Inklusion, Exklusion, Zusammenhalt: soziologische Perspektiven auf eine allzu erwartbare Diagnose
In: Was hält Gesellschaften zusammen?: der gefährdete Umgang mit Pluralität, S. 31-45
In: Was hält Gesellschaften zusammen?: der gefährdete Umgang mit Pluralität, S. 31-45
In: Fragile Sozialität, S. 261-276
In: Deutschlands Eliten im Wandel., S. 255-273
Anhand des Elitediskurs wird die Frage angesprochen, wie ein Elitenkonzept für eine funktional differenzierte Gesellschaft aussehen könnte. Die neue Elite entsteht an den Schnittpunkten der Kommunikation unterschiedlicher Systemlogiken. Als Übersetzungs- oder Differenzierungselite ist sie aber mehr als der Knotenpunkt gesellschaftlicher Integrationsprobleme. Sie symbolisiert nach wie vor die Notwendigkeit von Asymmetrie und Hierarchie in einer modernen demokratischen Gesellschaft, die sich eigentlich dem normativen Programm der Symmetrisierung verschrieben hat. Angehörige von Eliten sind darauf angewiesen, das Elitäre ihrer Position performativ herzustellen und die praktische Bedeutung des Elitehandelns eben auch praktisch zu erzeugen. Wer heute über die besondere Bedeutung von Eliten nachdenkt, muss in einer Gesellschaft der Gegenwarten beschreiben können, wie sich Elitepositionen gegenseitig und vor einem Publikum performativ hervorbringen, praktisch bewähren und darin ihre Plausibilität erlangen. (GB).
In: Deutschlands Eliten im Wandel, S. 255-273
Anhand des Elitediskurs wird die Frage angesprochen, wie ein Elitenkonzept für eine funktional differenzierte Gesellschaft aussehen könnte. Die neue Elite entsteht an den Schnittpunkten der Kommunikation unterschiedlicher Systemlogiken. Als Übersetzungs- oder Differenzierungselite ist sie aber mehr als der Knotenpunkt gesellschaftlicher Integrationsprobleme. Sie symbolisiert nach wie vor die Notwendigkeit von Asymmetrie und Hierarchie in einer modernen demokratischen Gesellschaft, die sich eigentlich dem normativen Programm der Symmetrisierung verschrieben hat. Angehörige von Eliten sind darauf angewiesen, das Elitäre ihrer Position performativ herzustellen und die praktische Bedeutung des Elitehandelns eben auch praktisch zu erzeugen. Wer heute über die besondere Bedeutung von Eliten nachdenkt, muss in einer Gesellschaft der Gegenwarten beschreiben können, wie sich Elitepositionen gegenseitig und vor einem Publikum performativ hervorbringen, praktisch bewähren und darin ihre Plausibilität erlangen. (GB)
In: Migration in der metropolitanen Gesellschaft: zwischen Ethnisierung und globaler Neuorientierung ; Festschrift zum 60. Geburtstag für Wolf-Dietrich Bukow, S. 49-59
Der Verfasser berichtet über ein biographisches Interview mit einem deutschstämmigen Siebenbürger Sachsen, der in die Bundesrepublik Deutschland ausgewandert ist. Dieses Fallbeispiel macht deutlich, dass die Kulturalisierung nur eine vielen Praxisformen ist, deren sich die Menschen im Alltag bedienen, um Anschlussfähigkeit herzustellen. Die kulturelle Inklusion ist nur eine mögliche Form der Inklusion in einer multi-inkludierenden Welt. Die Besonderheiten des Migranten lassen sich am besten dann erfassen, wenn man ihre Lebenslage als "migrante Inklusion" begreift. Migranten erfahren Inklusion durch Funktionssysteme der Gesellschaft, aber auch durch Kommunikation außerhalb der Funktionssysteme, in einer ganz bestimmten Weise, die sich als migrante Inklusion nur empirisch, nicht aber prinzipiell von autochthonen Lebenslagen unterscheidet. (ICE2)
In: Elitenmacht, S. 25-41
In: Bourdieu und Luhmann: ein Theorienvergleich, S. 155-188
