebensstandards breiter Bevölkerungsschichten, umfassende Förderung von Frauen, um der prekären demographischen Entwicklung entgegenzusteuern, schließlich die Selbstdarstellung als aufstrebende Wirtschaftsmacht und imposante Militärmacht. Beides verbindet sich mit einer demonstrativ antiamerikanischen Haltung.
Der Beitrag versucht die Entwicklungen nachzuzeichnen, die von der berühmt-berüchtigten "Jelzin-Familie" zum "kollektiven Putin" geführt haben. Die leitende Fragestellung zielt dabei auf die besondere Rolle Putins im Präsidentenamt. Für welche Werte steht er und wohin beabsichtigt er, Russland zu führen? Seit Herbst 2003 und gewiss seit Putins Wiederwahl im März 2004 haben sich die Vorstellungen von Putin als einem demokratischen Kapitän der Transformation weitgehend verflüchtigt. Sie sind in der Regel Putins demokratischer Rhetorik und dem kraft Propaganda erzeugten Anschein von politischer Stabilität des Landes geschuldet. Seit dem Frühjahr 2005 kann der "schöne Schein" nicht mehr verdecken, dass von den demokratischen Errungenschaften der neunziger Jahre wenig übrig geblieben ist. Insofern spricht einiges dafür, in Putin einen "Andropow von heute" zu sehen. Andropow entstammte gleich Putin den Reihen des KGB und hatte sich als Verfechter einer Politik von law and order einen Namen gemacht. Der Aufbau des Beitrags folgt im Wesentlichen einer chronologischen Ordnung. Nach einer kurzen biographischen Skizze finden die Eckdaten der ersten Amtszeit Putins als Staatsoberhaupt Russlands Behandlung. Schwerpunkte stellen dabei die politische Kräfteverteilung, die Bildung einer Hausmacht und die Propagierung eines positiven Images, weiter das Verständnis und die Handhabung der Verfassung, schließlich institutionelle Neuerungen dar. Die Entwicklungen werden aus demokratietheoretischer Perspektive und aus dem systemimmanent kritischen Vergleich von Verfassungsnorm und Verfassungspraxis in den Blick genommen. (ICA2)
Das gegenwärtige Russland beansprucht gleich der untergegangenen Sowjetunion eine Rolle als Großmacht und als weltpolitischer global player. Allerdings steht Russland, das die Rechtsnachfolge der UdSSR angetreten hat, nicht mehr als paritätische Kraft den USA gegenüber. Aus der Sicht Moskaus tritt an die Stelle der bipolaren Weltordnung des Kalten Krieges eine "multipolare Welt", in der neben Russland mehrere internationale Akteure agieren und das internationale Kräfteverhältnis beeinflussen. Der Vorstellung von einer "multipolaren" Welt gemäß bestimmt Moskau selbst den Stellenwert Russlands in der internationalen Politik. Im vorliegenden Beitrag wird der Frage nachgegangen, ob die realen innen- wie außenpolitischen sowie ökonomischen Entwicklungen Russland tatsächlich als einen weltpolitischen Spieler ausweisen oder ob es zutreffender erscheint, den "eurasischen Koloss" als eine bloß virtuelle Großmacht zu sehen. Dabei wird in Rechnung gestellt, dass sich Gewicht und Wettbewerbsfähigkeit eines Landes in der globalisierten Politik an einer erfolgreichen Marktwirtschaft und am Gedeihen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit messen lassen müssen. Nach Maßgabe dessen werden die Fortschritte und Rückschritte auf dem Weg der Systemtransformation bilanziert und zu dem Großmachtanspruch in Beziehung gesetzt. Der Schwerpunkt der Analyse liegt auf den Entwicklungen während der Präsidentschaft Vladimir Putins seit dem Frühjahr 2000 bis Mitte 2006. (ICA2)