Der Autor macht zunächst auf die praxistheoretischen Gemeinsamkeiten der soziologischen Theorien von Bourdieu und Luhmann aufmerksam. Er zeigt, wie beide Theorien die üblichen Dichotomien der fachlichen Selbstbeschreibung der Soziologie unterlaufen, und stellt drei Gemeinsamkeiten heraus: Erstens gelingt es beiden Theoretikern, sich selbst, also die Soziologie als Wissenschaft, auf dem Bildschirm ihrer soziologischen Bemühungen zu entdecken; zweitens stoßen beide durch ihre praxeologische bzw. operative Theorieanlage auf das Problem der Selbstanwendung, und drittens lassen sich diese beiden praxeologischen/operativen Theorien als theoretische Emanzipationsgeschichten gegen starke Strukturtheorien lesen, die das Besondere immer schon als Reflex auf eine allgemeine Struktur begreifen. Im Falle Pierre Bourdieus ist dies die Emanzipation vom Strukturalismus eines Claude Lévi-Strauss; im Falle Niklas Luhmanns ist es die Abkehr vom Strukturfunktionalismus eines Talcott Parsons. Der Autor arbeitet vor diesem Hintergrund als entscheidenden Unterschied der beiden Soziologien heraus, dass bei Bourdieu die Logik der Praxis erheblich enger gefasst wird als bei Luhmann, da Bourdieu letztlich fast ausschließlich den sozialen Sinn als Antriebskraft gesellschaftlicher Dynamiken gelten lässt, während bei Luhmann eine breitere Anwendung unterschiedlicher Sinndimensionen zumindest theoretisch angelegt ist. (ICI2)
In: Elitenmacht, S. 25-41
"Armin Nassehi eröffnet die Beitragssammlung zur Problematik und Phänomenologie von 'Elitenmacht' in moderner Gesellschaft mit einem direkten Vorstoß zu einem der zentralen Probleme der Elitenforschung: Elite, stellt Nassehi fest, werde mit Prominenz verwechselt, und die Funktion von Prominenz werde als Bedingung für die Vereinfachung der Beobachtung einer unübersichtlich komplexen Welt verkannt. In funktional differenzierten Gesellschaften, argumentiert Nassehi, könne der Forschungsfokus nicht mehr nur auf die sichtbaren, eben: prominenten Funktionsträger begrenzt werden, dürfe nicht mit dem (Allzu-)Offensichtlichen deckungsgleich sein. 'Entscheidend' seien vielmehr diejenigen Positionen, die, mehr oder minder verborgen, an den Schnittstellen der Funktionssysteme entstünden. So hält Armin Nassehi die Suche nach eben diesen Stellen, an denen die gesellschaftlichen Bifurkationen tatsächlich bearbeitet würden, für soziologisch gehaltvoller als die Frage nach den sozialen Selektionskriterien für die Vorzeige-Positionen der Prominenz innerhalb der verschiedenen gesellschaftlichen Funktionssysteme. Nassehi konkretisiert, in welchen strukturellen Positions- sowie Personenmerkmalen sich die 'alten' Eliten der klassischen Moderne von jenen unterscheiden, die (zunächst einmal unspezifiziert) als 'neu' identifiziert und etikettiert wurden. Ihre Fähigkeit, Beobachtungen zweiter Ordnung gezielt auf die 'strukturellen Kopplungsstellen' der Funktionssysteme anzuwenden und die jeweiligen Codierungen - in einer Art Simultan-Übersetzung - in Entscheidungsalternativen aufzunehmen, zeichne die 'neuen', 'unprominenten' gegenüber den 'alten' Eliten aus. Wie lassen sich wissenschaftliche Perspektiven in politische, ökonomische Sichtweisen in juristische übersetzen und vice versa? Nassehi beschreibt diese Fähigkeit der Perspektivenübernahme als Translation, Transformation - als "die Kunst, mit der Eigenlogik der Funktionssysteme zu spielen und die wechselseitige Irritierbarkeit politischer Macht, ökonomischer Potenz und rechtlicher Entscheidungsgewalt zu nutzen". Er operiert an dieser Stelle argumentativ ein "tragisches Moment" heraus: Diese neuen Schlüsselkompetenzen seien zwar nicht an Herkunft und Schichtung gebunden, die Selektionskriterien für die elitären Positionen seien aber gerade über die in der gefragten Übersetzungskompetenz betonte Verstehenskomponente der Kommunikation schichtungssensibel, sodass die 'neuen' Eliten manche Tradition der 'alten' Eliten weiterführten auch jenseits von Klasse und Schicht. Armin Nassehi offeriert zwei Varianten, die "Geschichte", wie er seine forschungsprogrammatische Skizze nennt, weiterzuerzählen: eine brave, die von eifriger Schulung der Schlüsselkompetenzen erzählt, und eine "weniger brave" Version, die der Erkenntnis nicht ausweicht, dass die neuen Funktionseliten die gesellschaftliche Differenzierung nicht nur stützen, sondern sie zugleich auch unterlaufen würden - und diese Fähigkeit gezielt zur Durchsetzung eigener Interessen nutzen könnten. In diesem Sinne, spitzt Nassehi den Plot seiner "Geschichte" zu, seien die 'neuen' Eliten tatsächlich "Differenzierungsparasiten"." (Autorenreferat)
In: Wohlfahrtsstaatliche Grundbegriffe: historische und aktuelle Diskurse, S. 331-352
Der Autor betrachtet den Wohlfahrtsstaat des westlichen Typs als nur einen Fall unter weltgesellschaftlich anderen funktionalen Äquivalenten, die insgesamt darauf zielen, das grundlegende Inklusionsproblem der gesellschaftlichen Moderne politisch zu bearbeiten. Er arbeitet zunächst den "common sense" der Begriffstrias "Inklusion", "Differenz" und "Integration" heraus und stellt einen system- und gesellschaftstheoretischen sowie einen vergleichenden politisch-ökonomischen Ansatz vor, um zwei Untersuchungspfade zur Beschreibung des modernen Wohlfahrtsstaates anzudeuten. Hinsichtlich der kritischen Frage, warum dieses Modell "modern" genannt wird, zeigt er anschließend, wie sich der Wohlfahrtsstaat modernen Typs von anderen Formen der Lösung des Inklusionsproblems in der Weltgesellschaft unterscheidet. Unter dem Stichwort "multiple modernities" erörtert er die Frage, was das Politische des Wohlfahrtsstaatlichen ausmacht, um schließlich eine Reinterpretation des westlichen Wohlfahrtsstaatsmodells vorzunehmen, das Inklusion über Anspruchsvermittlung leistet und vermutlich einen weltgesellschaftlichen "Ausnahmefall" darstellt. (ICI2)
In: Beobachter der Moderne: Beiträge zu Niklas Luhmanns "Die Gesellschaft der Gesellschaft", S. 21-41
Das Werk Niklas Luhmanns steht in der Tradition und Kontinuität einer ganzen Reihe wissenschaftlicher Entwicklungen des 20. Jahrhunderts, die das Bewusstsein als alleiniges Subjekt der Welt dezentrieren. Gegenüber der "schönen Erzählung" vom autonomen Subjekts bietet die Kommunikations- und Systemtheorie Niklas Luhmanns für den Autor eine Theorie an, die das Individuum ernster nimmt als jene Theorien, die das Subjekt theoretisch in den Mittelpunkt stellen. Vor diesem Hintergrund ist es die Absicht des Beitrages, einige Facetten der kommunikationstheoretischen Fundierung von Luhmanns Theorie des Gesellschaftssystems darzulegen. Besonderer Wert wird dabei auf die Frage der operativen Autonomie von Bewusstsein und Kommunikation gelegt, wie sie v. a. in Anlehnung an und in Absetzung von Husserls Phänomenologie besonders deutlich werden. Ein zweiter Schritt behandelt die Differenz von Kommunikation und Handlung. Hier verspricht sich der Autor durch eine Kontrastierung der Luhmannschen Systemtheorie mit Rational-Choice-Theorien einigen Aufschluss über die Konstruktion von Personen, Akteuren, Handlungen und Strukturen. Dies führt dann zur Differenz von Kommunikation und symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien. Hier wird zu zeigen versucht, wie Luhmann soziale Strukturbildung in der Tat als ein selbstreferentielles, sich selbst verstärkendes und gänzlich intentions-, in diesem Sinne subjektfreies Geschehen beschreibt. Abschließend wird die Differenz von Sinn und Form angeschnitten. Der Autor geht hier von der These aus, dass sich die Pointe des gesamten Luhmannschen Theorieunternehmens tatsächlich in einer genaueren Ausarbeitung jener epistemologisierenden Sinn- und Formproblematik verbirgt. (ICA2)