Der Beitrag erörtert die Frage, welches politische Regime in Russland seit dem Jahr 2000 entstanden ist und ob dieses mit den Richtwerten der europäischen Integration vereinbar ist. Um den eingeschlagenen Kurs der Kremlführung unter Putin zu erfassen, versucht die Autorin einen Blick auf die besondere Weltsicht des russischen Präsidenten zu werfen: Bei allen Schwierigkeiten, Putins Visionen und Zielvorstellungen für Russlands Entwicklung eindeutig zu benennen, tritt von Anfang an seine Orientierung am starken Staat und einer russischen Großmachtrolle klar hervor. Gezeigt wird, dass es kaum freien politischen Wettbewerb gibt und die Strukturen der Macht vorwiegend bürokratisch und oligarchisch verfasst sind. Das Debakel der Yukos-Affäre führt auch vor Augen, dass es mindestens an einer unabhängigen Justiz fehlt. Das Rechtsstaatsgebot erfährt im "System Putin" eine besondere Fassung. So erklärte Sergej Iwanow, russischer Verteidigungsminister und engster politischer Berater Putins, im Juli 2004, dass das Verfahren gegen Yukos korrekt sei und mit den Regeln der "östlichen Demokratie" übereinstimme. Offensichtlich ist die "östliche Demokratie" nur ein anderes Etikett für Putins "gelenkte Demokratie". (ICA2)
Die Formel von der "souveränen Demokratie" entstand als Konzept der Abwehr gegen eine mögliche "bunte Revolution" in Russland. Inhaltlich versteht es sich als selbstbewusste Abgrenzung des nationalen Demokratiemodells - und das heißt faktisch eines autoritären Systems - vom Typus der "westlichen Demokratie", die man sich nicht überstülpen lassen will. Im Kern geht es also um den Anspruch auf einen historischen Sonderweg mit eigenen Institutionen, um die Stärkung der Rolle Russlands in der Welt und um die Abwehr jedweder Kritik des Auslands an den innenpolitischen Verhältnissen Russlands. Nach der jüngst erfolgten Entzauberung des Begriffs durch Präsident Putin selbst scheint allerdings nicht sicher, ob der Terminus "souveräne Demokratie" weiter eine zentrale Rolle in der politischen Selbstdarstellung spielen wird.
Putins Botschaft an das Parlament hat drei Schwerpunkte: Einen neuen sozialökonomischen Kurs zur Verbesserung des Lebensstandards breiter Bevölkerungsschichten, umfassende Förderung von Frauen, um der prekären demographischen Entwicklung entgegenzusteuern, schließlich die Selbstdarstellung als aufstrebende Wirtschaftsmacht und imposante Militärmacht. Beides verbindet sich mit einer demonstrativ antiamerikanischen Haltung.
Während der ersten Präsidentschaft Putins (2000 bis März 2004) war die Besetzung der politischen Spitzenämter durch eine Kohabitation der Jelzin-"Familie" mit den "Petersburgern" charakterisiert, die Putin aus Petersburg nach Moskau gefolgt waren. In Putins zweiter Amtszeit bekleiden nur noch Putins Provinzpolitiker und die Vertreter der Sicherheitsorgane die wichtigsten Posten. Während sich Putins 'Kader' zunächst auf drei Flügel – "Liberale", "Juristen" und "Silowiki" – verteilten, ringen jetzt im wesentlichen "Liberale" und "Silowiki" um Einfluss auf Politik und Wirtschaft. Die "Silowiki" haben sich im Zuge von heftigen Verteilungskämpfen weiter aufgespalten. Dies verschärft die "Apparatekriege" und destabilisiert Putins Hausmacht.
A review essay on books by (1) Peter Baker & Susan Glaser, Kremlin Rising. Vladimir Putin's Russia and the End of Revolution (New York: Scribner, 2005); (2) Dale R. Herspring (Ed), Putin's Russia. Past Imperfect, Future Uncertain (New York: Rowman & Littlefield, 2003); (3) Richard Sakwa, Putin: Russia's Choice (London: Routledge, 2004); & (4) Lilia Shevtsova, Putin's Russia. Durchgesehene und erweiterte Auflage ([Putin's Russia. An Overview & Enlarged Edition] Washington, DC: Carnegie Endowment International Peace, 2005).