In: Privatheit, Garten und politische Kultur, S. 26-39
In: Theorie der Politik: Niklas Luhmanns politische Soziologie, S. 38-59
"Armin Nassehi beschäftigt sich in seinem Beitrag mit der Funktion des Politischen, die er nicht nur in der Herstellung kollektiv bindender Entscheidungen sieht, sondern auch in der Herstellung und Bereitstellung politischer Sichtbarkeit und Zurechenbarkeit. Im Zentrum seiner Überlegungen stehen hierbei der Begriff des Kollektivs und die Konstruktion adressierbarer Kollektive als Zurechnungsbasis für das politische Entscheiden." (Autorenreferat)
In: Terror im System: der 11. September und die Folgen, S. 175-200
Jean Braudillard hat die These vertreten, dass der Anschlag vom 11. September 2001 eher ein "symbolischer" als ein "realer" Akt gewesen ist, weil die Gewalt und deren Folgeschäden nicht die entscheidende Wirkmacht waren, sondern allein ihr symbolischer Gehalt, ihre Repräsentationsmacht, und dies sowohl für die Terroristen als auch für die Legitimation des "Kriegs gegen den Terrorismus". Der Autor kommentiert diesen Gedanken aus einer systemtheoretischen Perspektive: Der Anschlag war und ist ein weltgesellschaftliches Ereignis, weil die Terroristen mit einer "unvorstellbaren Beobachtungsverfremdung" operierten und rechneten; sie machten auf eine Perspektive aufmerksam, die dem Westen völlig unbegreiflich ist: "Das meinte Braudillard mit der Nichtrealität der Ereignisse, mit ihrem symbolischen Gehalt und ihrem fast kulturindustriell hergestellten Schrecken". Der Autor zieht daraus den "banalen" Schluss für den Westen, "sich schlicht die Selbstbeschreibungen anderer Regionen der Weltgesellschaft anzusehen, anstatt über eine kulturelle Verständigung mit 'dem Islam' zu schwadronieren". (ICA)
In: Gesellschaftsbilder im Umbruch: soziologische Perspektiven in Deutschland, S. 155-176
Der Autor kritisiert aus differenzierungstheoretischer Sicht die Tatsache, dass der soziologische Gesellschaftsbegriff immer noch durch zwei Bezugspunkte perspektivisch verengt wird: zum einen durch die Frage nach der Integration der divergierenden Teile des Gesellschaftsganzen und zum anderen durch die weitgehende Gleichsetzung gesellschaftlicher Grenzen mit Nationalstaatsgrenzen. Beide Bezugspunkte werden meistens zur Beschreibung struktureller Differenzierungen verwendet, obwohl sie ausschließlich der Ebene der gesellschaftlichen Semantik zuzurechnen sind, wo sie eingesetzt werden, um ein "harmonistisches" Bild einer zugleich differenzierten und integrierten Gesellschaft zu erzeugen. Der Autor versucht in seinem Beitrag zu zeigen, dass sich diese begriffliche Engführung unmittelbar aus der Geschichte des Modernisierungsprozesses und seiner Soziologie ableiten lässt, und dass das Paradigma der gesellschaftlichen Differenzierung an dieser Engführung mitgestrickt hat. Das Ziel seiner Überlegungen besteht darin, der Differenzierungstheorie eine perspektivische Bedeutung zu verleihen, die in der Lage ist, auf die grundlegenden Veränderungen des (welt-)gesellschaftlichen Wandels zu reagieren. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen u.a. das "disembedding" und "reembedding" von Funktionssystemen, die Optionssteigerungen in der modernen Gesellschaft sowie die neue Ordnung der Politischen Ökonomie. (ICI2)
In: Gesellschaftsbilder im Umbruch, S. 155-176