Schon früh hat man in den Übergangsregimen Osteuropas eine Entwicklung vom "Plan zum Clan" beobachtet. Darunter ist ganz allgemein die Ablösung der bürokratisch gelenkten Planwirtschaft durch einen Wettbewerb informeller Gruppen oder Clans um politischen wie ökonomischen Einfluss zu verstehen. In Russland haben sich derartige Seilschaften oder "Einflussgruppen" vor dem Hintergrund der zügigen Privatisierung des Staatseigentums, der anhaltenden Schwäche von Parlamentarismus, Parteien und Interessengruppen und in Ermangelung einer gesetzlich geregelten Lobbytätigkeit als Surrogate gesellschaftlicher und staatlicher Willensbildung breitgemacht. Der vorliegende Beitrag geht auf Veränderungen dieser Wirtschafts- und Politikverflechtungen unter Putin ein. Wegweisend ist der Trend zum Ausschluss der Wirtschaftsmagnaten (Oligarchen) aus dem politischen Prozess einerseits und das Erstarken der Repräsentanten aus den Organen für Sicherheit, Militär und Rechtsvollzug, also der so genannten "Siloviki", andererseits. Insgesamt rekonstruiert die Autorin die Entwicklung der "Einflussgruppen" während der Präsidentschaft Putins. Dabei interessieren vor allem die ideologischen Ausrichtungen, die wechselnden Machtkonstellationen der Gruppierungen und - soweit dies annäherungsweise feststellbar ist - ihre tatsächliche Bedeutung für den politischen und wirtschaftlichen Kurs des Landes. Hinweise auf die Entstehung eines systemimmanenten "Apparatepluralismus" werden aus der Rekrutierung der Akteure abgeleitet. Entscheidend ist, welchen Tätigkeitsfeldern die Beamten in Spitzenpositionen der Exekutive entstammen und inwieweit sie durch Ausbildung, Beruf und Corpsgeist geprägt werden. Um die "Spieler" in dem "informellen Pluralismus" von Bürokratie und Business dingfest zu machen, wird nach traditioneller "kremlastrologischer" Methode das Augenmerk in erster Linie auf die von Präsident Putin getätigten Einstellungen, Umbesetzungen und Entlassungen unter den führenden Beamten der Exekutive gerichtet. (ICA2)
Während der ersten Präsidentschaft Putins (2000 bis März 2004) war die Besetzung der politischen Spitzenämter durch eine Kohabitation der Jelzin-"Familie" mit den "Petersburgern" charakterisiert, die Putin aus Petersburg nach Moskau gefolgt waren. In Putins zweiter Amtszeit bekleiden nur noch Putins Provinzpolitiker und die Vertreter der Sicherheitsorgane die wichtigsten Posten. Während sich Putins 'Kader' zunächst auf drei Flügel - "Liberale", "Juristen" und "Silowiki" - verteilten, ringen jetzt im wesentlichen "Liberal" und "Silowiki" um Einfluss auf Politik und Wirtschaft. Die "Silowiki" haben sich im Zuge von heftigen Verteilungskämpfen weiter aufgespalten. Dies verschärft die "Apparatekriege" und destabilisiert Putins Hausmacht.
Die Vorgänge im Zusammenhang mit der Entlassung des politisch renommierten Regierungschefs Kasjanow und die Berufung des "technischen Premiers" Fradkow werfen ein Schlaglicht auf Russlands undurchsichtigen politischen Entscheidungsprozess, der eher von Kremlgruppen bestimmt wird und nicht demokratischen Verfahren folgt. Erkennbar ist die Tendenz, relevante Verfassungsbestimmungen zu unterlaufen.
Putins erste Amtszeit geht zu Ende, ohne dass die in der Verfassung festgelegten demokratischen Grundlagen des Systems genutzt worden wären. Sie wurden vielmehr zugunsten der Stärkung eines autoritären Präsidialsystems weiter deformiert und ausgehöhlt. Die übermäßige Steuerung des politischen Wettbewerbs führte zurück in den Einparteienstaat. Eine einseitige Personalpolitik brachte vorwiegend Vertreter der Sicherheitsorgane und des Militärs in hohe Ämter. Diese institutionellen wie gesellschaftlichen Grundlagen der Macht erweisen sich jedoch als prekär. Selbst die hohe Popularität Putins gaukelt politische Stabilität mehr vor als dass sie diese tatsächlich gewährleistet.